Der künftige ISV-TL setzt auf ein hochkarätiges Betreuerteam
Martin Grab kämpft nach Doping-Sperre wieder für Innerschweizer!

Die Innerschweizer haben sich in der ersten Hälfte dieser Kranzfestsaison so schwach wie selten zuvor präsentiert. Nun soll auch die Rückkehr von fünf Altmeistern den Aufschwung bringen.
Publiziert: 02.07.2022 um 14:47 Uhr
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Aktualisiert: 09.06.2023 um 11:36 Uhr
Marcel W. Perren

Die Innerschweizer sind komplett verrückt. Zumindest wenn es ums Schwingen geht. Dieser urschweizerische Fanatismus hat selbst König Matthias Sempach nach seinem Umzug vom Emmental in die Innerschweiz schier umgehauen.

Sempach: «Ich habe geglaubt, dass die Begeisterung für den Schwingsport in meinem Geburtsort in Alchenstorf kaum zu übertreffen ist. Doch seit ich den Bauernhof der Eltern meiner Lebensgefährtin übernommen habe, weiss ich, dass der Stellenwert des Schwingens im Entlebuch noch viel höher ist.»

Diese Innerschweizer Begeisterung macht sich seit Jahren nicht nur bei den Zuschauerzahlen, sondern auch bei der Menge der Aktiven bemerkbar. Weil es nirgendwo derart viele lizenzierte Schwinger gibt wie in den Ur-Kantonen, wird der Innerschweizer Schwingerverband ISV auch beim kommenden Eidgenössischen Ende August in Pratteln BL mit 85 Startplätzen die grösste Equipe stellen.

Die Innerschweizer (hier Christian Schuler in Rücklage gegen den Berner Christian Gerber) präsentieren sich in der ersten Hälfte dieser Kranzfestsaison schwach wie selten zuvor.
Foto: BENJAMIN SOLAND
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Die Spitzenpaarungen am Innerschweizer Schwingfest

Joel Wicki - Joel Strebel

Christian Schuler - Matthias Aeschbacher

Mike Müllestein - Benjamin Gapany

Sven Schurtenberger - Michael Bless

Reto Nötzli - Matthieu Burger

Benji von Ah - Christian Bucher

Marcel Bieri - Oliver Hermann

Andi Imhof - Marc Lustenberger

Stefan Stöckli - Lukas Bissig

Joel Ambühl - Martin Hersche

Joel Wicki - Joel Strebel

Christian Schuler - Matthias Aeschbacher

Mike Müllestein - Benjamin Gapany

Sven Schurtenberger - Michael Bless

Reto Nötzli - Matthieu Burger

Benji von Ah - Christian Bucher

Marcel Bieri - Oliver Hermann

Andi Imhof - Marc Lustenberger

Stefan Stöckli - Lukas Bissig

Joel Ambühl - Martin Hersche

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«Genau das ist aufgrund der aktuellen Leistungen himmeltraurig», poltert der legendäre Berner Eidgenosse Christian Oesch (53). «Die Innerschweizer besitzen zwar am meisten aktive Schwinger, aber mit Joel Wicki und dem rekonvaleszenten Pirmin Reichmuth lediglich zwei Topathleten. Hinter dieser Doppelspitze sind die Innerschweizer so schwach wie nie zuvor.»

Die Begeisterung richtet Schaden an

Tatsächlich hat die Truppe des Technischen Leiters Thedy Waser in dieser Saison bei den meisten hochkarätig besetzten Wettkämpfen komplett versagt. Beim Bergklassiker auf dem Stoos konnten die Gastgeber lediglich 2 von 13 Kränzen für sich beanspruchen. Auch am Schwarzsee landeten nur 5 von Wasers Mannen auf den Eichenlaubplätzen. Am letzten Wochenende triumphierte Sven Schurtenberger zwar am Teilverbandsfest der Südwestschweizer, einen Eidgenossen hat der Luzerner dort aber auch nicht besiegt.

Warum verkörpern die einst so bösen Innerschweizer derzeit so viel Mittelmass? Der Obwaldner Gregor Rohrer (50), der einst mit seinen überragenden Qualitäten im Bodenkampf drei eidgenössische Kränze erschwungen hat, stellt eine brisante These auf: «Sehr wahrscheinlich ist es gerade die gigantische Schwing-Begeisterung in unserer Bevölkerung, die dazu führt, dass wir in der Spitze zu wenig breit sind.»

Rohrer, der im Obwaldner Kantonsrat sitzt, erläutert seinen Verdacht so: «In der Innerschweiz kannst du deinen Status in der Gesellschaft steigern, wenn du in einem Schwingklub eine Funktion im Vorstand ausübst. Das führt dazu, dass neben hochqualifizierten Fachkräften eben auch gewisse Leute mit höchst bescheidenem Schwinger-Know-how auf unseren Zug aufspringen.»

