Er sorgt von Kanada aus für die Sicherheit in der Schweiz
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Ryan Gardner als «PSO»:Er sorgt von Kanada aus für die Sicherheit in der Schweiz

Das neue Leben von Ryan Gardner
WM-Silberheld macht Jagd auf Sünder

Er war einer der erfolgreichsten Schweizer Spieler in der National League. Inzwischen ist Ryan Gardner (45) Ankläger. Er hat sich auch in dieser Rolle Respekt verschafft.
Publiziert: 05.12.2023 um 18:14 Uhr
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Aktualisiert: 06.12.2023 um 10:26 Uhr
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Marcel AllemannReporter Eishockey

Es war am 12. März 2013. Da verlor der damalige SCB-Stürmer Ryan Gardner (45) im fünften Playoff-Viertelfinalspiel in der hitzigen Serie gegen Servette die Nerven. Er schlug der chronischen Nervensäge Alexandre Picard (38) den Ellbogen ins Gesicht. «Er hat mich den ganzen Abend traktiert, bis ich diesen Blödsinn machte», erinnert sich Gardner.

Böse war ihm ausserhalb von Genf kaum jemand, er stiess sogar auf Verständnis. Denn Picard und sein provokatives Gebaren war zu jener Zeit vielen ein Dorn im Auge. Selbstjustiz geht aber natürlich trotzdem nicht. Auch nicht für einen normalerweise hochanständigen Spieler wie Gardner. Er wurde für zwei Spiele gesperrt.

Vom Spieler zum Safety Officer

Heute ist der 45-jährige Kanada-Schweizer, dessen Karriere 2017 zu Ende ging, selber Ankläger. Und sorgt dafür, dass Spieler, die Berufskollegen den Ellbogen ins Gesicht rammen, zur Rechenschaft gezogen werden. Gardner ist der Player Saftey Officer (PSO). Mit seinen Expertisen und Empfehlungen ist er dafür verantwortlich, dass die Sünder bei gefährlichen Fouls in der National League und der Swiss League vom Einzelrichter belangt werden.

Der erfolgreiche frühere Stürmer Ryan Gardner ist heute als PSO auf Achse.
Foto: Pius Koller
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Aktuell ist gerade HCD-Stürmer Marc Wieser, gegen den wegen seines Fouls an Fribourgs Jacob de la Rose am Montag ein Verfahren eröffnet worden ist, ein Beispiel dieses Prozesses. «Das oberste Ziel ist es, die Spieler zu schützen», sagt Gardner zu seiner neuen Berufung.

Ihm, der nach seiner Karriere aus familiären Gründen nach Kanada zurückgekehrt ist, gefällt seine neue Rolle. Er freut sich, dass er mit dem Eishockey im Generellen und der Schweiz im Besonderen verbunden bleiben konnte. «Aber es ist auch ein spezieller Job. Im Vergleich zu früher kann ich nichts gewinnen und auch nicht Meister werden», sagt er mit einem Schmunzeln.

Gardner war es sich gewohnt, oft zu gewinnen. Er war ein Grosser, nicht nur wegen seiner Körpergrösse von 1,98 Metern. Viermal wurde der schlaksige Stürmer Meister. Zweimal mit Lugano, je einmal mit den ZSC Lions und Bern, er gewann mit den ZSC Lions 2009 auch die Champions League und holte mit der Nati 2013 WM-Silber.

Schöne Tore sind ihm egal

Als PSO hat der zweifache Familienvater inzwischen eine komplett andere Optik auf das Spiel. «Ich schaue nicht, ob die Tore schön sind und wie taktisch gespielt wird, sondern was geschieht, wenn ein Spieler am Puck ist und wenn er diesen gespielt hat oder erhält. Ob da alles sauber abläuft», erklärt er. Unterstützt wird er dabei von seinem PSO-Assistenten, dem früheren Zug-, ZSC- und Rappi-Stürmer Dale McTavish (51) sowie einigen Freelance-Mitarbeitern. Sie operieren von Nordamerika aus, was diesen Job aufgrund der Zeitverschiebung familienverträglicher macht. «Zudem ist es für die Liga auch willkommen, dass wir weit weg vom Schuss sind», ergänzt Gardner.

