Riesen-Spezialist Loic Meillard zur bevorstehenden Saison
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Interview mit Marcel W. Perren:Riesen-Spezialist Meillard zur bevorstehenden Saison

Loic hat besonders harte Knochen
Meillard setzt zum ganz grossen Sprung an!

Die raue Umgebung von Grande Dixence hat Loic Meillard zu einem der härtesten Skirennfahrer der Gegenwart modelliert!
Publiziert: 15.10.2020 um 01:37 Uhr
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Aktualisiert: 15.10.2020 um 22:24 Uhr
Marcel W. Perren (Text) und Sven Thomann (Fotos)

Ist dieser Mann lebensmüde? Diese Frage stellen sich an diesem Tag einige Touristen, die sich im steilen Aufstieg zur weltweit höchsten Gewichtsstaumauer Grande Dixence in Angriff befinden. Warum? Den Spaziergängern gefriert das Blut in den Adern, weil Loic Meillard vor der Linse des BLICK-Fotografen nur Zentimeter vom Abgrund entfernt zu einem verwegenen Sprung ansetzt! Doch die Aufregung ist umsonst, der konstanteste Schweizer Riesenslalom-Fahrer der letzten Saison landet bombensicher.

«Hatte nie eine Play Station»

In seiner Kindheit hat der Sohn vom ehemaligen Speedski-Schweizermeisters Jacques Meillard hier fast jeden Tag mit spektakulären Aktionen aufgewartet. «Weil ich nur wenige Kilometer von dieser Mauer in Hérémence aufgewachsen bin, war die Umgebung von Grande Dixence so etwas wie mein grosser Spielplatz. Im Gegensatz zu meinen Schulkollegen hatte ich nie eine Play Station, ich habe mich immer in der Natur beschäftigt.»

Loic deutet mit seinem Finger in die eindrückliche Gebirgskette, die über der 285 Meter hohen Staumauer thront. «Als ich sechs Jahre alt war, hat mein Papa mit Freunden in diesen Bergen eine ziemlich ambitionierte Tour geplant. Ich machte meinem Vater klar, dass ich bei dieser Tour mitmachen will. Er willigte unter der Bedingung, dass er mich auf diesem anstrengenden Marsch kein einziges Mal jammern hören will, ein.»

Der Schweizer Riesenslalom-Spezialist Loic Meillard (23) beim Training auf der Diavolezza.
Foto: keystone-sda.ch
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Und tatsächlich: Der kleine Meillard hat seine ersten grossen Berg ohne Murren erobert.

«Gehört zu den härtesten Knochen im Ski-Zirkus»

«Auf dem Gipfel habe ich deshalb von den Erwachsenen einige sehr erstaunte Blicke geerntet.» Das der mittlerweile 23-Jährige von seiner Kindheit in den Bergen im Unterwallis regelrecht abgehärtet wurde, weiss auch sein Trainer Helmut Krug. «Ich habe in meinem Leben schon einige starke Athleten betreut, aber Loic gehört definitiv zu den härtesten Knochen im Ski-Zirkus.» Der gebürtige Österreicher erinnert sich ganz besonders an die Leidensfähigkeit, die seinen Schützling im letzten Winter ausgezeichnet hat: «Obwohl Loic in der letzten Saison lange von Beschwerden, die von der Hüfte ausgingen, geplagt wurde, fuhr er im Riesenslalom von Garmisch auf den zweiten Platz und sicherte sich mit einem Sieg in Chamonix die kleine Kristallkugel im Parallel-Riesenslalom.»

Mit Schnittwunde am Bein zu Rang sieben

Und selbst nach einem blutigen Unfall beim Tiefschneefahren in Japan, wo er Ende Februar eine tiefe Schnittwunde seitlich des Schuhrandes davon trug, stand der in Neuenburg geborene Walliser ganz schnell wieder auf. Helmut Krug ist überzeugt, «dass die meisten anderen Athleten nach einem solchen Zwischenfall die Saison vorzeitig abgebrochen hätten. Aber Loic fuhr zehn Tage später in Hinterstoder auf den siebten Rang. Das war unter diesen Umständen schon sehr beeindruckend.»

Dass Meillard aussergewöhnliche Kämpfer-Qualitäten verkörpert, offenbarte sich bereits auf seinem ersten Berufsweg. Im Gegensatz zu den meisten anderen Skirennfahrern der heutigen Zeit, absolvierte der Bruder von Melanie keine Ausbildung in einer Sportschule, sondern eine ganz normale Banklehre. «Obwohl ich im ersten Lehrjahr in der Berufsschule knapp genügende Noten hatte, forderte die Schulleitung bei meinem Ausbildungsbetrieb, dass ich das Jahr wiederhole. Sie waren der Meinung, dass ein Lehrling, der im ersten Jahr knapp genügen würde, in den folgenden Jahren keine Chance hätte.»

In den Trainingsläufen starken Eindruck hinterlassen

Doch Loic setzte sich auch hier in seiner einzigartigen Manier durch: «Ich war mir sicher, dass ich die Lehre ohne diese Extrarunde schaffen würde, und zum Glück hat mich mein Lehrmeister in meinem Vorhaben voll unterstützt. Und im Endeffekt habe ich diese Ausbildung ja dann auch in der normalen Zeit mit einer genügenden Note abgeschlossen.»

Ein überdurchschnittliches Ergebnis dürfen wir am Sonntag beim Weltcupauftakt in Sölden von Loic Meillard erwarten – dem Edeltechniker geht es körperlich deutlich besser als im letzten Winter. Und in den jüngsten Trainingsläufen auf der Diavolezza hat Meillard genau wie Marco Odermatt und Gino Caviezel einen sehr starken Eindruck hinterlassen.

Am kommenden Sonntag startet die neue Weltcup-Saison der Herren. Es steht ein Riesenslalom in Sölden auf dem Programm.

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