Rohrer glaubt zudem, dass ein junger Schwinger in der Innerschweiz zu schnell zu viel Publizität erhält: «In der Nordwestschweiz wissen nur die absoluten Insider, dass der Baselbieter Adrian Odermatt in dieser Saison schon einige ganz vielversprechende Leistungen gezeigt hat. Wenn Odermatt für den ISV starten würde, würden ihn die Innerschweizer Medien schon jetzt wie einen Halb-Gott darstellen. Und das kann dazu führen, dass unsere Jungen weniger konsequent und hart trainieren, als das in den anderen Teilverbänden der Fall ist.»

«Wicki fehlt im Training der Gradmesser»

Der Schwyzer Adi Laimbacher (41) war zu Aktivzeiten ein richtig harter Arbeiter. 105 Kränze hat er sich bis zu seinem Rücktritt im Sommer 2015 erkämpft. Jetzt amtiert der Betreiber eines Taxi-Unternehmens auch als Jungschwinger-Leiter im Mythenverband. Auch Laimbacher fällt auf, dass talentierte Innerschweizer den Biss schneller verlieren als anderswo. «Um den Junioren den Übergang zu den Aktiven zu erleichtern, wurden bei uns Spezialtrainings angeboten. Leider Gottes haben oft nicht mehr als vier Athleten von diesem Angebot Gebrauch gemacht.»

Auf Joel Wicki treffen all diese Vorwürfe definitiv nicht zu. Der Entlebucher trainiert zusammen mit seinem Übungsleiter Dany Hüsler mustergültig. Dass der 25-Jährige in dieser Saison erst ein Kranzfest gewonnen hat, führt Tommy Herzog, der neben Schwingerkönig Christian Stucki auch Pirmin Reichmuth betreut, aber nicht nur auf die im Juni erlittene Schnittverletzung an der Hand zurück. «Seit dem vierten Kreuzbandriss von Reichmuth haben Wicki in den ISV-Zusammenzügen die echten Gradmesser gefehlt. Wenn du im Training fast jeden Zweikampf im ersten Zug gewinnst, bringt dich das für die Ernstkämpfe auf der grossen eidgenössischen Bühne nicht wirklich weiter.»

Die Rückkehr von Martin Grab und Co

Doch das dürfte sich gemäss Gregor Rohrer bald ändern: «Wicki wird sich bald wieder mit Reichmuth messen können. Pirmin hinterlässt im Training bereits wieder einen enorm starken Eindruck. Am 10. Juli anlässlich des Aargauer Kantonalen wird er seinen ersten Wettkampf seit fast drei Jahren bestreiten.»

Die Innerschweizer dürften längerfristig auch deshalb wieder stärker agieren, weil der künftige Technische Leiter Stefan Muff ein hochkarätiges Betreuerteam aufbaut. Zu diesem Staff gehören vier Jahre nach seinem dopingbedingten Karriereende Martin Grab (43, Unspunnen-Sieger 2006, 123 Kränze), Thomas Arnold (Brünig-Triumphator 2005), Daniel Odermatt (48, dreifacher Eidgenosse), Ruedi Odermatt (48, 2 eidgenössische Kränze) und Gregor Rohrer. Letzterer verspricht: «Wir werden mit unseren Athleten wieder viel härter arbeiten.»

Die berühmtesten Doping-Fälle der Schweiz

Alex Zülle (Rad)

Im Rahmen der Tour de France 1998 war der inzwischen 53-Jährige Teil der «Festina-Affäre». Bei Zülle und seinem Festina-Teamkollegen, dem Franzosen Richard Virenque (51), die als Mitfavoriten auf den Tour-Sieg galten, wurden die unzulässige Substanz Erythropoetin (EPO) festgestellt. Zülle wurde für acht Monate gesperrt.

Oscar Camenzind (Rad)

1998 wurde er Strassenrad-Weltmeister, gewann im Jahr 2000 die Tour de Suisse und ein Jahr später den Radklassiker Lüttich-Bastogne-Lüttich. 2004 fiel ein Dopingtest positiv aus. Die Substanz: EPO. Zwei Jahre wurde er von Swiss Olympic gesperrt. «Ich habe Roulette gespielt», sagte Camenzind im Jahr 2018.

Brigitte McMahon (Triathlon)

2000 holte die heute 55-jährige Zugerin Olympia-Gold im Triathlon. 2005 wurde sie des Dopings überführt. Auch sie nahm die verbotene Substanz EPO ein, da sie durch ihre Mutterschaft physisch und psychisch angeschlagen war. Ihr wurde eine zweijährigen Sperre aufgebrummt.

