Beachvolleyball-Duo bereitet sich in Hitzelabor vor
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Olympische Spiele in Tokio:Beachvolleyball-Duo bereitet sich in Hitzelabor vor

Training im Hitzelabor bei 32 Grad
So schwitzen unsere Olympia-Raketen für Tokio

Das Beachvolleyball-Duo Heidrich/ Vergé-Dépré sowie der Bahn-Vierer bereiten sich mit Hitzetrainings auf die krassen klimatischen Bedingungen vor, die bei Olympia auf sie warten.
Publiziert: 12.07.2021 um 01:40 Uhr
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Aktualisiert: 13.07.2021 um 09:41 Uhr
Nicole Vandenbrouck und Mathias Germann

Der Schweiss tropft. Genau das ist das Ziel dieses Trainings im Hitzelabor im Velodrome in Grenchen SO. Die Beachvolleyballerinnen Joana Heidrich und Anouk Vergé-Dépré strampeln auf dem Velo-Ergometer. Jeweils nach zehn Minuten schiebt Blockspielerin Heidrich einige für ihre Sportart spezifische Sprünge ein.

Eine Stunde dauert eine Trainingseinheit, die eine wichtige Vorbereitung für die Olympischen Spiele in Tokio ist. Denn: In diesem Hitzelabor können die extremen Verhältnisse, die in der japanischen Hauptstadt herrschen, exakt simuliert werden. Und die sind für die Athletinnen und Athleten tatsächlich krass. «Das Klima in Tokio ist tropisch», sagt Dr. Thomas Steiner vom Bundesamt für Sport. «Die Luftfeuchtigkeit wird sich zwischen 70 und 90 Prozent bewegen.» Es seien Werte, bei denen eigentlich kein Sport mehr getrieben werden sollte. «Vor allem keine Ausdauersportarten.»

Als Florian Karl, Trainer des Beach-Duos, im Rahmen eines Coaching-Programms von Swiss Olympic dessen Hitzelabor in Grenchen besucht, ist er sofort von den Vorzügen überzeugt. «Beide Spielerinnen sind etwas anfälliger auf Hitze», so Karl, «dank diesen Trainings können sie besser verstehen, mit dem körperlichen Zustand umzugehen und trotzdem ihre Leistung abzurufen.»

Im Hitzelabor in Grenchen trainieren die Beachvolleyballerinnen Joana Heidrich (l.) und Anouk Vergé-Dépré unter Hitze-Bedingungen, wie sie bei Olympia in Tokio herrschen werden.
Foto: BENJAMIN SOLAND
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Denn Sportwissenschaftler Steiner sagt, dass die Leistungsfähigkeit ohne Hitze-Akklimatisation an feuchtheissen Wettkampf-Orten bei längerer Belastung um bis zu 15 Prozent sinken kann. Ein Beachvolleyball-Match dauert zwischen einer halben und einer Stunde. «Und sie spielen über den ganzen Tag verteilt. Deshalb macht dieses Hitzetraining für die Beachvolleyballerinnen durchaus Sinn», so Steiner.

Sonst droht ein Kollaps

2017 wurde das Projekt «Beat the Heat» (Besiege die Hitze) von Swiss Olympic zusammen mit dem Baspo ins Leben gerufen. Seit einem Jahr begleitet Steiner jene Sportlerinnen und Sportler, die sich an so extreme Verhältnisse gewöhnen wollen. Bisher haben nur Velofahrer und Triathleten das Hitzelabor genutzt. Olympiasiegerin Nicola Spirig hat sich in diesen Wochen vor Tokio in ihrem Höhentraining in St. Moritz sogar ein Hitzezelt aufbauen lassen.

In der Hitzekammer in Grenchen herrschen derzeit 32 Grad Lufttemperatur und 75 Prozent Luftfeuchtigkeit. Ein Mittelwert. Aussagekräftiger ist jedoch die gefühlte Temperatur, also die Kombination zwischen Lufttemperatur, relativer Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit und Sonneneinstrahlung. Und die entspricht bei diesem Mittelwert weit über 40 Grad! Wenn die Körperkerntemperatur darüber steigt, kann es gefährlich werden. Es droht ein Kollaps.

