Kraft schöpfen aus der Ruhe
Darum ist Michelle Gisin so gut wie nie

Zu viel Wind, zu gefährlich: Der Riesenslalom in Semmering (Ö) wird abgesagt. Für die Halbzeit-Dritte Michelle Gisin ein Frust, oder? Nicht wirklich.
Publiziert: 28.12.2020 um 17:08 Uhr
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Aktualisiert: 30.12.2020 um 10:46 Uhr
Mathias Germann

Mehr als 10’000 Fans verwandeln den Zauberberg am Semmering (Ö) normalerweise in eine Festhütte. Daraus schöpfen die besten Skifahrerinnen der Welt Kraft, das motiviert sie, das treibt sie voran. Doch diesmal ist alles anders. Wegen Corona, klar. Doch für Michelle Gisin sind die Geisterrennen kein Problem. Im Gegenteil. Die Engelbergerin ist in der Form ihres Lebens, sie fuhr in sieben von acht Rennen in die Top 10 und liegt im Gesamtweltcup auf Platz zwei. «Dass es nicht so viel Rummel gibt wie sonst, hilft mir. Denn so bin wohl auch ich etwas entspannter», sagt Gisin.

Heisst übersetzt: In der Ruhe liegt Gisins Kraft. Das beweist sie auch beim ersten Lauf des Riesenslaloms von Semmering. Früher eher als Langsamstarterin bekannt, legt die 27-Jährige los wie die Feuerwehr. Im oberen, flachen Teil spielt sie dabei ihre ganze Speed-Klasse aus, fährt lange in der Hocke, kantet nur sanft auf und realisiert die zweitbeste Zwischenzeit aller 71 Fahrerinnen. Und auch im Steilhang und im Finish zieht Gisin eine blitzsaubere Linie. Der Lohn: Platz 3 zur Halbzeit, nur 35 Hundertstel hinter Leaderin Petra Vlhova (Slk). Die Ski-Fans fragen sich: Rast Gisin erstmals aufs Riesen-Podest?

Die Antwort liefert kurz vor dem Start des zweiten Durchgangs ausgerechnet Petrus. Er ist nicht auf Gisins Seite. Vielmehr sorgt Petrus mit starken Windböen für die Absage des Rennens. Frustriert ist die Obwaldnerin aber nicht. «Ich wäre mega gerne nochmals gefahren, aber so ist es unmöglich», sagt sie. Tatsächlich fliegen Werbebanden durch die Luft und Absperrgitter fallen. Gisin bleibt trotz des Chaos so, wie sie sich fühlt: ruhig. «Ich habe eine stabile Grundtechnik und hoffe darum, dass ich künftig so eine Leistung wie heute auch künftig wiederholen kann.»

Michelle Gisin wird von Petrus gebremst.
Foto: keystone-sda.ch
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Druck? Nein, Befreiung!

Und wer weiss: Vielleicht zaubert Gisin ja schon am Dienstag wieder beim Slalom am Zauberberg. Fünfte und Zweite wurde sie in dieser Disziplin zuletzt in Levi (Fi). Spürt Gisin Druck? Nein, sie wirkt vielmehr befreit. «Das hat schon was», gibt Gisin zu, «denn Druck ist in meinem Fall ein Zeichen dafür, dass ich gut fahre. Und dann machts richtig Spass.»

Freude, innere Ruhe, Erfolg: Für Gisin kann es gerne so weitergehen – auch die fehlenden Fans werden sie nicht aufhalten.

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