Als die Schweiz 2003 zur Segelnation wurde
Segel-Legende verlor wegen Alinghi den Job

Ab Donnerstag segelt Alinghi Red Bull Racing in Barcelona um den America's Cup. Als 2003 die Genfer erstmals den Cup holten, entstand in der Schweiz eine Segel-Euphorie. In Neuseeland hingegen Staatstrauer. Blick traf den damaligen Sündenbock der Kiwis.
Publiziert: 29.08.2024 um 00:03 Uhr
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Aktualisiert: 29.08.2024 um 07:04 Uhr
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Matthias DubachLeiter Reporter-Pool Blick Sport

Im Föhnhafen von Brunnen SZ könnte der America’s Cup kaum weiter weg sein. Hier trifft Blick letzte Woche die neuseeländische Segellegende Hamish Pepper (53), er nimmt an der beschaulichen RC44-WM auf dem Urnersee teil. Pepper hatte viermal am America’s Cup, der prestigeträchtigsten und glamourösesten Regatta der Welt, teilgenommen. Jetzt sagt er: «Das war in meinem früheren Leben. Der America’s Cup ist toll, aber sehr zeitaufwendig.»

Pepper war eine der tragischen Figuren bei den Neuseeländern, als 2003 Alinghi ihnen sensationell vor Auckland den America’s Cup abjagte. Es war der ganz grosse Coup, ein Erdbeben in der Segelwelt – bei der ersten Teilnahme gewinnt ein Team aus dem kleinen Binnenland Schweiz die älteste Sporttrophäe der Welt? Vor 2003 undenkbar. Nur Teams aus den USA, Australien und Neuseeland hatten den «Auld Mug» seit 1851 gewonnen.

Die Schweiz schaut mitten in der Nacht Segeln

Der Alinghi-Coup vor 21 Jahren machte die Schweiz zur Segelnation. Trotz der Liveübertragungen teilweise mitten in der Nacht aus Neuseeland fieberte das ganze Land mit, das rote Alinghi-Logo kannte in der Schweiz plötzlich jede und jeder.

Hamish Pepper: Die Segel-Legende aus Neuseeland erlebte am America's Cup denkwürdige Episoden.
Foto: PHILIPP SCHMIDLI | Fotografie
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Bei uns die grosse Alinghi-Euphorie – in Neuseeland die grosse Staatstrauer. Segler Pepper war damals mittendrin. Er verlor wegen Alinghi sogar seinen Job. Als die Schweizer in der Finalserie 3:0 in Führung lagen, wird Pepper vor dem vierten Rennen als Taktiker entlassen und durch einen Franzosen ersetzt.

Wer ihn vom Boot schmiss? Sein Segelkumpel und Schulfreund Dean Barker (52), der damals Neuseelands Skipper war. Heute sagt Pepper: «Es gab viel Druck von aussen, sie mussten einfach etwas verändern.»

Pepper war der Sündenbock. «Es war aber nicht so, dass ich mich nicht mehr blicken lassen konnte. Unsere Kampagne war gut. Aber die von Alinghi war einfach besser», sagt er heute.

Die Freundschaft hält trotz des Rauswurfs mitten im Final

Trotz allem verliert Neuseeland am Ende sang- und klanglos 0:5, der Cup geht in die Schweiz. Die Freundschaft zwischen Pepper und Barker übersteht die denkwürdige America’s-Cup-Episode. «Ich kriege jedenfalls noch immer eine Geburtstags- und Weihnachtskarte von ihm», sagt Pepper lachend.

Ernsthafter schildert er: «Dean ist mein ältester und wahrscheinlich bester Freund, wir hatten einige sehr gute Jahre zusammen. Leider haben sich unsere Wege beruflich etwas getrennt. Er ist dem America’s Cup treu geblieben, während ich anderen Träumen wie Olympia nachgejagt bin.»

Er habe regelmässig Kontakt mit Barker, der ihn auch auf dem Laufenden hält, was im aktuellen America’s Cup läuft – Barker arbeitet in Barcelona bei Alinghi Red Bull als Coach für die Segel-Crew.

