Ein Aargauer ist der älteste Schwinger aller Zeiten
Veteran Meier (55) mischt die Schwing-Szene auf

Im Vergleich mit Roger Meier sind die Schwing-Oldies Stefan Burkhalter (48) und Nöldi Forrer (43) Jungschwinger. Meier war beim Aargauer Kantonalfest im Einsatz. Und trainiert jetzt für das Nordwestschweizerische Teilverbandsfest.
Publiziert: 15.07.2022 um 16:39 Uhr
Felix Bingesser

Beim prächtigen Aargauer Kantonalen Schwingfest in Beinwil vor 6200 Zuschauern am vergangenen Sonntag staunten viele Schwinger in der Umkleidekabine Bauklötze. Hat sich hier ein Vater oder gar ein Grossvater eines Schwingers in die Kabine verirrt?

Nein. Es ist der Aargauer Roger Meier, mit 55 Jahren der älteste Schwinger, der je an einem Kranzfest teilgenommen hat. Die Geschichte des Mannes, der einst national aber auch international Motocrossrennen bestritten hat, wird in der Schwingszene plötzlich zum grossen Thema.

Drei Tage später steht Meier wieder in seiner Motorradwerkstatt in Villigen. Und erzählt, warum ein Mann, der sich eigentlich mit Fragen der Frühpensionierung beschäftigen müsste, noch mit muskelbepackten Modellathleten kämpft, statt mit sanften Yogaübungen einem Bandscheibenvorfall vorzubeugen.

Roger Meier (r.) steigt mit 55 noch ins Sägemehl.
Foto: Pascale Alpiger
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Am Anfang stand eine Wette

«Nach meiner Motocrosskarriere habe ich lange nach einer neuen Sportart gesucht. Aber nichts hat mich gepackt. Und nur damit ich vor meiner Frau fliehen kann, muss ich nicht irgendetwas Langweiliges machen», sagt der zweifache Familienvater. Eines Tage bringt ein Mitglied des Schwingklubs Zurzibiet sein Motorrad in Meiers Werkstatt. Man kommt ins Gespräch. Und Meier, damals 52, schnuppert bei den Schwingern rein.

«Es hat mich sofort gepackt. Am Anfang wollte ich aber nur das Kraft- und Konditionstraining mitmachen.» Mit einer Grösse von 1,75 und einem Gewicht von 90 Kilogramm gehört er nicht zu den Schwingriesen. Er trainiert zwei Jahre mit. Als plötzlich ein 20-jähriger Klubkollege im vergangenen Januar sagt, er wette darauf, dass Meier nicht den Mut aufbringe, ein Schwingfest mitzumachen, ist er beim abenteuerlustigen Meier an der falschen Adresse.

Mit eigenem Fanklub

Beim heimischen Klubschwinget steigt er erstmals in die Zwilchhosen, eine Woche vor dem Aargauer Kantonalen nimmt er am Munimatt-Schwinget teil und kann zwei Gänge unentschieden gestalten.

Und dann kommt sein Auftritt beim Aargauer Kantonalen. Auf der Tribüne sitzt ein Fanklub mit seinem Konterfei auf dem T-Shirt. Aber Meier ist derart nervös, «dass ich in den ersten beiden Gängen praktisch über meine eigenen Füsse gestolpert bin.»

Im vierten Gang bekommt er es mit dem 16-jährigen Nachwuchstalent Turgut Yeschiltepe zu tun. Meier, der der Grossvater seines Gegners sein könnte, gewinnt platt und qualifiziert sich sensationell für den Ausstich. Er wird von der regionalen TV-Station interviewt. «Und ich musste sogar Autogramme geben», lacht Meier.

Meier schnappt sich das Fondue-Set

Am Gabentempel reicht es für den Mann, der sich am Ende im Rang 23e klassiert und immerhin 23 Schwinger hinter sich lässt, zwar nicht für den Siegermuni. Aber immerhin noch für ein Fondue-Set mit Pfanne und Gabeln. «Ideal, das hat mir gerade gefehlt», sagt Meier.

All jene, die ihm prophezeit haben, er könne sich nach einem solchen Fest vor lauter Schmerzen kaum mehr bewegen muss Meier enttäuschen. «Ich habe am Montag praktisch nichts gespürt», schmunzelt er. Und er schmiedet schon Pläne für die Zukunft.

Das nächste Ziel heisst Brugg

«Technisch bin ich natürlich der Schlechteste. Daran muss ich jetzt noch arbeiten, denn ich werde im August auch am Nordwestschweizer Teilverbandsfest in Brugg teilnehmen», so Meier. Und danach ist längst nicht Schluss. 2024 wird das Aargauer Kantonale in der Heimat seines Schwingklubs, in Bad Zurzach sein. Dort will er unbedingt dabei sein, wenn es die Gesundheit erlaubt.

«Dann bin ich 57. Und kann über den Rücktritt nachdenken.» Und die Wette? «Mein junger Wettpartner wollte eigentlich mit dem Schwingen aufhören. Jetzt erwarte ich ihn im Training zurück.»

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