Das Jahr 2024 war für Thürkauf emotionale Achterbahnfahrt
«Lugano war der einzige Klub, der mir eine Chance gab»

Der Lugano-Captain ist nicht an Bord. Bei Calvin Thürkauf (27) hat sich nach der Knie-Verletzung der erste Schock gelegt. Ihn schmerzt das verpasste WM-Gold noch mehr. Er verrät zudem, wieso er sich Lugano so lange verpflichtet hat und wie es um seinen NHL-Traum steht.
Publiziert: 05.10.2024 um 14:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2024 um 21:19 Uhr

Auf einen Blick

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Eigentlich wollte Calvin Thürkauf seine letzte starke Saison bei Lugano wiederholen, doch der Captain fällt rund drei Monate aus.
Foto: keystone-sda.ch
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Nicole VandenbrouckReporterin Eishockey

Blick: Calvin Thürkauf, haben Sie schon irgendwie verdaut, was Ihnen passiert ist?
Calvin Thürkauf: Ja, es bedeutet nicht das Ende der Welt. Der Schienbeinbruch vor drei Jahren war schlimmer. Verletzungen gehören zum Eishockey. Mal trifft es dich, mal nicht. Der Zeitpunkt ist blöd. Aber die Mannschaft schafft es auch ohne mich.

Wie haben Sie die Situation auf dem Eis erlebt?
Tristan (Scherwey, die Red.) kam hinter dem Tor hervor und ich wollte den Puck spielen. Nach dem Zusammenprall fiel er versehentlich auf mein Bein und ich spürte ein Zwicken im Knie. Dann bekam ich einen Zweier für die Aktion (lacht), und verstand es im ersten Moment nicht. Als ich die Wiederholung sah, ja, man kann die Strafe geben oder auch nicht.

Ihre ersten Befürchtungen?
Ich spürte sofort, dass etwas nicht stimmt im Knie. Ich hoffte einfach, dass es nicht das Kreuzband erwischt hat. Das hätte einen Ausfall von sechs Monaten bedeutet. Lange war unklar, was verletzt ist, erst das MRI gab Aufschluss. Wir holten noch verschiedene Meinungen ein, um zu entscheiden, was die beste Massnahme ist.

Sie haben sich gegen eine Knie-Operation entschieden, weshalb?
Bei dieser Verletzung gibt es verschiedene Theorien, wie man sie behandeln kann. Ich persönlich finde, dass nur im schlimmsten Fall eine Operation das Beste ist. Aber wenn man nicht unbedingt operieren muss, lasse ich es lieber den Körper selbst heilen. Das Seitenband sollte sich vernarben und wieder verhärten.

Ein dreimonatiger Ausfall bedeutet, dass Sie Anfang 2025 wieder spielen möchten?
Das hängt vom Heilungsverlauf ab, man weiss nie, wie der Körper reagiert. Es dauert jetzt erst mal eine Weile, bis ich das Eis wieder sehe. Mindestens vier oder sechs Wochen.

Thürkauf fällt nach Scherwey-Zusammenprall lange aus
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Bänderverletzung im Knie:Thürkauf fällt nach Scherwey-Zusammenprall lange aus

Sind Sie ein geduldiger Mensch?
Ich habe mehrfach längere Ausfälle durchgemacht. Logisch möchte ich so schnell wie möglich wieder spielen, der Reiz wird da sein. Wenn die Mannschaft so erfolgreich unterwegs ist, will man ein Teil davon sein. Aber ich kuriere die Verletzung lieber richtig aus und bin dann wieder hundertprozentig fit, anstatt etwas zu forcieren.

Ihre Mannschaft hat einen starken Saisonstart hingelegt, fällt Ihnen da das Zuschauen leichter?
Ja, definitiv. Ich bin froh, dass der Saisonstart gelungen ist. Das war unser Ziel. Wir haben so viele Spiele in den ersten sechs Wochen, da ist ein Drittel der Saison schon fast abgehakt. Läufts da nicht, rennt man gegen Ende der Regular Season den Punkten nach. Diese Erfahrung mussten wir die letzten Jahre machen. Jetzt spüre ich den Willen dieser Mannschaft, etwas erreichen zu wollen. Die Stimmung in der Garderobe ist im Vergleich zu den Vorjahren eine andere.

