Schweizer packen aus
So teuer ist eine Tennis-Karriere

Das Leben auf der Tour frisst bei jedem Tennisprofi Geld in rauen Mengen. Schweizer Exponenten gewähren Einblick in ihre gnadenlose Finanzwelt.
Publiziert: 01.07.2023 um 15:40 Uhr
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Aktualisiert: 02.07.2023 um 08:51 Uhr
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Marco PescioReporter Sport

Ylena In-Albon (24) machte vor einem Monat bei ihrer erstmaligen Teilnahme an den French Open grosse Augen. Die Walliserin hatte sich über die Qualifikation ins Hauptfeld von Paris gekämpft. Sie schied dort zwar aus, verdiente aber immer noch 69’000 Franken. «Eine enorme Summe», wie die Weltnummer 160 hinterher zu verstehen gab. «Enorm» für eine Spielerin von ihrem Format, die sich auf der Schwelle zwischen kleineren ITF-Bewerben und WTA-Turnieren befindet und damit den Grossteil der aktuellen Profis in der Schweiz repräsentiert. Sie gehören zwar zur (erweiterten) Weltspitze, decken aber oftmals nur grad die eigenen Kosten.

In-Albons Beispiel zeigt, wie wichtig die Teilnahme an Grand-Slam-Turnieren ist. Wie Roland Garros schüttet auch Wimbledon in diesem Jahr ein neues Rekord-Preisgeld aus. Total 50,88 Millionen Franken sind es 2023 in London. Allein die Teilnahme an der ersten Hauptrunde ist über 62’000 Franken wert.

Preisgeld Wimbledon 2024 – für Frauen und Männer

Sieger/in: 3'627'436 Franken

Finalverlierer/in: 1'870'396 Franken

Halbfinal: 963'537 Franken

Viertelfinal: 498'772 Franken

Vierte Runde: 306'065 Franken

Dritte Runde: 192'708 Franken

Zweite Runde: 124'693 Franken

Erste Runde: 80'484 Franken

Total-Preisgeld für sämtliche Wimbledon-Bewerbe aller Kategorien: 56,68 Mio. Franken

Sieger/in: 3'627'436 Franken

Finalverlierer/in: 1'870'396 Franken

Halbfinal: 963'537 Franken

Viertelfinal: 498'772 Franken

Vierte Runde: 306'065 Franken

Dritte Runde: 192'708 Franken

Zweite Runde: 124'693 Franken

Erste Runde: 80'484 Franken

Total-Preisgeld für sämtliche Wimbledon-Bewerbe aller Kategorien: 56,68 Mio. Franken

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Voller Einsatz – auch finanziell: Dominic Stricker investiert derzeit alles in seine Karriere.
Foto: keystone-sda.ch
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Schafft es ein Profi in die Top 100 der Welt (was ein Hauptfeld-Ticket bedeutet) und vermag er sich dort zu halten, ist durch die vier Majors in einer Saison bereits ein solides Grundeinkommen garantiert. Beruhigende Planungssicherheit, die es in diesem Sport sehr selten gibt und in der Regel nur für die Allerbesten gilt.

Nur: Wer wie In-Albon keinen dieser begehrten zweistelligen Plätze in der Weltrangliste ergattert hat, muss sich anders behelfen. Reisen, Unterkünfte, Verpflegung, Ausrüstung, physiotherapeutische und medizinische Behandlung – das alles macht das Leben auf der Tour äusserst kostspielig. Geschweige denn ein ständig mitreisender Coach oder Physiotherapeut.

Bei Challenger-Turnieren, also Events zweiter Stufe bei den Männern, gibts bei einer Erstrundenniederlage um die 700 Euro. Und In-Albon verdiente jüngst in Valencia beim kleinen WTA-125-Turnier bei ihrem Auftakt-Out 1000 Euro. Hätte sie in Südspanien triumphiert, hätte die Prämie rund 15'000 Franken betragen. Wobei in allen beschriebenen Fällen noch die Quellensteuer abgezogen werden muss.