1,8 Liter rausgeschwitzt

«Schweiss ist ab 35 Grad die einzige Möglichkeit, den Körper zu kühlen und Hitze abzugeben», erklärt Steiner. Das Problem: «Je feuchter die Luft, desto schwieriger wird es.» Also lernen die Körper von Heidrich und Vergé-Dépré nun, besser zu schwitzen. Ein Sensor, den sie während des Hitzetrainings tragen, misst alle nötigen Werte. «Ihre Schweissrate geht hoch, ihr thermisches Empfinden wird verbessert.» Eine der beiden Spielerinnen verliert während einer Stunde Hitzetraining 1,8 Liter Flüssigkeit! Aber: Der Körper kann in gleicher Zeit nur 1,2 Liter Flüssigkeit aufnehmen.

Deshalb müssen die Sportlerinnen in Tokio ihren Flüssigkeitshaushalt immer im Blick haben, ihn mittels Urinfarbe kontrollieren, dafür bekommen sie extra Teststreifen. Weiter werden verschiedene Lösungen vorgeschlagen, wie der Körper vor und während des Wettkampfs runtergekühlt werden kann. Zum Beispiel mit einem Kühlbad (davor), Kühlwesten, kalten Tüchern, Eisgetränken oder Menthol-Produkten.

«Die Daten sind sehr interessant», sagt Joana Heidrich, «ich weiss jetzt, wie und worauf mein Körper reagiert. Vor den Spielen zu erleben, wie es sich für den Körper anfühlt, ist sicher hilfreich.» Die 29-Jährige hat 2015 bereits einmal ein Turnier in Japan gespielt, «man hat das Gefühl, man läuft in eine Wand», erinnert sie sich an die Hitze dort. Nach dem achten Hitzetraining in Grenchen zieht die Blockspielerin eine positive Bilanz: «Die ersten 20 Minuten sind nicht mehr so hart. Früher hatte ich das Gefühl, die Hitze staut sich im Körper. Das ist nun nicht mehr so.» Auch ihre Abwehrspielerin Vergé-Dépré ist zufrieden: «Der Temperaturausgleich funktioniert besser. Ich fange schneller an zu schwitzen.»

Hitzetraining ein Bonus für die Radfahrer

Als Abschluss wartet ein Becken mit kaltem Wasser auf die Beachvolleyballerinnen. Auch die Velofahrer nehmen danach ein kühlendes Bad. Sie vertrauen auf das Hitzetraining, obwohl der Bahn-Vierer in Tokio drinnen fährt und es eine Klimaanlage gibt. Nati-Trainer Mikaël Bouget rechnet trotzdem mit 28 Grad, aber weniger Feuchtigkeit als draussen. «Wir simulieren nicht die Bedingungen des Wettkampfs, aber unsere Fahrer trainieren auch draussen. Und für den Körper ist so ein Hitzetraining gut, eine wichtige Komponente. Egal, ob es in Tokio kühler oder weniger feucht sein wird. Was wir hier machen, ist nur ein Bonus.»

Der Schweizer Bahn-Vierer besteht noch aus einem Sechser-Team, wer an den Start gehen wird, ist noch nicht bestimmt: Robin Froidevaux, Valère Thiébaud, Mauro Schmid, Cyrille Thièry, Stefan Bissegger und Théry Schir. Die beiden Letzteren sind beim Besuch von SonntagsBlick nicht dabei. Schmid (21), der mit seinem Etappensieg beim Giro in diesem Jahr für einen unerwarteten Paukenschlag sorgte und in seinem ersten Profijahr ist, sagt: «Das Hitzetraining war hart. Ich bekam kaum Luft zum Atmen. Man schwitzt wie verrückt. Eigentlich wollte ich gar nichts trinken, ein wenig Dehydration schadet dem Körper meiner Meinung nach nicht. Aber irgendwann musste ich einfach zum Bidon greifen.»

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