Sind Sie als Captain vor den Partien in der Garderobe bei Ihren Mitspielern?
Nein, die Mannschaft kommt gut ohne mich klar. Ich muss vor den Spielen nicht den Tarif durchgeben, die Jungs sollen ihr Ding durchziehen. Aber natürlich ist an den Trainingstagen, wenn ich für meine Physiotherapie dort bin, ein Austausch mit den Mitspielern da.

Es ist ein Jahr voller unterschiedlicher Emotionen für Sie. Verpasstes WM-Gold, ausbleibende NHL-Chance, MVP-Award. Welches dieser Themen hat Sie am meisten beschäftigt?
Schon das verpasste WM-Gold. Das tat weh. Das Team war super. Noch nie habe ich in einer Mannschaft gespielt, die innert so kurzer Zeit so schnell so nahe zusammengerückt ist. Wir spürten, dass da etwas Spezielles heranwächst. Das Kader war top, aber vor allem die Chemie neben dem Eis war unvergleichlich. Der Zusammenhalt war grandios, alle waren Teil dieser Gold-Mission. Wir schafften es in den Final. Und dann … – das klingt jetzt vielleicht doof.

Erzählen Sie.
Als wir wussten, dass wir nicht gegen die Schweden spielen im Final, ging nochmals ein Ruck durch die Garderobe. (Lacht.) Man kennt ja unsere Erfolgsquote gegen sie. Wir wollten diese Goldmedaille. Darum war die Enttäuschung riesig. Man sagt ja: Man gewinnt Gold oder man gewinnt Bronze. Aber Silber ist quasi der Trostpreis, weil man im Final das andere Edelmetall möchte. Trotzdem, die vier, fünf Wochen mit dieser Mannschaft waren unvergesslich. Sie sind für mich zum Vorbild geworden, wie ich es hier in Lugano auch haben möchte. Nur wenn alle am gleichen Strick ziehen, ist diese Aufopferungsbereitschaft möglich.

Also denken Sie immer noch, dass Sie Gold verloren haben und nicht Silber gewonnen?
Ja, als Sportler will man ein Final-Spiel gewinnen. Es tut immer noch weh.

Calvin Thürkauf persönlich

Seine Juniorenzeit verbrachte Calvin Thürkauf beim EV Zug. 2016 wurde der Stürmer in der siebten Runde von den Columbus Blue Jackets gedraftet. In der kanadischen Juniorenliga WHL reifte er zum AHL-Spieler. Für die Cleveland Monsters absolvierte er in drei Saisons 154 Partien. Von Columbus wurde er dreimal in der NHL eingesetzt.

2020 kehrte er in die Schweiz und zu seinem Stammklub EVZ zurück. Bei einem Zusammenstoss im Training brach er sich das Schienbein. 2021 sicherte sich der HC Lugano Thürkaufs Dienste. Bei den Bianconeri avancierte der Nati-Spieler zum Leader und Leistungsträger. Letzte Saison war er der beste Schweizer Skorer der Regular Season mit 60 Punkten (28 Tore) und wurde mit dem MVP-Award ausgezeichnet. Er gehört auch zu den Silberhelden von Prag.

Der 27-Jährige ist mit Jenny Colombini liiert. Im Sommer hat der Lugano-Captain die Bootsprüfung bestanden und büffelt fleissig Italienisch, um bald die Interviews in der Kantonssprache zu geben. Sein Vertrag bei Lugano läuft bis 2029.

Seine Juniorenzeit verbrachte Calvin Thürkauf beim EV Zug. 2016 wurde der Stürmer in der siebten Runde von den Columbus Blue Jackets gedraftet. In der kanadischen Juniorenliga WHL reifte er zum AHL-Spieler. Für die Cleveland Monsters absolvierte er in drei Saisons 154 Partien. Von Columbus wurde er dreimal in der NHL eingesetzt.

2020 kehrte er in die Schweiz und zu seinem Stammklub EVZ zurück. Bei einem Zusammenstoss im Training brach er sich das Schienbein. 2021 sicherte sich der HC Lugano Thürkaufs Dienste. Bei den Bianconeri avancierte der Nati-Spieler zum Leader und Leistungsträger. Letzte Saison war er der beste Schweizer Skorer der Regular Season mit 60 Punkten (28 Tore) und wurde mit dem MVP-Award ausgezeichnet. Er gehört auch zu den Silberhelden von Prag.

