Schaulaufen nach der Schmach?
Freundschaft – letzter Trumpf der Schweizer Springreiter

Die Schweizer Springreiter sind in Tokio nach der Pleite im Einzel nun für den Team-Wettbewerb auf Revanche aus. Helfen könnte da die spezielle Bindung zwischen Steve Guerdat und Martin Fuchs.
Publiziert: 05.08.2021 um 21:34 Uhr
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Aktualisiert: 07.08.2021 um 09:11 Uhr
Steve Guerdat bleibt in Tokio nach einem fatalen Fehler in der Qualifikation hängen.
Foto: Icon Sport via Getty Images
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Sebastian Rieder aus Tokio

Was für eine Schmach! Das Einzelspringen der Schweizer Springreiter in Tokio geht als eine der grössten Olympia-Niederlagen in die Geschichte ein. Sowohl Martin Fuchs auf Clooney wie auch Beat Mändli im Sattel von Dsarie fehlt die letzte Konsequenz, um den brutalen Parcours im Equestrian Park unbeschadet zu überstehen und um die Medaille zu kämpfen.

Der hart geführte Rundkurs verzeiht keine Nachlässigkeit – es herrscht praktisch Nulltoleranz, um ins Stechen zu kommen. Da kommen weder Fuchs mit zwei Abwürfen noch Mändli in Frage, der nach drei Fehlern aufgegeben hat.

Noch schlimmer erwischte es Steve Guerdat, der bereits am Vortag in der Qualifikation mit einem fatalen Fehler hängen blieb. Der Olympiasieger von 2012 in London selbstkritisch: «Es tut weh, weil mein Pferd alles gegeben hat. Wir haben den Sprung zu ruhig angeritten. Ich hätte es besser machen können.»

Das totale Vertrauen in das Team

Als fünffacher Teilnehmer an Olympischen Spielen ist Guerdat in der Rolle des Teamleaders. Doch der 39-jährige Jurassier kam aufgrund der Corona-Pandemie erst kurz vor Tokio in Olympia-Stimmung. «Die Schmetterlinge sind jetzt aber schon wieder verflogen», sagte Guerdat nach dem blamablen Aus in der Qualifikation.

Schwer enttäuscht aber kämpferisch gab sich der neue Equipenchef Michel Sorg. Er hat die Hoffnung auf eine Medaillenchance nicht aufgegeben. «Wir werden den Fokus nach einer intensiven Analyse wiederfinden. Ich habe totales Vertrauen in das Trio», sagt Sorg und setzt dabei auf den ausserordentlichen Teamgeist der Schweizer Springreiter. Für das Teamspringen wird Nachwuchsreiter Bryan Balsiger (24) auf Twentytwo des Biches Beat Mändli ersetzen.

Rivalität führt zu Spitzenleistung

Speziell ist dabei die Beziehung zwischen Fuchs und Guerdat, der vor fast 20 Jahren für den grossen Karrieresprung die Selbstständigkeit suchte und für längere Zeit auf dem Hof der Dynastie Fuchs ein Teil der Familie wurde. Von dort aus hat er auch den zehn Jahre jüngeren Martin mit an die Weltspitze geführt.

Die Verbindung funktionierte so gut, dass sie auch als Konkurrenten gute Freunde blieben. Lange war Guerdat der Gejagte, bis Martin ihn an der Weltrangliste überholte. Aktuell belegen die beiden Platz 2 und 3 der Weltrangliste. «Wir profitieren beide von dieser freundschaftlichen Rivalität», sagt Guerdat und beschreibt den Ansporn. «Er zeigt mir jeden Tag, dass ich weiter an mir arbeiten muss, um noch besser zu werden.»

Zwei Kantone, aber fast Nachbarn

Für Fuchs bleibt Guerdat das grosse Vorbild. «Das wird sich nie ändern», sagt Martin und schwärmt von Steve: «Wir haben immer noch eine brüderliche Beziehung. Die Zeit als er bei uns auf dem Hof mithalf, werde ich nie vergessen. Wir haben viel trainiert und oft zusammen gegessen», sagt Fuchs. Er ist stolz auf die Freundschaft, die auch mal auf den Fussballplatz führt.

Mittlerweile wohnt Fuchs mit seiner Freundin Paris Sellon in Wängi TG, während Guerdat nur 15 Autominuten entfernt in Elgg ZH seinen eigenen Hof besitzt. Nicht erst seit seine Frau Fanny Skalli im April dieses Jahres Tochter Ella zur Welt brachte, fährt die Familie Fuchs regelmässig zu ihm. «Auch wenn wir unsere eigenen Geschäfte haben», sagt Guerdat, «haben wir eine super Beziehung, die uns auch privat immer weiterbringt.»

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