Spitzenrefs im Fussball kommen ohne Auffälligkeiten daher
Bärtig keine Karrierechance, Tattoos sind unseriös

Beim Barte des Propheten! Spitzenschiedsrichter im Fussball und Bart oder Tattoos – das ist eine haarige Sache. Nicht verboten, aber verpönt. Im Jahr 2024 …
Publiziert: 10.01.2024 um 18:08 Uhr
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Aktualisiert: 10.01.2024 um 19:09 Uhr
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Alain KunzReporter Fussball

Schaust du auch viele Fussballspiele? Dann versuch dich mal an einen Schiedsrichter zu erinnern, der einen Bart trug. Oder, noch schlimmer: Tattoos zur Schau stellte? Es kommt keiner in den Sinn? Jackpot! Es gibt praktisch keine! Eine vor einem Jahr veröffentlichte Studie in vier Topligen (Ligue 1, Serie A, Premier League und La Liga) ergab: Von 109 untersuchten Refs trug einer ein kleines Tattoo, das von der Armbanduhr verdeckt wurde, und einer ein kleines am Ärmelrand. That’s all!

Busacca: «Es gibt keine Fifa-Weisungen»

Alle sind brav rasiert. Und Arme, Beine und Hals sind bilderfrei. «In der Schiedsrichterei geht alles sehr uniform ab», bestätigt Ex-Spitzenref Urs Meier. «Aber es gibt keine Weisung, kein Reglement seitens der Fifa», stellt Massimo Busacca klar. Der Tessiner Ex-Top-Schiri ist Director Referee Division beim Weltfussballverband. Doch auch er stellt fest: «In meinen zwölf Jahren bei der Fifa habe ich in unseren Breitengraden kaum einen Schiedsrichter mit Bart oder Tattoos gekreuzt. In der Golfregion hingegen trägt die Mehrheit Bart.» Aber nicht an einer WM! Der Katarer Abdulrahman al-Jassim und Mohammed Abdulla Hassan Mohamed, der Mann aus den Emiraten, liefen in Katar brav säuberlich rasiert auf.

Die Engländer geben den Tipp, bartfrei zu pfeifen

Schon crazy. Da trägt über ein Drittel der Profi-Fussballer Tattoos. Und noch mehr zeigen wahlweise einen Lenin-, Ziegen- oder Salafistenbart. Aber die Refs? No-Go! So enthüllte die «Sun», dass ein hohes Tier des englischen Fussballverbands FA jungen Schiedsrichtern ziemlich ultimativ den Tipp gab, bartfrei zu pfeifen. Sonst habe man keine Chance, in die Elite aufzusteigen.

Der eine Arm von Mark Clattenburg, dem exzentrischen Ex-Topref.
Foto: zVg
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«Auffälligkeiten liefern Angriffspunkte», so Meier. «Extern, aber auch intern. Das kann einem schnell zum Nachteil gereichen, weil es in Verbänden Leute gibt, die der Zeit hinterherhinken. Auch ich habe erst begonnen, meine Haare ein bisschen länger zu tragen, nachdem ich mit der Schiedsrichterei aufgehört hatte.» Bei der EM 2000 hatte sich Meier eine kleine Neckerei erlaubt – und einen Kinnbart light getragen. «Nun, das war ja gegen Schluss meiner Karriere …»

Der tätowierte Clattenburg pfiff EM-Final langärmlig

Der bekannteste Fall von, sagen wir, Auffälligkeiten ist jener von Mark Clattenburg, dem englischen Ref, der vor sieben, acht Jahren als Nummer eins von Europa galt. Der Tattoo-Freund liess sich die olympischen Ringe als Erinnerung an den Olympia-Final stechen, den er 2012 leiten durfte. Und kurz vor der EM auch ein Tattoo mit dem Champions-League-Pokal als Erinnerung an das Endspiel, das er eben gepfiffen hatte.

Dem englischen Fussballverband, der Tattoos auf Schiri-Armen als «unseriös» bezeichnete, war das ein Dorn im Auge. Die FA nominierte Clattenburg nicht für die Euro. Doch da hatten sie die Rechnung ohne den damaligen Uefa-Schiri-Chef Pierluigi Collina gemacht. Weil ihm Clattenburgs Art zu arbitrieren ausserordentlich gut gefiel, nahm der Italiener den Briten dennoch auf die Liste. Collina, selber Träger zweiter Tattoos, bekam recht. Clattenburg deeskalierte, indem er das ganze Turnier mit langen Ärmeln pfiff. Trotz Hochsommers. Und das bis und mit Final! Clatts Belohnung: ein weiteres Tattoo, diesmal mit EM-Pokal …

Spitzenref-Chef Wermelinger ist tiefenentspannt

Und in der Schweiz? Spitzenref-Chef Dani Wermelinger ist total pragmatisch: «Lieber einer pfeift gut mit Tattoo oder Bart, als dass er schlecht ohne pfeift. Es entscheidet einzig die Leistung auf dem Platz.» Dass man auch mit Bart, langen Haaren oder Tattoos Spiele leiten könne, ist für Wermelinger selbstverständlich.

Offenbar nach wie vor nicht für alle.

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