Am Puls der Fussballstadt
Wo das Herz der Basler Fan-Seele schlägt – und leidet

Wie Eric Sarasins FCB-Fahne von einem FCZ-Fan besudelt wurde. Was Heiko Vogel vor dem Duell mit YB sagt. Was sich die Fans wünschen. Und warum auch ausländische Spieler in Basel für Identifikation sorgen können.
Publiziert: 08.10.2023 um 01:14 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2023 um 11:28 Uhr
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Stefan KreisReporter Fussball

Vor dem Basler Hauptbahnhof flucht eine ältere Dame, als wäre sie ein FCB-Fan nach dem 0:3-Debakel gegen Ouchy. Sie kriegt sich fast nicht mehr ein, keift, brüllt. Sie ist lauter als das vorbeifahrende, rotblaue Drämmli.

Knapp 200 Meter entfernt sitzt Eric Sarasin, der millionenschwere, erfolgreiche Unternehmer, der Spross der Basler Banken-Dynastie. In einem Starbucks-Café erzählt er von seiner Liebe zum FC Basel. Wie er als kleiner Bub mit einer drei auf drei Meter grossen Fahne in den Letzigrund pilgerte und ein FCZ-Fan diese mit Spucke besudelte. Von «Herzblut» spricht Sarasin, wenns um den FCB geht. Und davon, dass die aktuelle Führung wenig Ahnung habe: «Es fehlt an Handwerk und Übersicht!» Überraschend sei das nicht, so Sarasin. «David Degen hat noch nie ein Unternehmen dieser Art geführt.» Man wolle alles, viel zu schnell und unüberlegt. Die Ziele seien falsch und schlecht kommuniziert worden. Und der Verwaltungsrat sei überlastet und beratungsresistent. Wies wieder aufwärts gehen soll? «Der Sportchef muss sofort weg. Und ein Trainer her, dem man längerfristig das Vertrauen gibt», sagt Sarasin.

Er selbst hätte den FCB nach der Ära Heusler/Heitz gerne übernommen, Bernhard Burgener aber bekam den Zuschlag. Weil er von einem «Für-immer-Rotblau-Konzept» fabulierte. Ob er, Sarasin, dem FCB in der aktuellen Situation helfen würde? «Nein, diesen Zeitpunkt habe ich mittlerweile überschritten. Aber mein Netzwerk steht zur Verfügung.»

Raphael Pfister vom Fan-Lokal «Didi Offensiv» leidet, sagt aber auch: «Wir haben David Degen viel zu verdanken.»
Foto: Pius Koller
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Im Stadion ist der Unternehmer nicht mehr oft. Weil die Mannschaft zuletzt grottenschlecht gespielt habe. Und er die Namen der Spieler nicht mehr kenne.

Paradies für Fussballromantiker

Raphael Pfister ist an jedem Heimspiel, fährt heute auch nach Bern. Zusammen mit einem seiner Brüder führt er das «Didi Offensiv», ein Paradies für Fussballromantiker, benannt nach Claude «Didi» Andrey, dem Basler Aufstiegstrainer, der für seine Defensivtaktik berühmt und berüchtigt war. An den WC-Wänden kleben Panini-Bildli aus den 90er-Jahren. Hier schlägt das Herz der Basler Fan-Seele.

Es versteht sich von selbst, dass an diesem Ort gegen die Pläne des damaligen Präsidenten Bernhard Burgener protestiert wurde. Der wollte im Frühling vor zwei Jahren Teile des FCB an eine nebulöse, ausländische Firma verschachern, trieb den rotblauen Anhang auf die Strasse. Hinter Pfister hängt eine «Yystoo für e FCB»-Fahne, das Motto der Bewegung. Unterstützt wurden die Fans von David Degen, der den Machtkampf am Ende für sich entschieden und den Teilverkauf ins Ausland verhindert hat. «Aus diesem Grund geniesst die aktuelle Führung bei den Fans noch immer sehr viel Goodwill, wir haben David Degen viel zu verdanken», sagt Pfister.

