Blick besucht drei Ski-Talente im Sport-Gymnasium Davos
Werden sie die neuen Schweizer Sport-Stars?

Ihr Programm ist so dicht gedrängt, dass kaum Zeit für Heimweh bleibt. Elena Stucki (16), Andrina Gansner (15) und Elisa Kuster (16) erzählen von ihrem Alltag.
Publiziert: 30.03.2022 um 15:47 Uhr
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Aktualisiert: 04.04.2022 um 14:08 Uhr
Mathias Germann (Text) und Benjamin Soland (Fotos)

Es sind insgesamt 148 Sportlerinnen und Sportler. Sie sind jung, voller Hoffnung und Leidenschaft. Und dennoch wird sich der Traum vom Spitzensport nur für wenige erfüllen. «Ich denke, dass es zwischen zwei und fünf Prozent ganz nach oben schaffen werden», sagt Urs Imboden (47).

Der ehemalige Weltklasse-Slalomfahrer ist Trainer am Sport-Gymnasium Davos und schleift dort Tag für Tag die Schweizer Ski-Diamanten. «Auch wenn vielen meiner Schüler der Weg zum Profi verwehrt bleiben wird, durchlaufen sie hier eine Lebensschule, die ihnen niemand mehr nehmen kann», sagt er.

Blick verabredet sich mit drei Ski-Talenten, um mehr über ihren Alltag zu erfahren. Los geht es um 7.50 Uhr, der Unterricht ruft. Mathematik, Chemie, Deutsch – bis Mittag rattert der Kopf. Auch bei Elena Stucki (16), die in ihrem zweiten Schuljahr ist. Sie stammt aus Obersaxen GR, wohnt aber im Internat und fährt an den Wochenenden nach Hause – zumindest dann, wenn keine Rennen anstehen.

Elyssa Kuster (links) und ihre Zimmerkollegin Romina in ihrem Zimmer in Davos.
Foto: BENJAMIN SOLAND
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Ex-Slalom-Crack Urs Imboden ist einer der Ski-Trainer. Er bildet seine Schüler jahrelang aus.
Foto: BENJAMIN SOLAND

«Mein Vater ist Bauführer, meine Mutter Hauswartin. Manchmal wäre ich schon gerne bei ihnen. Aber es passt mir hier gut, ich will schliesslich ganz noch oben kommen, sagt sie. Ihr Vorbild ist Mikaela Shiffrin (26, USA), die vielleicht beste Skirennfahrerin aller Zeiten. Stuckis grosse Liebe ist der Slalom, den Schulunterricht dagegen mag sie weniger. «Aber da muss man durch», sagt sie lachend, «und da bin ich ja keine Ausnahme.»

Vier von fünf schaffen den Abschluss

Das Sport-Gymnasium ist nicht nur für angehende Ski-Profis da. Es gibt auch Hockeyspieler, Langläufer, Snowboarder oder Golf-Talente. Aber der alpine Skisport dominiert. 80 Prozent der Athleten des NLZ Ost, einem der drei Nationalen Leistungszentren, gehen in Davos zur Schule.

Manche kommen mit 14, viele auch mit 15 oder 16 Jahren hierher. Läuft alles nach Plan, haben sie mit knapp 20 Jahren die Matura in der Tasche. Auch ein KV-Abschluss ist möglich. «Die Gesamtbelastung ist hoch, weil in der Regel einen halben Tag trainiert wird und der andere halbe Tag für die Schule reserviert ist», sagt Rektor Urs Winkler. Trotzdem schaffen vier von fünf Schülern letztlich den Abschluss.

Elena Stucki posiert im Schulzimmer. Sie stammt aus Obersaxen, wohnt aber im Internat.
Foto: BENJAMIN SOLAND

Für Andrina Gansner (15) ist der Weg bis dahin noch weit. Nach einem Prophylaxe-Training im Athletikraum des Gymnasiums erzählt sie: «Im Gegensatz zu vielen anderen wohne ich nicht im Internat, sondern bei meinen Eltern im Prättigau. Ich finde es schön, meine Familie jeden Tag zu sehen. Streng ist es dennoch. Am Morgen stehe ich um 5.40 Uhr auf, abends bin ich gegen 19 Uhr zu Hause. Oft muss ich dann noch Aufgaben machen.» Bereut hat sie ihre Entscheidung, in Davos ihre Ausbildung zu machen, trotzdem noch nie. «Ich bin seit sieben Monaten hier und finde es wirklich cool.»

Keine Zeit für Heimweh

Schon manch einer des Sport-Gymnasiums hat den Sprung in den Weltcup geschafft. Sandro Simonet (26), Vanessa Kasper (25), Selina Egloff (20), Stephanie Jenal (23) zum Beispiel. In der Regel gibt es einen halben Tag lang Unterricht, danach gilt der Fokus dem Sport. Flexibel sind alle, das Wetter bestimmt häufig den Takt. Auch jenen von Elyssa Kuster. Die 16-Jährige stammt aus Herisau, sie wohnt im Davos in einem Doppelzimmer und erklärt, dass sie kein starkes Heimweh hat. «Dafür habe ich kaum Zeit», sagt sie schmunzelnd.

Tatsächlich ist ihr Tagesablauf stark durchgetaktet, die allgemein geltende Ausgangssperre ab 22:00 Uhr ist kein Thema, weil sie vorher schon viel zu müde ist. Beim Mittagessen – es gibt Cordon bleu, Pommes und Gemüse – erzählt Kuster, dass die Trennung für ihr Mami schwieriger gewesen sei als für sie selbst. «Sie stellt sich immer vor, dass ich in einem Lager bin und bald zurückkomme.»

Techniktraining oberhalb von Davos: Die Talente werden vielseitig ausgebildet.
Foto: BENJAMIN SOLAND

«Sie nehmen Werte fürs Leben mit»

Die Eltern von Stucki, Gansner und Kuster zahlen 13’500 Franken im Jahr – für Ausbildung, Essen und Doppelzimmer. Und natürlich für die sportliche Rundumbetreuung. Die Kantone steuern pro Schüler bis zu 20’000 Franken als Schulgeld dazu. 48 Prozent aller Schüler in Davos sind Bündner.

Mit einigen Dutzend geht es am Nachmittag mit der Parsennbahn hoch hinauf ins Skigebiet, ein Technik-Training steht an. Imboden: «Das Schönste ist, dass wir fünf Jahre mit den Schülern arbeiten können. Wir haben eine grosse Verantwortung, führen sie an die Belastung eines Spitzensportlers heran. Dabei gilt es, viele Faktoren zu berücksichtigen. Sie sind in der Pubertät, da sind Schwankungen normal.» Wichtig sei die Bereitschaft, an sich zu arbeiten – mit Spass und Fleiss. «Hier lernt man auch, zu kämpfen. Ob es dann an die Spitze reicht oder nicht, ist eine andere Sache. Aber alle nehmen wichtige Werte für ihr Leben mit», so Imboden.

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