Spengler-Cup-Legende «Putz» Gfeller schaut zurück
Als sie in der Pause noch Zigarren rauchten

Der Spengler Cup wurde vor 100 Jahren ins Leben gerufen. Alfred «Putz» Gfeller (81) ist Teil der Geschichte dieses Turniers, das mittlerweile viel mehr ist als ein Sportanlass.
Publiziert: 26.12.2023 um 12:01 Uhr
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Aktualisiert: 26.12.2023 um 12:03 Uhr
Andreas Schmid (Text) und Kurt Reichenbach (Fotos)

Alfred «Putz» Gfeller (81) beugt sich über seine Erinnerungen auf dem grossen Tisch im Wohnzimmer. Der Davoser hat Fotos, Zeitungsausschnitte, Bücher, Listen und Notizen ausgebreitet, um die 36 Jahre zu dokumentieren, während denen er in verschiedenen Funktionen am Spengler Cup mitgewirkt hat.

Dieser feiert vom 26. bis 31. Dezember 100 Jahre seit der Gründung. Gfeller hat also über ein Drittel der Turniergeschichte mitgeschrieben – und während dieser Zeit unglaublich viel erlebt. «Früher waren die Garderoben winzig», bringt er gleich ein Müsterchen aus seinem reichen Schatz an Anekdoten, «ich habe noch Bilder im Kopf, wie die Spieler des HC Milano Inter mit über die Schultern gehängten Schlittschuhen die Promenade zum Eisstadion entlangliefen. Sie hatten sich lieber in ihrem Hotel umgezogen.»

Besen statt Zamboni

Der Spengler Cup findet in den Fünfzigerjahren auf einer Natureisbahn statt. «Alles war eine Nummer kleiner.» Reinigungsmaschinen gibt es noch keine, stattdessen wischen freiwillige Helfer mit Besen die Eisfläche sauber. Gfeller spielt als Zwölfjähriger bereits bei den Erwachsenen mit, in der dritten Mannschaft von Davos. «Juniorenteams wurden erst viel später eingeführt.» Auch am Skifahren hat er Freude, doch der Sport ist seinen Eltern zu teuer. Für sie ist er der «Putz» – Gfeller vermutet, weil er «so schmächtig und damit so putzig» aussah. Also geht er zum Eishockey, zum HC Davos.

Spengler-Cup-Präsidenten unter sich: Marc Gianola und Alfred «Putz» Gfeller.
Foto: Kurt Reichenbach
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Beginn als Teeausläufer und Kabinenreiniger

Am Spengler Cup wird der Teenager als Teeausläufer und Kabinenreiniger eingeteilt und erlebt die Mannschaften aus nächster Nähe. Zum Beispiel den ACBB Paris. «Dabei sah ich, wie der kanadische Verteidiger Stewart Cruikshank in der Pause eines Spiels eine riesige Zigarre rauchte», erzählt Gfeller, «nachher ging er wieder raus und trug seinen Teil dazu bei, dass die Pariser zu Seriensiegern wurden.» Oder die Episode mit Jiri Kren: Der Tschechoslowake hat keine Lust mehr, hinter den eisernen Vorhang zurückzukehren und setzt sich nach dem Finalspiel von seiner Mannschaft Sparta Prag ab. Tagelang versteckt er sich beim Davoser Landammann Christian Jost, bis er schliesslich nach Deutschland weiter flüchtet.

Doppelpack gegen Krefeld

Gfeller ist von Anfang an schwer beeindruckt von diesen Stars und wünscht sich nichts sehnlicher, als auch einmal beim Heimturnier aufzulaufen. 1963 ist es soweit, er kommt erstmals zum Einsatz. In den nächsten Jahren ist er eine feste Grösse im Davoser Team. «Und gegen Preussen Krefeld sind mir sogar zwei Tore in einem Spiel geglückt. Es war das einzige Doppelpack meiner Karriere.» Gfeller ist ein treuer Mensch, was sich in Vielem zeigt. Mit seiner Frau Paulette (72) ist er seit 38 Jahren zusammen: «Wir haben uns im Hallenbad kennengelernt – ich wollte in die Sauna gehen, sie arbeitete an der Kasse.»

Bei der Schweizerischen Bankgesellschaft arbeitete er 24 Jahre lang. Und so versteht es sich von selbst, dass er auch dem Spengler Cup die Stange hält, als er 1973 seine Spielerkarriere beendet – zuerst als Sekretär, dann als technischer Koordinator und schliesslich acht Jahre lang als OK-Präsident des renommierten Turniers. Auch über diese lange Zeit hinter den Kulissen hat er viel zu erzählen. Die Mannschaften spielen in der Anfangszeit seines Wirkens im Eisstadion, das allerdings noch über kein Dach verfügt. «Das konnte zum Problem werden», erzählt Gfeller, «wie sich im Dezember 1974 zeigen sollte.»

