FCZ-Stars Aliti und Kryeziu
Kosovo-Schweizer sind heiss auf das Bruderduell gegen Nati

Sie sind in der Schweiz geboren, aber spielen mit dem Kosovo gegen die Nati: Die FCZ-Überflieger Fidan Aliti und Mirlind Kryeziu über ihr Leben in zwei Welten.
Publiziert: 28.03.2022 um 11:42 Uhr
Matthias Dubach (Text) und Sven Thomann (Fotos)

Es ist für dieses FCZ-Duo ein Highlight der besonderen Art, dass es in der sowieso schon traumhaften Saison noch dazu kommt! Die Zürcher Abwehrspieler Mirlind Kryeziu (25) und Fidan Aliti (28) treten am Dienstag mit dem Kosovo gegen die Schweiz an. Im ausverkauften Letzigrund für die Heimat der Eltern gegen das Land, wo sie geboren und aufgewachsen sind.

Kryeziu sagt: «Als ich mich nach sechs Jahren in den Schweizer U-Nationalteams für den Kosovo entschieden hatte, wusste ich: Irgendwann kommt dieses Spiel gegen die Schweiz. Ich freue mich riesig, es wird eine tolle Stimmung sein im Letzi.»

Aliti stimmt zu und ergänzt: «Es ist auch sportlich eine tolle Herausforderung, da die Schweiz viel Qualität hat. Dass es ein spezielles Spiel ist, merke ich an den vielen Nachrichten, die ich bekomme…» Kryeziu wirft lachend ein: «Ich hätte alleine einen Sektor füllen können, so viele Ticketanfragen habe ich erhalten.»

Für einmal im Letzigrund beim Gästeteam: Die FCZ-Verteidiger Mirlind Kryeziu (l.) und Fidan Aliti mit den Nati-Trikots vom Kosovo.
Foto: Sven Thomann
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Die Partie elektrisiert die kosovarische Gemeinde. Sie gilt als Bruderduell. Mit den beiden FCZ-Verteidigern, Betim Fazliji (St. Gallen), Toni Domgjoni (ex FCZ), Florent Hadergjonaj (ex YB) und Arijanet Muric (ex GC) steht im Kosovo-Kader eine ganze Reihe von Spielern, die in der Schweiz aufgewachsen sind.

Die Armut im Kosovo ist bis heute gross

Die Geschichte dahinter beginnt in den 90er-Jahren. Auch die Eltern von Aliti und Kryeziu flüchten damals mittellos und ohne Sprachkenntnisse in die Schweiz. «Ich habe allergrössten Respekt, was sie sich damals aufgebaut haben», sagt Aliti, der erzählt, dass sein Vater mit zwei Brüdern aus wirtschaftlicher Not die Heimat verliess.

So viel Kosovo steckt im Schweizer Fussball

Als Milaim Rama (46) vor 19 Jahren als erster Kosovo-Albaner Schweizer Nationalspieler wird, ist der Thuner ein Exot. Tempi passati. Im aktuellen Aufgebot stehen mit Captain Granit Xhaka (29) und Xherdan Shaqiri (30) zwei prägende Figuren des letzten Nati-Jahrzehnts. Dazu kommt Youngster Andi Zeqiri (22).

Aber auch Namen wie Valon Behrami, Almen Abdi, Shani Tarashaj und Albian Ajeti sind den Nati-Fans geläufig. Natürlich auch Blerim Dzemaili, Pajtim Kasami und Admir Mehmedi – doch sie haben ihre Wurzeln in Nordmazedonien, nicht im Kosovo.

Einmaliges schafft Albert Bunjaku (38): Der frühere Bundesliga-Stürmer spielte für beide Länder. Der in der deutschen Regionalliga noch immer aktive Zürcher kam auf sechs Länderspiele für die Schweiz (inkl. WM-Kader 2010) und verewigte sich dann 2016 gegen die Färöer als Premieren-Torschütze für den Kosovo im ersten Länderspiel nach der Fifa-Anerkennung.

In den Jahren zuvor durften nur Freundschaftsspiele ausgetragen werden. Der Star und Captain dieser vor-offiziellen Ära ist der langjährige Wil- und St.-Gallen-Spieler Kristian Nushi (39).

