Was Ditaji Kambundji (21) bei den Frauen ist, ist Jason Joseph (25) bei den Männern: die Schweizer Vertretung in der Hürdensprint-Weltklasse. Doch während Kambundji diese Saison schon drei Diamond-League-Meetings in den Beinen hat und in Doha gar ihre Siegpremiere feierte, war es um Joseph monatelang ruhig.
Nach dem Halbfinal-Out im März an der Hallen-WM in Glasgow mochte der Basler die Enttäuschung nicht gross erklären. Er tauchte ab und legte den Fokus voll aufs Training für die Outdoor-Saison, die mit der EM im Rom im Juni und mit Olympia in Paris zwei Grossevents beinhaltet.
An der EM einen ganzen Kontinent besiegen
Am Medientag von Swiss Athletics in Bern bricht Joseph nun sein Schweigen. Und der Hallen-Europameister von 2023 hat gute Neuigkeiten. «Ich fühle mich gut. Die Zeiten im Training zeigen, dass ich fit bin. Wir konnten unseren Aufbauplan voll durchziehen.» Und Glasgow? Längst abgehakt. «Die Hallen-WM hatte für mich nie die ganz grosse Wichtigkeit.»
Zwar habe er beim Freiluft-Auftakt letzte Woche in Basel noch nicht alles zeigen können, was er drauf habe. Aber es kommen weitere Vorbereitungsrennen. Am Samstag tritt Joseph in Zofingen beim Pfingstmeeting an, die Woche darauf in Nancy (Fr). Und dann kommt Anfang Juni schon die EM.
Für Joseph ist klar: Läufts an der EM, läufts auch an Olympia. «Du gehst mit einer ganz anderen Einstellung nach Paris, wenn du an der EM Selbstvertrauen geholt hast», sagt er, «es gibt ein gutes Gefühl, wenn du einen ganzen Kontinent hinter dir gelassen hast.»
«Ohne Olympiamedaille höre ich nicht auf»
Sprich: An der EM will Joseph ein goldenes Ausrufezeichen setzen. Als Europameister nach Paris, das entspräche sowohl seinen Ansprüchen als auch seinem riesigen Potenzial. An der EM 2022 hätte sein mittlerweile auf 13,08 Sekunden runtergeschraubter Schweizerrekord jedenfalls den Sieg gebracht, damals wurde er Vierter.
Aber der Hürdenstar, vor neun Monaten in seinem ersten WM-Final auf Rang 7, träumt von mehr als dem EM-Titel. «Meine Karriere beende ich nicht ohne Olympiamedaille», sagt er klipp und klar. Beim Hürdenläufer sprintet das Selbstvertrauen immer mit. Wenn er den Olympia-Coup nicht in Paris schaffe, dann kämen ja mit Los Angeles 2028 und Brisbane 2032 weitere Gelegenheiten. Joseph also auch mit 34 Jahren noch auf Topniveau? Er schmunzelt und sagt: «Mal schauen. Wenn die Knochen bis dann halten, bin ich dabei.»
Podcast-Projekt mit Sprintkollege William Reais
Es ist ein typischer Spruch für Joseph – mehr davon gibts seit neuestem auch auf Portalen wie Spotify. Joseph ist Podcaster geworden – zusammen mit dem befreundeten Churer Sprinter William Reais (25) lancierte er einen Podcast namens «Off T(rec)». «Uns beiden wurde schon öfters gesagt, wir sollten uns mal aufnehmen», sagt Joseph, «also haben wir das mal diskutiert. Zwei Tage danach hatte William schon die Mikrofone gekauft.»
Zwei Folgen sind bisher ausgestrahlt. Der Inhalt? Viel Unterhaltung, viel Authentizität, wenig Struktur und wenig Leichtathletik. Denn die beiden Sportler plaudern querbeet über alles Mögliche aus ihren Leben – im Slang, wie zwei 25-Jährige eben heutzutage miteinander reden. Joseph: «Wir wollten nichts Steifes und nicht nur über Sport reden.» Auf der Bahn hat er ja seine schnellen Beine, die für ihn sprechen sollen.