Grössenwahnsinn ohne Ende
Warum Italien und die Türkei die EM nicht austragen dürften

Die Pläne von Fifa und Uefa werden immer grösser und verrückter. Während Staaten wie Saudi-Arabien profitieren, scheint der Fan dabei in Vergessenheit zu geraten. Auch darum sollte die nächste EM genossen werden.
Publiziert: 12.10.2023 um 20:06 Uhr
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Aktualisiert: 13.10.2023 um 12:36 Uhr
Björn Lindroos

Am Dienstag hat die Uefa entschieden, wo die Europameisterschaften 2028 und 2032 stattfinden werden. Und die Auswahlen bestätigen einen Trend: Grosse Turniere, die nur noch in einem Land stattfinden, scheinen keine Zukunft mehr zu haben. 2028 wird der Europameister nämlich im Vereinigten Königreich und Irland ermittelt, vier Jahre später findet die EM in der Türkei und Italien statt.

Gerade die Länder-Kombination Türkei und Italien wirft Fragen auf. So richten zwei Staaten gemeinsam ein Kontinentalturnier aus, die über 1900 km Luftlinie voneinander entfernt liegen. Mit dem Flugzeug dauert eine Strecke etwa 2 Stunden und 30 Minuten. Bisher wurden Europameisterschaften, die in zwei Ländern stattfanden, stets von Nachbarländern ausgetragen. 2008 von der Schweiz und Österreich, 2012 waren es Polen und die Ukraine. 

Und tatsächlich war es in der Ausschreibung des Turniers 2032 auch eine Anforderung der Uefa, dass «die Bewerberländer nahe beieinanderliegen». Dies hat die Bewerbung der Türkei und Italien in den Augen des europäischen Verbandes erfüllt. Eine ziemlich interessante Definition von «nahe beieinander». 

Die Europameisterschaft 2032 findet in der Türkei und in Italien statt. Trotz einer Entfernung von über 1900 km Luftlinie.
Foto: imago/PA Images
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Sechs Länder auf drei Kontinenten

Noch kurioser wird es aber im Jahr 2030. Wie die Fifa vergangene Woche mitgeteilt hat, soll die Weltmeisterschaft dann in Spanien, Portugal und Marokko stattfinden. Doch damit nicht genug, die ersten drei Partien des Turniers finden nämlich in Argentinien, Uruguay und Paraguay statt. Dies wegen des 100-jährigen Jubiläums der Weltmeisterschaft, da die erste Ausgabe 1930 ebenfalls in Südamerika stattfand.

Logistisch scheint diese Auswahl keinen Sinn zu machen. Man stelle sich vor, die Schweizer Nati müsste für ihr erstes Spiel nach Südamerika fliegen, für die nächsten Gruppenspiele zurück nach Europa und für ein allfälliges K. O.-Spiel noch weiter nach Marokko. Ein Alptraum für Fans, Spieler, Verbände und Umweltschützer.

Südamerika kommt schlecht davon

Doch vor allem ist es für mich auch eine grosse verpasste Chance. Denn das 100-jährige Bestehen des Turniers dort ausgiebig zu feiern, wo alles begann, wäre meiner Meinung nach die einzig richtige Lösung gewesen. Ein Jubiläumsfest bei den so fussballverrückten Südamerikanern. Stattdessen jetzt die erste WM auf drei Kontinenten.

Doch bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass hinter der Vergabe wohl mehr steckt: Nämlich ein ausgeklügelter Plan der Fifa, um die WM 2034 nach Saudi-Arabien zu bringen. Die Weltmeisterschaften werden nach einem System vergeben, das vorsieht, dass jeder Kontinent einmal an der Reihe ist. Und wenn es nach den Regeln des Verbandes geht, dürfen sich wegen der WM 2026 in Nordamerika und der Ausgabe 2030 in Europa, Afrika und Südamerika nur noch Länder aus Asien oder Ozeanien für die Ausrichtung 2034 bewerben.

Saudi-WM so gut wie fix

Und siehe da: Nur kurz nach der Pressemitteilung zur Vergabe des Turniers 2030 kündigte Saudi-Arabien mit einem Hochglanz-Video an, sich als Gastgeber für die Weltmeisterschaft 2034 zu bewerben. Die Erfolgschancen des millionenschweren Wüstenstaats sind enorm hoch, einer Bewerbung von Australien werden nur Aussenseiter-Chancen zugesprochen. Zudem hat die Fifa jetzt auch noch ihre Stadionregeln gelockert, was dem millionenschweren Wüstenstaat zusätzlich in die Karten spielt. Der Weltverband um Präsident Gianni Infantino scheint aus seinen Plänen nicht mal mehr ein Geheimnis machen zu wollen.

Die Saudis machen derweil unaufhörlich mit ihrem Sportswashing weiter und holen nach etlichen Topstars wohl auch das wichtigste Turnier der Welt in die Wüste. Die kritischen Stimmen dürften dabei nicht leiser werden als bei der WM in Katar vom vergangenen Winter. Apropos: Beim Blick auf die saudischen Sommertemperaturen wäre auch hier eine Austragung in den Wintermonaten nicht wirklich überraschend.

EM 2024 sorgt für Vorfreude

Doch das sind alles Sorgen von morgen, der Blick in die nähere Zukunft lässt mein Fussballherz schon wieder höher schlagen: Mit der Europameisterschaft 2024 in Deutschland geht das nächste grosse Turnier nämlich so über die Bühne, wie ich es am liebsten habe: unkompliziert und in einem Land mit einer ausgeprägten Fussballkultur. Dazu noch in einem Nachbarland von uns!

Und wenn man den Erzählungen vom Sommermärchen 2006 vertraut, kann der Sommer 2024 nicht früh genug kommen! 

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