Nushi, Bunjaku oder auch Rama waren Wegbereiter. Nun gibts mittlerweile in 17 der 20 Klubs der Super und Challenge League Spieler mit Wurzeln im Kosovo – 61 Profis in der Schweiz haben gemäss SonntagsBlick-Recherche einen kosovarischen Background!

Die höchste Dichte haben Aarau, Winterthur und Stade Lausanne-Ouchy mit jeweils sieben kosovarisch-stämmigen Spielern, gefolgt von Schaffhausen mit sechs. Nur in den Kadern von YB, Lausanne und Yverdon fehlt Kosovarisches ganz.

Klar, dass der Kosovo auch im Breitensport nicht wegzudenken ist. Beim SFV sind Spieler aus 179 Nationen (Profis und Amateure) lizenziert. Der kleine Balkan-Staat stellt unter den gesamthaft 281´417 Lizenzierten die drittgrösste Ausländergruppe. 6930 Männer, Frauen und Kinder mit einem Kosovo-Pass kicken aktuell in der Schweiz. Nur Portugal (16´199) und Italien (15´278) haben mehr Lizenzierte.

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Historisches Tor: Am 3. Juni 2016 erzielt mit Albert Bunjaku (l.) ein vormaliger Schweizer Nationalspieler das erste Tor im ersten offiziellen Länderspiel der Kosovo-Nati.
imago

Als Milaim Rama (46) vor 19 Jahren als erster Kosovo-Albaner Schweizer Nationalspieler wird, ist der Thuner ein Exot. Tempi passati. Im aktuellen Aufgebot stehen mit Captain Granit Xhaka (29) und Xherdan Shaqiri (30) zwei prägende Figuren des letzten Nati-Jahrzehnts. Dazu kommt Youngster Andi Zeqiri (22).

Aber auch Namen wie Valon Behrami, Almen Abdi, Shani Tarashaj und Albian Ajeti sind den Nati-Fans geläufig. Natürlich auch Blerim Dzemaili, Pajtim Kasami und Admir Mehmedi – doch sie haben ihre Wurzeln in Nordmazedonien, nicht im Kosovo.

Einmaliges schafft Albert Bunjaku (38): Der frühere Bundesliga-Stürmer spielte für beide Länder. Der in der deutschen Regionalliga noch immer aktive Zürcher kam auf sechs Länderspiele für die Schweiz (inkl. WM-Kader 2010) und verewigte sich dann 2016 gegen die Färöer als Premieren-Torschütze für den Kosovo im ersten Länderspiel nach der Fifa-Anerkennung.

In den Jahren zuvor durften nur Freundschaftsspiele ausgetragen werden. Der Star und Captain dieser vor-offiziellen Ära ist der langjährige Wil- und St.-Gallen-Spieler Kristian Nushi (39).

Nushi, Bunjaku oder auch Rama waren Wegbereiter. Nun gibts mittlerweile in 17 der 20 Klubs der Super und Challenge League Spieler mit Wurzeln im Kosovo – 61 Profis in der Schweiz haben gemäss SonntagsBlick-Recherche einen kosovarischen Background!

Die höchste Dichte haben Aarau, Winterthur und Stade Lausanne-Ouchy mit jeweils sieben kosovarisch-stämmigen Spielern, gefolgt von Schaffhausen mit sechs. Nur in den Kadern von YB, Lausanne und Yverdon fehlt Kosovarisches ganz.

Klar, dass der Kosovo auch im Breitensport nicht wegzudenken ist. Beim SFV sind Spieler aus 179 Nationen (Profis und Amateure) lizenziert. Der kleine Balkan-Staat stellt unter den gesamthaft 281´417 Lizenzierten die drittgrösste Ausländergruppe. 6930 Männer, Frauen und Kinder mit einem Kosovo-Pass kicken aktuell in der Schweiz. Nur Portugal (16´199) und Italien (15´278) haben mehr Lizenzierte.

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Die Armut sei vor allem in den ländlichen Gebieten des jungen Balkan-Staats bis heute gross. «Als sie in die Schweiz kamen, durften sie bei einer älteren Frau leben. Kostenlos, im Gegenzug haben sie neben ihrer Arbeit auf dem Bau bei der Frau im Haushalt mitgeholfen.» Aliti betont, dass auch kommende Generationen nicht vergessen dürfen, dass die Schweiz damals den Migranten die Chance auf Arbeit und Integration gegeben hat.

