Leverkusen-Legende Jens Nowotny
«Auf den Spitznamen Vizekusen bin ich stolz»

Droht Leverkusen die gleiche Blockade wie zur Jahrtausendwende, als die Werkself mehrere Titel verspielte? Die Konfrontation mit Ex-Captain Jens Nowotny (50), der das Stigma mit positiven Gefühlen sterilisiert und Leverkusen diese Saison erstmals als Meister sieht.
Publiziert: 09.02.2024 um 18:43 Uhr
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Aktualisiert: 09.02.2024 um 20:39 Uhr
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Sebastian RiederSportreporter

Blick: Ist der Begriff «Vizekusen» ein Reizwort für Sie?
Jens Nowotny:
Überhaupt nicht – ich bin sogar stolz darauf. Was wir zu dieser Zeit geschafft haben, löst bei mir positive Gefühle aus. Natürlich wären wir gerne Meister geworden, aber heutzutage sehe ich das grosse Bild. Wenn man die ganze Geschichte der Bundesliga anschaut, gibt es nicht viele Mannschaften, denen es gelungen ist, solange vorne mitzuspielen und so oft Zweiter zu werden.

Für Sie ist das Glas also halbvoll und nicht halbleer.
Auf jeden Fall. Immer, wenn jemand meint, einen spöttischen Spruch machen zu müssen, dann entgegne ich, dass ich lieber viermal Vizemeister bin, anstatt einen Abstieg im Palmarès zu haben. Wir haben damals konstant stark gespielt und waren in der Champions League vertreten.

Das ist aller Ehren wert. Trotzdem die Frage: Was hat in dieser Zeit gefehlt, um Meister zu werden?
Eine gewisse Kaltschnäuzigkeit und Frechheit hat gefehlt. Wir hätten während der Saison als Tabellenführer mit einer forscheren Attitüde nach aussen auftreten sollen. Mit einer Arroganz, die das klare Signal von Norden nach Süden sendet – so quasi von oben herab –, um dann unten bei der Konkurrenz eine Nackensteife auszulösen.

Lebende Legende: Jens Nowotny bestritt von 1996 bis 2006 für Bayer Leverkusen 233 Spiele.
Foto: Imago
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Sie meinen eine positive Arroganz – im Sinne von mehr Selbstbewusstsein?
Genau. Immer wieder mal eine grosse Klappe haben und ein paar freche Sprüche platzieren. Geschadet hätte uns das sicher nicht – dafür waren wir viel zu gut drauf. Und am Ende spielt es eh keine Rolle mehr, was du gesagt hast. Das interessiert dann niemanden mehr. Wenn du am Ende trotzdem verlierst, hast du verloren.

Die Sticheleien kamen meist nur von Bayern München – auch diese Saison. Was spricht trotzdem für Leverkusen diese Saison?
Leverkusen hat diese qualitative Stärke, um den Bayern bis zum Schluss die Stirn zu bieten. Das haben die letzten Spiele mit einigen Last-Minute-Toren gezeigt – wie zuletzt im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen Stuttgart. Das Glück ist diese Saison definitiv auf der Seite von Leverkusen. Sie geniessen das Vertrauen eines Tabellenführers.

Und die Nackenstarre der Bayern.
Auf jeden Fall sind die Bayern nicht mehr so gefestigt, wie sie das in der Vergangenheit waren. Diese Saison ist es so, dass bei einem Unentschieden von Leverkusen auch die Bayern plötzlich Punkte liegenlassen. Sie haben viele hausgemachte Probleme – mehr als sonst.

Trotzdem kommt der Rekordmeister aus München. Wie sehen Sie das Direktduell?
Leverkusen ist der Favorit. Und sollten sie gewinnen, wird diese Partie wegweisend sein. Denn ein Sieg in einem solchen Spiel wird Leverkusen noch mal einen Schub geben – sie werden dann uneinholbar. Sollten aber die Bayern wider Erwarten gewinnen, ist es für mich nur ein Spiel von vielen. Die Bayern werden auch nachher nicht vorne wegmarschieren, sondern immer wieder stolpern.

Sie haben gelernt, zu sticheln.
Ja, aber ich bin noch nicht fertig (lacht). Der Trainer-Stuhl von Thomas Tuchel wackelt ja auch schon. Gut möglich, dass Xabi Alonso nächste Saison mit der Meisterschale nach München kommt und dort Trainer wird. Vielleicht wird er aber auch Nachfolger von Jürgen Klopp in Liverpool.

