«Leistung ist schon fast etwas, für das man sich schämen muss»
Sport-Legenden gehen auf deutsche Athleten los

Bei den letzten Olympischen Spielen enttäuschten die deutschen Athleten. Drei Jahre danach ist die Zuversicht gar noch weiter gesunken. Grund genug für drei deutsche Sport-Legenden, auf die «verweichlichten» Sportler einzuhauen.
Publiziert: 23.07.2024 um 10:01 Uhr
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Aktualisiert: 23.07.2024 um 10:03 Uhr
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Nicolas HorniSportredaktor

Am Freitag werden die Olympischen Spiele 2024 offiziell eröffnet. Der Ticketrekord wurde bereits Tage vor dem Start gebrochen, die Fans freuen sich offensichtlich auf die Spiele in Paris.

Weniger gross ist derweil die Vorfreude bei ehemaligen deutschen Sport-Stars. Noch vor dem Start teilt etwa Tennis-Legende Boris Becker (56) gegen die Athleten aus: «Es bedarf einer gewissen Leistungsbereitschaft, die von allen Seiten gewollt ist, um diese fünf bis zehn Prozent extra herauszukitzeln. Das ist bei uns momentan leider nicht der Fall.» Der Eurosport-Experte spricht auch gleich von einem grundsätzlichen «Problem der Gesellschaft»: «Wir wollen immer die Besten sein, sind aber nicht bereit, alles dafür zu tun.»

Sportler würden «verweichlicht»

Bei den Spielen 2021 in Tokio schloss Deutschland im Medaillenspiegel so schlecht wie noch nie seit der Wiedervereinigung 1990 ab. Dass es auch bei der Leichtathletik-WM in Ungarn im letzten Jahr keine Medaillen gab, sorgt bei Becker für Stirnrunzeln. Er zieht den Vergleich zum Tennis. «Die Jugendlichen sagen immer: ‹Wir wollen Wimbledon gewinnen.› Aber wenn man sie dann beim Training härter rannimmt, beschweren sich die Eltern», sagt der Wimbledon-Sieger von 1992.

Boris Becker ist mit den deutschen Athleten nicht zufrieden.
Foto: BENJAMIN SOLAND
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Eine ähnliche Haltung hat auch die deutsche Turn-Legende Fabian Hambüchen (36). «Der Leistungsgedanke war früher einfach grösser. Ich glaube, in der ganzen Welt ist die Leistungsbereitschaft für einen Sieg momentan höher als bei uns», sagt der Olympiasieger von 2016. Junge Sportlerinnen und Sportler würden ein Stück weit «verweichlicht», sagt Hambüchen bei Eurosport. «Und ich glaube, das ist einer der Gründe, warum der Trend so ist, wie er ist.»

Tiefpunkt noch nicht erreicht?

In die gleiche Kerbe haut der ehemalige deutsche Diskuswerfer Robert Harting (39). «Ich würde mich sehr wundern, wenn wir viel besser abschneiden würden als bei den letzten olympischen Grossereignissen», schreibt er in einem Gastkommentar bei «Sports Illustrated». Und doch, der Tiefpunkt soll noch nicht erreicht sein: «Ich denke, dass wir erst 2028 wirklich die sportliche Talsohle erreichen werden. Das wären noch vier weitere Jahre, bis wirklich alle verstanden haben dürften, dass es an der Zeit ist für tiefgreifende Makroveränderungen.»

So fordert der Olympiasieger von 2012 in der Ausbildung wieder einen erhöhten Fokus auf das Leistungsprinzip. «Leistung ist bei uns schon fast zu etwas verkommen, für das man sich schämen muss, wenn man darüber auf der Strasse spricht», meint der mehrfache Welt- und Europameister unzufrieden.

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