«Die haben Abstiegskampf nicht in ihrer DNA»
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Marcel Reif über Schalke:«Die haben Abstiegskampf nicht in ihrer DNA»

Marcel Reif über Gross-Chancen auf Schalke
«Das ist eine Operation am offenen Herzen»

Um sich vor dem Tischdecken und sonstigen Weihnachtsvorbereitungen zu drücken, spricht Fussball-Experte Marcel Reif (71) auch gerne ausführlich über das sportliche Elend von Schalke 04. Für den Star-Kommentator ist klar, Christian Gross hat eigentlich keine Chance.
Publiziert: 25.12.2020 um 18:01 Uhr
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Aktualisiert: 27.12.2020 um 14:11 Uhr
Eynat Bollag

BLICK: Herr Reif, sprechen wir über Schalke …
Marcel Reif: Bei Schalke weiss ich gar nichts mehr. Da ist nichts sicher, ausser das Chaos.

Und kommende Woche schliesst sich der vierte Trainer in vier Monaten dem Chaos an ...
Ich habe in mehreren Gesprächen gesagt: Den bringst du mir mal, den Wahnsinnigen, mit einer solchen «Todessehnsucht», der sich das antut …

Der Wahnsinnige heisst Christian Gross. Ist er der Richtige?
Das weiss ich nicht. Ich weiss nur, dass er offensichtlich sehr viel Kraft getankt haben muss in seiner Auszeit. Und Schalke braucht einen, der nichts zu verlieren und zu beweisen hat. Und einen der, wenn es halt nicht geht, seine Koffer packt und sagt: Kinder, ich habs probiert, aber ich wünsche euch weiterhin alles Gute.

Laut Marcel Reif ist die Aufgabe von Christian Gross bei Schalke «eine Operation am offenen Herzen».
Foto: imago images/APress
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Wie würden Sie das Schalker Drama erklären?
Naja… Niederlage auf Niederlage auf Niederlage. Das ist ausschliesslich ein mentales Problem. Die können alle Fussballspielen, zum Teil sogar gut. Nur können sie es nicht, wenn von ihnen nicht guter Fussball verlangt wird, sondern Spiele gegen Bielefeld. Bielefeld ist quasi wie das Vaduz in der Schweiz. Und dann gewinnen die auf Schalke. Das ist doch nicht normal. Und das ist nicht, weil der einzelne Schalker schlechter ist, als der einzelne Bielefelder. Sondern, die Schalker sollen eine Art Sport veranstalten, den sie gar nicht können.

Wie meinen Sie das?
Da sind Spieler dabei, die können keinen Abstiegskampf, das haben die nicht in der DNA. Wenn dieser Kader aktuell auf Platz acht wäre, dann würde ich sagen, die müssten sich nun langsam ein bisschen nach oben orientieren. Jetzt sind sie aber auf Platz 18 und da sage ich, die können das nicht. Die stehen auf dem Platz und sagen sich: Was ist das für eine Sportart? Warum kann ich das nicht? Ich konnte das doch mal …

Wo sehen Sie den Ursprung dieser Misere?
Da sind pyramidenhaft über viele Jahre Probleme aufgehäuft worden. Da kam immer wieder ein neuer Trainer oder ein neuer Sportdirektor und jeder hat sich mit dem Kader ein bisschen ausgetobt und notorisch über Schalkes Verhältnisse gelebt. Dies, weil sie auch über Jahre alles auf die Champions League gesetzt und nicht damit gerechnet haben, dass das nicht ewig so weitergehen kann. Da wurden Millionen für Spieler ausgegeben, die für die Königsklasse jedoch nicht gut genug waren. Und damit kriegst du eine Schieflage. Und heute hast du ein Orchester, das Rock 'n' Roll spielen sollte, dabei ist es nicht einmal eine Feuerwehrkapelle.

Dann ist also die Führung der Sündenbock?
Auch, aber ich will die Spieler nicht ganz aus ihrer Verantwortung lassen. Es gibt dort auch Spieler, die sind «Drecksäcke». Die viel Geld verdienen und auch das Zeug dazu gehabt hätten, mal den Mund aufzumachen und zu sagen: «Leute, wir sollten etwas tun, sonst gehen wir den Bach runter.»

Da kommt ein Gross, der bekannt dafür ist, den Tarif durchzugeben, also gerade gelegen?
Sein Vorgänger Manuel Baum ist ein Kommunikator, ein guter Taktiker und ein ruhiger, freundlicher Mensch. Und das ist krachend schief gegangen. Die Mannschaft hat ihm nichts mehr geglaubt. Deshalb glaube, ja. Ich habe drei Söhne gross gezogen und irgendwann muss man sagen: «Passt auf Jungs, bis hierhin und nicht weiter.»

Was geben Sie Christian Gross für Chancen?
Null Chancen und die muss er nutzen. Das ist eine Operation am offenen Herzen. Das, was die Mannschaft bis zuletzt gespielt hat, hat mit der Sportart, die ich kenne und liebe, nichts zu tun. Deshalb muss er die Spieler dazu bringen, dass sie ihm was glauben, und zwar sofort. Und die, bei denen er den Eindruck hat, dass sie es nicht tun, die müssen weg. Und wenn er mit einer Jugendmannschaft spielt. Schlechter gehts nicht mehr.

Wie muss das ganze wohl für die Schalker Fans sein?
Wenn man die Atmosphäre in der Veltins-Arena mal erlebt hat, weiss man, wie verrückt, im positiven Sinne, die Schalke-Fans sind. Sie tragen ihre Mannschaft und sie schreien sie in irgendein Nirvana rein. Wenn es aber mal nicht gut geht, sitzen da 60’000 Geier. Darum kommt es den Spielern vielleicht gerade recht, dass im Moment keine Zuschauer zugelassen sind. Wenn sie dieses Elend vor dieser «Sekte» veranstaltet hätten, das wäre furchtbar gewesen.

Sollte Gross das Wunder vollbringen, wird er bleiben?
Wenn die wirklich auf die Idee kommen sollten, dann trotzdem nochmals einen neuen Trainer zu holen, dann versprechen Sie mir, dass wir nie wieder über Schalke sprechen (lacht).

Bundesliga
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Bayern München
Bayern München
3
8
9
2
Borussia Dortmund
Borussia Dortmund
3
4
7
3
RB Leipzig
RB Leipzig
3
2
7
4
1. FC Heidenheim 1846
1. FC Heidenheim 1846
3
4
6
5
Bayer Leverkusen
Bayer Leverkusen
3
3
6
6
Eintracht Frankfurt
Eintracht Frankfurt
3
1
6
6
SC Freiburg
SC Freiburg
3
1
6
8
Werder Bremen
Werder Bremen
3
1
5
9
Union Berlin
Union Berlin
3
1
5
10
VfB Stuttgart
VfB Stuttgart
3
0
4
11
FC Augsburg
FC Augsburg
3
-2
4
12
VfL Wolfsburg
VfL Wolfsburg
3
0
3
13
Borussia Mönchengladbach
Borussia Mönchengladbach
3
-1
3
14
TSG Hoffenheim
TSG Hoffenheim
3
-4
3
15
FSV Mainz
FSV Mainz
3
-1
2
16
VfL Bochum
VfL Bochum
3
-4
0
17
FC St. Pauli
FC St. Pauli
3
-5
0
18
Holstein Kiel
Holstein Kiel
3
-8
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