Welches Zeugnis geben Sie Alonso in Leverkusen?
Grosse Klasse. Seine Handschrift ist deutlich zu sehen. Es macht im Moment, einfach grossen Spass dem Team zuzuschauen. Da wird man nicht nur als ehemaliger Leverkusener wieder zu einem Fan – viele Menschen in Deutschland sind begeistert. Und es ist schon erstaunlich, wie Alonso im Sommer mit ein paar neuen Puzzleteilen ein komplettes Bild kreiert hat.

Welche Figuren stechen für Sie heraus?
Mich überzeugt vor allem die Defensive, die kaum ein Gegentor zulässt. Als ehemaliger Abwehrspieler sehe ich diese Verteidigung als ein Kunstwerk. Und da gehört auch Granit Xhaka dazu.

Er ist eines dieser Puzzleteile.
Seine Präsenz auf dem Platz ist beeindruckend. Dieses Selbstbewusstsein, dieses aufrechte Selbstvertrauen, das reisst die Mannschaft mit. Xhaka führt das Team durch sein Spiel. Er ist mit seinen einfachen Pässen nicht der spektakulärste Spieler, aber er haut auch mal dazwischen. Und wenn es darauf ankommt, dann kommt der entscheidende Pass in die Schnittstelle und dann geht die Post ab.

Eine besondere Spielintelligenz.
Ja, er hat dieses ganz spezielle Gefühl für das Spiel und weiss oft, was die Mannschaft wann braucht. Dieses Selbstverständnis überträgt er auch auf die Fans im Stadion.

Im Dialog mit Alonso wirkt Xhaka wie ein Adjutant.
Da herrscht eine unheimliche Harmonie. Aber ich glaube auch, dass Alonso sehr wohl weiss, was er an Xhaka hat. Der Trainer gibt seinem Chef die Freiheiten, die er braucht, um sich zu entfalten und weiterzuentwickeln.

Jens Nowotny – Mister Vizekusen

Jens Nowotny führte Bayer Leverkusen von 1996 bis 2006 als Abwehrchef und Captain viermal zum Vizemeister. Besonders prägend war das Jahr 2000 als Leverkusen als Tabellenführer am letzten Spieltag gegen Unterhaching verlor und so Bayern München zum Meister machte. Der Begriff Vizekuse war geboren – mit einer unfassbaren Fortsetzung. 2002 verspielte Nowotny mit Leverkusen erneut die Meisterschaft – diesmal am vorletzten Spieltag. Während die Schale in Dortmund landete, verlor Leverkusen auch den DFB-Pokalfinal gegen Schalke und unterlag später auch noch Real Madrid im Endspiel der Champions League. Für Deutschland absolvierte Nowotny 48 Länderspiele. Höhepunkt war die Heim-WM 2006 mit der Halbfinal-Niederlage gegen Italien. Nach seinem Rücktritt stieg der gebürtige Karlsruher als Nachwuchscoach beim DFB ein. Im vergangenen Herbst wurde er als U17-Co-Trainer Weltmeister – der erste grosse Titel seiner Karriere.

Jens Nowotny führte Bayer Leverkusen von 1996 bis 2006 als Abwehrchef und Captain viermal zum Vizemeister. Besonders prägend war das Jahr 2000 als Leverkusen als Tabellenführer am letzten Spieltag gegen Unterhaching verlor und so Bayern München zum Meister machte. Der Begriff Vizekuse war geboren – mit einer unfassbaren Fortsetzung. 2002 verspielte Nowotny mit Leverkusen erneut die Meisterschaft – diesmal am vorletzten Spieltag. Während die Schale in Dortmund landete, verlor Leverkusen auch den DFB-Pokalfinal gegen Schalke und unterlag später auch noch Real Madrid im Endspiel der Champions League. Für Deutschland absolvierte Nowotny 48 Länderspiele. Höhepunkt war die Heim-WM 2006 mit der Halbfinal-Niederlage gegen Italien. Nach seinem Rücktritt stieg der gebürtige Karlsruher als Nachwuchscoach beim DFB ein. Im vergangenen Herbst wurde er als U17-Co-Trainer Weltmeister – der erste grosse Titel seiner Karriere.

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