Wenn eine Vollrunde bei uns um 19.45 Uhr beginnt, ist bei ihm in Aurora bei Toronto 13.45 Uhr. Die einzelnen Spiele werden unter Gardner, McTavish und den anderen Mitarbeitern aufgeteilt und aus den verfügbaren bis zu zehn Kamerablickwinkeln bis ins letzte Detail betrachtet. «Wenn eine heftige Szene in einem Match geschieht, den ich nicht selber auf dem Monitor habe, dann verschaffe ich mir jeweils schon in der Drittelspause ein Bild davon. Und bei Spielschluss haben wir auch schon eine Idee, in welche Richtung es gehen wird», so Gardner.

Nach viel Polemik ist Ruhe eingekehrt

Danach beginnt die Detailarbeit. Der Schiedsrichter-Rapport wird begutachtet. Die diskutablen Fouls werden in einer Art Playlist in verschiedenen Perspektiven gesammelt und es erfolgt der finale Austausch mit McTavish. «Meist sind wir gleicher Meinung», so Gardner. Anschliessend werden die sanktionswürdigen Szenen bis 7 Uhr Schweizer Zeit, was bei ihm 1 Uhr nachts ist, an den Einzelrichter weitergereicht. Mit der Empfehlung der Strafmass-Kategorie 1 (1 Spiel), 2 (2 bis 4 Spiele), oder 3 (5 oder mehr Spiele). Wie der Einzelrichter die Empfehlung umsetzt und welches Strafmass letztlich ausgesprochen wird, liegt dann in den Händen des Einzelrichters.

Zur Blüte von Gardners Aktivzeiten war der Einzelrichter noch auf sich allein gestellt und seine Arbeit ein rein juristischer Akt. Verfahren und Sperren wurden öfters von Polemiken begleitet. Einen PSO gibt es erst seit 2015. Der erste Amtsträger, der ehemalige NHL-Schiedsrichter Stéphane Auger (52), war allerdings umstritten. Mitunter auch, weil er mit den hiesigen Begebenheiten nicht vertraut war. Seit aber Gardner 2019 sein Nachfolger wurde und 2022 auch McTavish noch dazustiess, ist viel mehr Ruhe eingekehrt.

Einheitliche Linie steht im Zentrum

Dadurch, dass zwei erfahrene und erfolgreiche ehemalige NL-Profis die strittigen Szenen beurteilen, ist die Akzeptanz deutlich gestiegen. Wer will denn schon ernsthaft an einer Expertise von Gardner, der 20 Jahre in der höchsten Schweizer Liga gespielt, dort 1075 Spiele bestritten und 307 Tore erzielt hat, zweifeln?

«Ich bin froh darüber, dass das Vertrauen gestiegen ist», sagt der gebürtige Kanadier, der seit 2008 auch den Schweizer Pass besitzt. Er ist sich jedoch auch bewusst: «Dass es bei jeder Szene unterschiedliche Betrachtungsweisen gibt, liegt in der Natur der Sache. Wichtig ist daher, dass wir eine einheitliche Linie haben.» Von einem entscheidenden Punkt ist Gardner aber felsenfest überzeugt: «Ein Spieler weiss haargenau, wenn seine Intervention gegen einen Gegenspieler nicht sauber war.» Das war schon bei ihm so. Als 2013 sein Ellbogen in Alexandre Picards Gesicht gelandet ist.

National League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
HC Fribourg-Gottéron
HC Fribourg-Gottéron
1
3
3
2
SC Bern
SC Bern
1
2
3
2
ZSC Lions
ZSC Lions
1
2
3
4
EV Zug
EV Zug
1
1
3
4
Lausanne HC
Lausanne HC
1
1
3
6
HC Lugano
HC Lugano
2
1
3
7
EHC Kloten
EHC Kloten
1
1
2
7
SC Rapperswil-Jona Lakers
SC Rapperswil-Jona Lakers
1
1
2
9
HC Ambri-Piotta
HC Ambri-Piotta
1
-1
1
10
HC Davos
HC Davos
2
-3
1
11
Genève-Servette HC
Genève-Servette HC
1
-1
0
12
EHC Biel
EHC Biel
1
-2
0
12
SCL Tigers
SCL Tigers
1
-2
0
14
HC Ajoie
HC Ajoie
1
-3
0
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