Der 27-Jährige ist mit Jenny Colombini liiert. Im Sommer hat der Lugano-Captain die Bootsprüfung bestanden und büffelt fleissig Italienisch, um bald die Interviews in der Kantonssprache zu geben. Sein Vertrag bei Lugano läuft bis 2029.

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Tröstete Sie die Wahl zum wertvollsten Spieler der letzten Regular Season über das verpasste WM-Gold hinweg? Oder was bedeutet es Ihnen?
Der Award ist eine Ehre und eine Belohnung für meine harte Arbeit. Logisch möchte ich auch persönlich Erfolg haben, aber ohne meine Teamkollegen wäre das nicht möglich gewesen. Es geht um die Mannschaft. Darum bleibt das grosse Ziel, den Meistertitel nach Lugano zu holen.

Wie steht es jetzt mit Ihrem NHL-Traum? Sie hätten bis Mitte Juni aus Ihrem Vertrag in Lugano aussteigen können.
Nach der WM haben wir Gespräche mit Teams geführt. Aber meine Rechte lagen bis im Juli bei Columbus. Und davor etwas zu unterschreiben, da lassen die Klubs die Finger davon. Es gab Offerten. Die entsprachen aber nicht dem, was ich mir für mich vorgestellt hatte, um in Lugano alles stehen und liegenzulassen, was ich hier erarbeitet habe. Oder die mir die Chance boten, ein Stammspieler in der NHL zu sein. Ich muss nicht um jeden Preis in die NHL zurück, ich durfte es bereits einmal erleben. Schauen wir im nächsten Sommer, die NHL-Türe ist nicht für immer geschlossen. Zunächst möchte ich lieber hier meine letzte Saison bestätigen. Diese Verletzung macht mir natürlich einen Strich durch die Rechnung.

Sie haben sich bis 2029 dem HC Lugano verpflichtet. Ihre Beweggründe dafür?
Lugano war der einzige Klub, der mir nach meinem Schienbeinbruch vor drei Jahren eine Chance gab. Für dieses Vertrauen möchte ich der Organisation etwas zurückgeben. Sie half mir, mein Selbstvertrauen wiederzufinden. Es fühlte sich richtig an. Ein langer Vertrag bringt auch eine gewisse Ruhe und man kann sich aufs Hockey fokussieren.

Ist Ihr privates Glück derzeit gerade eine willkommene Abwechslung? Sie sind im Sommer mit Ihrer Freundin Jenny in die erste gemeinsame Wohnung gezogen.
Ja, es hilft. (Lacht.) Was auf dem Eis passiert, lasse ich aber ohnehin in der Garderobe und nehme es nicht mit nach Hause. Momentan kann ich noch nicht so gut laufen, deshalb hilft mir Jenny, wo sie kann, auch bei Physio-Übungen. Das schätze ich enorm.

Sie ist die Schwägerin von EVZ-Stürmer Grégory Hofmann. Tauschen Sie sich mit ihm übers Hockey aus?
Auch, wir sehen uns ab und zu bei Essen mit unseren Frauen. Wir kennen uns aus unserer gemeinsamen Zeit in Zug, jetzt hat sich unsere Freundschaft noch vertieft.

Und über Verletzungspech? Vor drei Jahren hatten Sie in Zug den Trainingsunfall mit dem Schienbeinbruch – er die letzten zwei Jahre drei Fussverletzungen.
Wir mussten fast schon darüber schmunzeln. Wie gesagt, es gehört zum Hockey, wir spielen nicht mit Samthandschuhen. Es ist ein körperbetonter Sport mit hohem Tempo.

National League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
ZSC Lions
ZSC Lions
9
9
20
2
HC Lugano
HC Lugano
8
6
16
3
SC Rapperswil-Jona Lakers
SC Rapperswil-Jona Lakers
9
5
16
4
Lausanne HC
Lausanne HC
9
3
15
5
SC Bern
SC Bern
9
7
15
6
SCL Tigers
SCL Tigers
9
6
14
7
EHC Kloten
EHC Kloten
9
-1
14
8
HC Ambri-Piotta
HC Ambri-Piotta
8
-1
13
9
Genève-Servette HC
Genève-Servette HC
7
4
12
10
EV Zug
EV Zug
8
0
12
11
HC Davos
HC Davos
9
-3
12
12
EHC Biel
EHC Biel
9
-6
10
13
HC Fribourg-Gottéron
HC Fribourg-Gottéron
9
-9
8
14
HC Ajoie
HC Ajoie
8
-20
3
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