Risikoreich, emotional, grossspurig
So tickt FCB-Boss David Degen

Wenn David Degen (40) etwas sagt, dann tut er das mit Überzeugung. Auch wenn er danebenliegt. Dass ihm seine Aussagen oft um die Ohren fliegen, ist deshalb klar. Dass sie viel darüber aussagen, wie das sprunghafte Energiebündel tickt, ebenfalls.
Publiziert: 04.11.2023 um 16:46 Uhr
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Aktualisiert: 04.11.2023 um 18:05 Uhr
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Stefan KreisReporter Fussball

Es gibt ein legendäres Zitat über die Degen-Brüder. Ausgesprochen von Christian Gross, dem Basler Meistermacher der Nullerjahre. «In der Erziehung ist einiges verpasst worden. Doch wir arbeiten hart daran.» Im selben Interview sagt Gross, dass David Degen immer noch viel zu sehr Individualist sei. Und dass ihm manchmal der Respekt fehle. 

Drei Jahre zuvor debütiert Degen als Profi beim FC Aarau. Trainer dort: Ex-Nati-Captain Alain Geiger. Von fehlendem Respekt will dieser aber bis heute nichts wissen. Ganz im Gegenteil. «Als ich nach Aarau kam, wurde mir gesagt, dass da ein spezieller Typ in der U21 spiele. Einer mit einem ganz speziellen Charakter. Ein Zwilling, der sehr eng mit seinem Bruder verbunden sei.» Er sei sofort ins Training der U21 gefahren, so Geiger. Und er habe David Degen ohne zu zögern in die erste Mannschaft hochgezogen. «Er hatte viel Qualität, Geschwindigkeit, Athletik, brachte die Leidenschaft für den Fussball mit. Und er war ein Teamplayer, grosszügig, ein fantastischer Junge. Ich habe nur gute Erinnerungen an ihn.» 

Zwei grosse Figuren des Schweizer Fussballs, zwei Meinungen über David Degen. Zufall ist das nicht. Weil David Degen polarisiert. Das war als Spieler so. Und ist jetzt als FCB-Präsident nicht anders. Die einen halten ihn für grossspurig, die anderen für visionär. Die einen sagen, er solle weniger reden. Andere schätzen, dass er aus seinem Herzen keine Mördergrube macht. Die einen sind ihm dankbar dafür, dass der FCB nicht in ausländische Hände gefallen ist. Andere hauen ihm um die Ohren, dass er kurz zuvor bei GC hat einsteigen wollen. 

Langweiliger ists nicht geworden, seit David Degen den FCB vor fast 1000 Tagen übernommen hat.
Foto: TOTO MARTI
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Bei einem sind sich aber alle einig: Langweiliger ists nicht geworden, seit der Baselbieter den FCB vor fast 1000 Tagen übernommen hat. Das zeigt ein Blick auf seine knackigsten Zitate. Und was dahintersteckt. 

«Das sind Oberwürste!»

Eine Aussage, die unterstreicht, wie hart David Degen gegenüber Trainern ins Gericht geht. Ausgesprochen vor etwas mehr als vier Jahren. Damals setzt David Degen beim FCB den Fuss in die Türe, übernimmt 10 Prozent des Aktienpakets vom damaligen Präsidenten Bernhard Burgener. Zuvor hatte er in seiner Funktion als Spielerberater gegenüber Journalisten wochenlang Stimmung gegen den damaligen Trainer Marcel Koller gemacht. Dessen Trainerassistenten seien «Oberwürste», der Cheftrainer unfähig. Auch Kollers Nachfolger wurden von Degen nicht selten in den Schwitzkasten genommen. Als Sinnbild, wie schwer es ein Trainer unter Degen hat, gilt Patrick Rahmen. Der wurde im Winter 2021 erst desavouiert und dann kurz nach dem Rückrundenstart entlassen. Und das, obwohl er den mit Abstand besten Punkteschnitt seit Urs Fischer hatte. 

«Ich habe alles zusammengekratzt. ‹All-in› nennt man das.»

Eine Aussage, die unterstreicht, wie risikoreich David Degen agiert. Ausgesprochen im Frühling vor zwei Jahren, als sich der 40-Jährige einen Machtkampf mit Bernhard Burgener liefert. Über 16 Millionen Franken soll Degen dem Vernehmen nach auf den Tisch gelegt haben. Eine Summe, die in keinem gesunden Verhältnis zu den Möglichkeiten des ehemaligen Fussballprofis stehen soll. Dass Degen den FCB trotzdem übernimmt, zeigt, dass er keine Angst vor einem finanziellen Scherbenhaufen hat. Eine Charaktereigenschaft, die sich durch seine zweijährige Amtszeit als FCB-Präsident zieht. Dass die Risikostrategie belohnt werden kann, zeigt der aktuelle Transfersommer. Über 50 Millionen nimmt der FCB für Amdouni, Diouf und Co. ein. Ein Meisterstück. 

«Ich habe mich aufs Stadion-WC zurückgezogen!»

Eine Aussage, die demonstriert, wie sehr Degen, der mit 13 zum FCB ging, mit seinem Herzensverein leidet. Ausgesprochen im Dezember vor zwei Jahren. Als es gegen Hammarby um den Einzug in die Gruppenphase der Conference League geht, verzieht sich Degen aufs stille Örtchen. «Weil ich es kaum mehr ertragen habe. Das Weiterkommen stand auf Messers Schneide. Hätten wir das nicht geschafft, wäre es zappenduster gewesen.»

«Unsere Mannschaft finde ich stärker besetzt als die der Berner»

Eine Aussage, die unterstreicht, wie grossspurig der FCB sich unter David Degen bewegt. Ausgesprochen ebenfalls im Dezember vor zwei Jahren. Im selben Interview gibt Degen auch noch einem der erfolgreichsten FCB-Trainer überhaupt einen mit. «Als Urs Fischer mit dem FCB Meister wurde und man vor allem mit älteren Spielern und einer nicht so attraktiven Spielweise auftrat, gingen die Zuschauerzahlen runter. Das Drumherum muss heute stimmen.» Zwei Jahre später hat der FCB zwar eine junge Mannschaft, aber man grüsst vom letzten Tabellenplatz. Und attraktiver Fussball ist derzeit bloss Nebensache angesichts der prekären Lage.

Dessen ist sich auch Degen bewusst. Zufall ists deshalb kaum, dass es um den Präsidenten, der sich derzeit von einer Schulter-OP erholt, in den letzten Tagen ziemlich ruhig geworden ist. Degen weiss, dass alles, was er jetzt sagt, auf die Goldwaage gelegt wird. Argumente hat er fast keine mehr. Und mit Heiko Vogel seinen Schutzschild verloren. Jener Mann, dem man die Schuld für die sportliche Talfahrt in die Schuhe schieben konnte, wurde entlassen. 

Mit Fabio Celestini versuchts nun der sechste Trainer unter Degen. Scheitert auch er, wirds langsam richtig ungemütlich für das sprunghafte Energiebündel aus dem Baselbiet. Zwar sind Teile der Fans noch immer dankbar, dass Degen den Teilverkauf ins Ausland verhindert hat. Irgendwann aber ist auch dieser Kredit aufgebraucht. 

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