America's Cup 2024: Die Termine

Vor Barcelona findet die 37. Austragung des America's Cup statt. Dazu muss man wissen: Der America's Cup ist das Duell zwischen dem Titelhalter und dem besten Herausforderer-Team. Die Herausforderer machen zuvor im sogenannten Louis Vuitton Cup unter sich aus, wer zum America's Cup überhaupt antreten und um die älteste Sport-Trophäe der Welt segeln darf.

29. August bis 8. September: Louis Vuitton Cup, Round Robin (29.8.: Orient Express vs. Alinghi Red Bull, 14.00 Uhr live SRF2)

14. bis 19. September: Louis Vuitton Cup, Halbfinals

26. September bis 5. Oktober: Louis Vuitton Cup, Final

12. bis 21. Oktober: America's Cup (Titelverteidiger Neuseeland vs. Louis-Vuitton-Cup-Gewinner)

Vor Barcelona findet die 37. Austragung des America's Cup statt. Dazu muss man wissen: Der America's Cup ist das Duell zwischen dem Titelhalter und dem besten Herausforderer-Team. Die Herausforderer machen zuvor im sogenannten Louis Vuitton Cup unter sich aus, wer zum America's Cup überhaupt antreten und um die älteste Sport-Trophäe der Welt segeln darf.

29. August bis 8. September: Louis Vuitton Cup, Round Robin (29.8.: Orient Express vs. Alinghi Red Bull, 14.00 Uhr live SRF2)

14. bis 19. September: Louis Vuitton Cup, Halbfinals

26. September bis 5. Oktober: Louis Vuitton Cup, Final

12. bis 21. Oktober: America's Cup (Titelverteidiger Neuseeland vs. Louis-Vuitton-Cup-Gewinner)

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Auch Barker ist also noch bei Alinghi gelandet. Vor dem Cup 2003 dreht ganz Neuseeland durch, weil Alinghi-Boss Ernesto Bertarelli (58) für seinen verwegenen Titeltraum den Neuseeländern Skipper Russell Coutts (62), Super-Taktiker Brad Butterworth (65) und weitere wichtige Mitglieder aus dem America’s-Cup-Siegerteam vom Jahr 2000 abwarb. Auch Pepper war im Siegerteam dabei. Er sagt: «Wissen Sie, Ernesto hat einen guten Job gemacht, indem er im Prinzip grosse Teile des neuseeländischen Siegerteams übernahm und so auf einem sehr guten Niveau starten konnte.»

Der Sturm der Entrüstung um Coutts, Butterworth und Co war damals enorm. Ihnen schlug in der Heimat regelrecht Hass entgegen, die Medien machten Stimmung gegen die Abtrünnigen. Der Vorwurf von vier Millionen Landsleuten: illoyale Fahnenflucht. Coutts/Butterworth sollte im Falle einer neuseeländischen Niederlage sogar die Schuld an einer Wirtschaftskrise in die Schuhe geschoben werden.

Pepper wurde im America's Cup nicht mehr richtig glücklich

Die Niederlage kam tatsächlich. Mit Pepper mittendrin. Er segelte nach der Entlassung mitten im Finalrennen nie mehr für das Team New Zealand im Amerika’s Cup. 2007 ist er Teil des italienischen America’s-Cup-Teams Mascalzone Latino («Leider hatten dort grosse Egos das Sagen»), 2009 ist er Skipper bei BMW Oracle, doch ist dann beim Sieg der Amis 2010 gegen Alinghi wegen der langwierigen Gerichtsstreitereien um die Austragung schon nicht mehr dabei. Seine vier Olympia-Starts enden alle mit Top-Ten-Ergebnissen, aber immer ohne Medaille.

Zurück zum America’s Cup will er nicht mehr: «In meinem Alter ziehe ich es vor, ein ruhigeres Leben als Segelprofi zu führen.» Oft abwesend daheim ist er gleichwohl, seine Ehe ist in Brüche gegangen. Seine beiden Kinder leben in Neuseeland. «Für dieses Leben habe ich mich nun mal entschieden.»

Pepper bleibt dem Sport treu, seit Jahrzehnten ist der Kiwi als Profi unterwegs und lässt sich anheuern. Wie letzte Woche auf dem Urnersee für das Team des schwedischen Milliardärs Torbjörn Törnqvist.

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