Aber die Heimat der Eltern bleibt im Herzen. Nur schon wegen der jährlichen Ferien, die die beiden als Kinder prägen. Kryezius Vater stammt aus einem Dorf nahe Pristina. Die Alitis kommen hingegen aus einer von Kosovo-Albanern bevölkerten Gegend auf serbischem Boden. Kryeziu blüht bei den Erinnerungen richtiggehend auf. Die abenteuerliche Autofahrt, Stopps in Montenegro oder Albanien am Meer, das halbe Dorf, das bei der Ankunft zusammenläuft, die Nachbarn, die mit viel Essen die Ankömmlinge willkommen heissen.

Zu Hause wird fast immer albanisch gesprochen

Doch wie viel Kosovo steckt heute noch in den beiden Secondos? Kryeziu: «Es ist 50:50.» Der Hüne vergleicht sein Leben mit der FCZ-Kabine. «Wir haben ja im Team auch verschiedene Nationen vertreten, wie beispielsweise aus Serbien, Kroatien, Spanien, Deutschland, Estland oder Afrika … Von allen nimmst du was mit. Und daheim hast du eben auch einen Mix.»

Während Kryeziu mit den Eltern albanisch redet und mit den Schwestern eher mal deutsch, sagt Aliti: «Ich denke meistens deutsch. Aber zu Hause reden wir albanisch, meiner Mutter ist das wichtig. Falls ich mal Kinder habe, werde ich das auch so halten.» Seit seinem Transfer aus Schweden lebt Aliti wieder in der Nähe des Basler Elternhauses. Er schildert, dass er sich vor allem auf dem Platz als typisch kosovarisch sehe: «Viel Willen, viel Ehrgeiz, viele Emotionen.»

Im Kosovo hingegen, gerade auch in der Nati, «müsse man auch mal den Schweizer in dir hervorholen und ein Auge zudrücken», wie es der Basler ausdrückt. Er meint die emotionalen Diskussionen im Land um das Nationalteam. Als man via Nations League lange von der EM-Quali träumt, herrscht riesige Euphorie. Doch als es in der WM-Quali einige Niederlagen gibt – die Trainer Bernard Challandes den Job kosten – hagelt es Kritik. Die Assimilation in der Schweiz würde helfen, diese emotionale Achterbahn richtig einzuschätzen.

Familienbesuch im Team-Hotel

Apropos Challandes: Der Neuenburger sei jeweils lachend und kopfschüttelnd durch die Lobby des Team-Hotels gegangen. «In jeder Sofa-Ecke sitzen die Leute fast aufeinander», sagt Kryeziu. Der Grund: Jeder Spieler bekommt zahlreichen Familienbesuch, der Stolz ist enorm. Ein hermetisch abgeriegeltes Team-Hotel? Im Kosovo undenkbar!

Kryeziu: «Das läuft so: Jemand von der Familie ruft an und sagt, wir kommen vorbei. Und dann kommen 20 Leute, die aber alle zur engen Familie gehören.» Aliti schmunzelt und erklärt: «Sie denken sogar, es wäre unhöflich, nicht zu kommen.»

Die beiden FCZ-Stars sind sich einig: Der enge Zusammenhalt ist ein zentraler Punkt in kosovarischen Familien. Auch in der Schweiz. Aliti: «Wenn bei uns Besuch kommt, steht eine ganze Reihe Autos vor unserem Haus. Bei den Nachbarn sinds ein, zwei Autos.» Kryeziu ruft: «Das Problem ist das Kochen! Meine Mutter fragt sich vor jedem Besuch, wie viele Personen wohl kommen werden.»

Doch auch hier drückt die schweizerische Prägung manchmal durch: Man schaue bei Familienbesuchen, dass es nicht überborde mit der Personenanzahl. «Aber nur in der Schweiz. Im Kosovo würde sich das nie niemand überlegen», sagt Kryeziu lachend.

Mal schweizerisch, mal kosovarisch – bei den beiden FCZ-Secondos sind die Grenzen fliessend. Nur am Dienstag während den 90 Minuten im Letzigrund sind sie klar abgesteckt!

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