Eine Unterstützung, die langsam, aber sicher zu bröckeln beginnt. Nach der 0:3-Niederlage letzten Sonntag gegen SLO ist der FCB am Tiefpunkt. Der Frust der Fans entlädt sich nach dem Spiel. Für den siegreichen Gegner gibts Applaus, die FCB-Spieler werden gnadenlos ausgepfiffen, vor allem Heiko Vogel kommt an die Kasse.

Weil er zwei Tage zuvor an einer Pressekonferenz die Entlassung seines erklärten Wunschkandidaten Timo Schultz zu erklären versucht. Und eine miserable Figur abgibt. «Die Entlassung des Trainers nach nur elf Pflichtspielen war für viele Fans nicht nachvollziehbar und hat hässig gemacht», sagt Pfister. «Was am Geduldsfaden kratzt, ist das ständige Hü und Hopp. Es braucht Konstanz.» Die Klubführung habe zudem unterschätzt, wie beliebt der Ostfriese in Basel nach kurzer Zeit bereits war. Noch bevor er sein Amt als FCB-Trainer antrat, guckt Schultz im «Didi Offensiv» vorbei, zeigt, wie wichtig ihm die Fan-Kultur ist. Das habe es in den neun Jahren, seit es die Beiz gibt, noch nie gegeben, so Pfister. Ein Cheftrainer im «Didi.» 

Vogel hat Verständnis für die Fans

Dass Heiko Vogel demnächst mal vorbeischauen wird, ist unwahrscheinlich. Zu heftig war die Reaktion der Fans nach der 0:3-Pleite gegen Ouchy. «Ich habe Verständnis für den Unmut. Aber die Situation ist auch für uns nicht zufriedenstellend. Vielleicht habe ich die Vehemenz nicht in diesem Ausmass erwartet, aber das Spiel und das Resultat haben auch keine andere Reaktion zugelassen», sagt Vogel am Freitag an der Pressekonferenz. 

Der Schmach zum Trotz, werden die FCB-Fans heute Sonntag trotzdem in Scharen nach Bern pilgern, zwei Extrazüge stehen bereit. «Wir stehen auch in schwierigen Zeiten hinter unserer Mannschaft, hinter dem Verein», sagt SP-Nationalrat Mustafa Atici. Der ist im Joggeli für einen Teil des Caterings zuständig. Auf die Frage, ob der Bierkonsum steige, weil die Leistungen nüchtern kaum zu ertragen sind, antwortet der Politiker: «Das Gegenteil ist der Fall. Wenn die Mannschaft gut spielt, wird mehr konsumiert.» 

Und wenn sie schlecht spielt, kommen weniger Leute ins Stadion. Eine Entwicklung, die Pan Thurneysen nicht überraschen würde. Der führt die Leute als «Fährimaa» über den Rhein. Und er sagt, dass heute kaum jemand mehr auf seinem Boot über den FCB spreche. «Vor zehn Jahren war das noch anders», sagt Thurneysen. Der FCB sei ein Spekulations- und Durchreiseverein geworden. Er kenne kaum noch zwei Spieler im Kader. Die Identifikation? Sie bleibt auf der Strecke. 

Dass man sich in Basel aber auch mit ausländischen Spielern identifiziert, bewies Admir Smajic. Mitte der 90er-Jahre wechselte der Bosnier zum FCB, wurde zum absoluten Publikumsliebling. Dessen Tochter Adela sagt: «Mein Vater stellte die Stadt, den Verein und die Fans in den Vordergrund. Sein Herz schlug Rot-Blau, es ging nicht nur um finanzielle Interessen. Diesen Rat würde ich auch allen ausländischen Spielern nahelegen. In diesem Sinne: Ai Stadt, ai Club, ai Liebi.» 

Und die fluchende Frau am Hauptbahnhof? Die regt sich über zwei rauchende Typen auf. Und nicht über den FCB. In der Fussballstadt Basel derzeit wohl eher eine Ausnahme.

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