Sandra Gasser (Leichtathletik)

Es war der erste grosse Dopingfall in der Schweiz. Sandra Gasser (59) wurde nach ihrem dritten Platz im 1500-Meter-Lauf an der Leichtathletik-WM 1987 positiv auf ein synthetisches Anabolikum getestet und zwei Jahre gesperrt. Bis heute ist die Schuldfrage nicht geklärt. Dem Antidoping Labor in Rom sollen gravierende Fehler unterlaufen sein. So gabs beträchtliche Abweichungen zwischen der A- und der B-Probe.

Martin Grab (Schwingen)

Martin Grab (43), Unspunnen-Sieger von 2006, blieb 2018 bei einer Dopingkontrolle hängen. Dem siebenfachen Eidgenossen wurde die verbotene Substanz Tamoxifen im Blut nachgewiesen. Grab akzeptierte die zweijährige Sperre, liess aber kein gutes Haar am Auftritt von Antidoping Schweiz.

Martina Hingis (Tennis)

Martina Hingis (41) wurde 2007 in Wimbledon positiv auf Kokain getestet. Die jüngste Weltnummer 1 der Geschichte (16-jährig) bekommt ebenfalls eine zweijährige Sperre aufgebrummt. Kurz nach Bekanntgabe des positiven Dopingbefundes trat Hingis zurück, gab aber 2013 ein Comeback und wurde nochmals die Nummer 1 der Doppelrangliste.

Karim Hussein (Leichtathletik)

Im Sommer 2021 begann Karim Hussein (33) einen folgenschweren Fehler. Der Hürdenläufer nahm eine Lutschtablette mit dem verbotenen Inhaltsstoff Nikethamid zu sich. Die Folge: Eine Doping-Sperre von insgesamt neun Monaten. Damit verpasste der Europameister über 400-Meter-Hürden die Olympischen Spielen 2021.

Alex Zülle (Rad)

Im Rahmen der Tour de France 1998 war der inzwischen 53-Jährige Teil der «Festina-Affäre». Bei Zülle und seinem Festina-Teamkollegen, dem Franzosen Richard Virenque (51), die als Mitfavoriten auf den Tour-Sieg galten, wurden die unzulässige Substanz Erythropoetin (EPO) festgestellt. Zülle wurde für acht Monate gesperrt.

Oscar Camenzind (Rad)

1998 wurde er Strassenrad-Weltmeister, gewann im Jahr 2000 die Tour de Suisse und ein Jahr später den Radklassiker Lüttich-Bastogne-Lüttich. 2004 fiel ein Dopingtest positiv aus. Die Substanz: EPO. Zwei Jahre wurde er von Swiss Olympic gesperrt. «Ich habe Roulette gespielt», sagte Camenzind im Jahr 2018.

Brigitte McMahon (Triathlon)

2000 holte die heute 55-jährige Zugerin Olympia-Gold im Triathlon. 2005 wurde sie des Dopings überführt. Auch sie nahm die verbotene Substanz EPO ein, da sie durch ihre Mutterschaft physisch und psychisch angeschlagen war. Ihr wurde eine zweijährigen Sperre aufgebrummt.

Sandra Gasser (Leichtathletik)

Es war der erste grosse Dopingfall in der Schweiz. Sandra Gasser (59) wurde nach ihrem dritten Platz im 1500-Meter-Lauf an der Leichtathletik-WM 1987 positiv auf ein synthetisches Anabolikum getestet und zwei Jahre gesperrt. Bis heute ist die Schuldfrage nicht geklärt. Dem Antidoping Labor in Rom sollen gravierende Fehler unterlaufen sein. So gabs beträchtliche Abweichungen zwischen der A- und der B-Probe.

Martin Grab (Schwingen)

Martin Grab (43), Unspunnen-Sieger von 2006, blieb 2018 bei einer Dopingkontrolle hängen. Dem siebenfachen Eidgenossen wurde die verbotene Substanz Tamoxifen im Blut nachgewiesen. Grab akzeptierte die zweijährige Sperre, liess aber kein gutes Haar am Auftritt von Antidoping Schweiz.

Martina Hingis (Tennis)

Martina Hingis (41) wurde 2007 in Wimbledon positiv auf Kokain getestet. Die jüngste Weltnummer 1 der Geschichte (16-jährig) bekommt ebenfalls eine zweijährige Sperre aufgebrummt. Kurz nach Bekanntgabe des positiven Dopingbefundes trat Hingis zurück, gab aber 2013 ein Comeback und wurde nochmals die Nummer 1 der Doppelrangliste.

Karim Hussein (Leichtathletik)

Im Sommer 2021 begann Karim Hussein (33) einen folgenschweren Fehler. Der Hürdenläufer nahm eine Lutschtablette mit dem verbotenen Inhaltsstoff Nikethamid zu sich. Die Folge: Eine Doping-Sperre von insgesamt neun Monaten. Damit verpasste der Europameister über 400-Meter-Hürden die Olympischen Spielen 2021.

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