Als der Schnee noch Spiele entschied

Die Schweiz ist in ihrem Spiel Polen hoffnungslos unterlegen: Nach 30 Minuten steht es bereits 1:5. Doch der Schneefall ist so stark, dass die Eismaschinen nichts ausrichten können: Nach fünf weiteren Minuten wird die Partie abgebrochen. Die polnischen Spieler sind empört und haben keine Lust mehr auf ein Wiederholungsspiel. «Alle Überredungskünste halfen nichts», erinnert Gfeller sich, «nicht mal mit einem finanziellen Zustupf liessen sie sich überzeugen, nochmals anzutreten.» Umso besser, dass 1979 das neue Eisstadion mit der imposanten Dachkonstruktion aus Holz gebaut wurde. «Ein Quantensprung – auch für den Spengler Cup», sagt er und schlägt vor, «in der Halle kurz vorbeizuschauen».

Diese ist kürzlich zu einem wahren Schmuckstück umgebaut worden. Marc Gianola (50) begrüsst ihn beim Eingang aufs Herzlichste: «Schön, dich zu sehen, Putz!» Gianola spielte 17 Jahre lang für den HC Davos, seit acht Jahren ist er OK-Präsident und damit einer von Gfellers Nachfolgern. Diesem muss er nicht erzählen, wie die Wochen vor dem Turnierstart aussehen. Er tut es trotzdem: «Eine intensive Zeit mit wenig Schlaf, aber umso mehr Meetings und Gesprächen.» Denn der Spengler Cup ist heute eine Riesenkiste: Mit einem Budget von elf Millionen steht das Turnier auf Platz 3 der jährlich wiederkehrenden Sportveranstaltungen, hinter den Swiss Indoors in Basel (17 Millionen Franken) und den Omega European Masters (12 Millionen Franken), dem Golfturnier in Crans-Montana. «Putz ist eine Legende», sagt Gianola und zeigt auf ein Schild in der Ehrengalerie des Stadions, auf dem die Meriten von Gfeller aufgeführt sind: «Verantwortlich für die Modernisierung des traditionellen Turniers.»

High Noon und «Gold for the best»

Tatsächlich ist er für ein paar Meilensteile in der Geschichte des Spengler Cups verantwortlich. «Zwischen 1981 und 1989 waren meine kreativen Jahre», sagt er selber. Gfeller setzt sich gegen den Widerstand der anderen OK-Mitglieder durch und setzt neu unter dem Slogan «High Noon» ein Finalspiel an, «weil das Turnier zuvor nach sechs von zehn Partien bereits entschieden war». Er führt die Auszeichnung des besten Spielers nach einer Partie ein, dieser erhält einen Goldbarren à 10 Gramm. «Wir waren die Ersten, die das in der Schweiz einführten. Heute macht das jeder Klub, bis hinab zur 3. Liga.»

Team Kanada als Gegengewicht zu den Osteuropäern

Alfred Gfeller kommt damals auch auf die Idee, den osteuropäischen Mannschaften, die das Turnier seit Jahren dominieren, eine neue Kraft entgegenzustellen: Team Canada. Drei Jahre lang startet er Anfrage um Anfrage und reist dem Team bei dessen Gastauftritten in ganz Europa hinterher. 1984, nach Verhandlungen an den Olympischen Spielen in Sarajewo, ist es soweit: Alfred Gfeller erhält die Zusage, dafür steigen auch die Ausgaben. «Die Kanadier blieben meist über Silvester und liessen es krachen», erinnert er sich. Heute ist Team Canada mit 16 Titeln alleiniger Spengler-Cup-Rekordhalter.

Ende der Achtzigerjahre beendet «Putz» sein Engagement, weil einiges zusammenkommt: Die Schweizerische Bankgesellschaft zentralisiert einige Abteilungen, sodass er sich eine neue Stelle suchen muss, zudem gibt es eine «Dorfintrige», wie er es nennt. «Man warf uns vor, dass wir punkto Marketing zu wenig aus dem Turnier herausholen.» Die Gfellers ziehen nach Grosshöchstetten BE, wo er anschliessend 17 Jahre lang die Niederlassung der Berner Kantonalbank leitet. Kaum pensioniert, kehrt er mit seiner Frau ins geliebte Davos zurück.

Heute ist die Intrige längst abgehakt, was sich auch darin zeigt, dass er als Ehrenmitglied des HCD regelmässig dessen Spiele besucht und Mitglied des Gönnervereins Club ’89 ist. Auch am Spengler Cup wird Alfred «Putz» Gfeller auf der Tribüne sitzen. «Ich bin noch heute stolz darauf, dass ich meinen Teil dazu beigetragen habe, was aus diesem Turnier geworden ist.» Nämlich eine einzige Erfolgsgeschichte.

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