Hüsler hat Budget hochgeschraubt

Marc-Andrea Hüsler (27), als Weltnummer 83 aktuell der bestklassierte Schweizer, hat nach seinem Durchbruch im Vorjahr sein Budget angepasst. Gegenüber SonntagsBlick gewährt der Zürcher Einblick in seine grobe Planung: «Davor rechnete ich mit etwa 100'000 Franken im Jahr, jetzt ist es ungefähr das Doppelte.» Nicht eingerechnet seien hier Spesen, die er abseits der Tour zu Hause in der Schweiz auch zu stemmen hätte.

Hüslers Zahl entspricht in etwa dem Betrag, den der Schweizer Verband vor ein paar Jahren errechnete. Damals kam Swiss Tennis auf rund 150’000 Franken für eine Saison, wobei dies «ein Durchschnittswert einer höchst individualisierten Sportart» darstelle.

Der Grund für Hüslers Budgeterhöhung ist karrieretechnisch logisch: Will er weitere grosse Schritte machen und in der Elite bestehen, braucht es ideale Rahmenbedingungen. Hierfür hat er Manager Ronnie Schildknecht ins Boot geholt, der unter anderem die Medienarbeit macht. Fitnesscoach Thiemo Scharfenberger beförderte er zum Hauptcoach, der an alle Turniere mitreist. Einen Physio spart er sich, dafür nimmt er jenen vom jeweiligen Turnier in Anspruch und damit auch in Kauf, auf der Anlage mal länger auf einen Termin warten zu müssen.

Hüsler sagt ganz grundsätzlich: «Ich schätze mich extrem glücklich, dass ich überhaupt die Chance hatte, in meine Karriere zu investieren. Das ging nur dank meiner Eltern und grosszügiger Sponsoren.» Seit er sich finanziell von Swiss Tennis losgelöst hat, ist ihm noch mehr bewusst: «Man muss immer weiter investieren.» Auch bei ihm gilt nach wie vor: Sieht eine Prämie auf dem Papier zunächst hoch aus, ist sie im Nu weg.

Ausnahmefall Stricker plant mit halber Million im Jahr

Davon kann auch Stephan Stricker ein Liedchen singen. Der Vater von Top-Talent Dominic Stricker (20) managt dessen Karriere. Er rechnet vor: «Als Domi im Mai das Challenger-Turnier in Prag gewann, gab es umgerechnet 9600 Franken Preisgeld. Er hatte zu diesem Zeitpunkt Trainer Didi Kindlmann sowie einen Physio dabei. Insgesamt waren jene Tage für uns ein Minus von 10’000 Franken.» Bei einer absoluten Vollkostenrechnung versteht sich.

Bei der aktuellen Weltnummer 117 wird aufs Jahr mit rund einer halben Million Franken geplant, womit der aufstrebende Profi im nationalen Vergleich auf dieser Stufe eine absolute Ausnahme darstellt.

Stricker, der 2020 den Juniorentitel an den French Open gewann, ist auch bei Sponsoren sehr gefragt. Und allesamt haben sie dasselbe Ziel: Dass der junge Berner bald die Top 100 knackt und voll durchstartet. Stephan Stricker sagt: «Wir sagen uns ganz klar: Die nächsten zwei Jahre investieren wir. Jetzt entscheidet sich, wo es hingeht. Unsere Strategie ist: All-in!»

Es ist genau das, was Davis-Cup-Captain und Ex-Federer-Coach Severin Lüthi (47) kürzlich im Blick von jungen Spielern forderte. Er sagt: «Das zeigt mir auch, wie fest einer wirklich an sich glaubt.»

Während der Grundausbildung und oft auch darüber hinaus können Schweizer Tennisspieler auf Unterstützung des Verbands zählen. Swiss Tennis investiert jährlich 700’000 Franken in internationale Turniere, die hierzulande ausgetragen werden. Damit garantieren sie den einheimischen Talenten Startplätze und geringe Reisekosten.

Nachwuchsspieler können auf Verbandsstufe gratis oder zu gutem Preis trainieren, wie Alessandro Greco, Leiter Spitzensport, erklärt: «Und irgendwann müssen sie dann ein eigenes Start-up gründen. Und zwar zum Zeitpunkt, wenn jemand auf dem Sprung in die Top 300 ist.» Insgesamt investiert der Verband «auf eine sehr flexible und dienstleistungsorientierte Art» über alle Altersstufen hinweg rund drei Millionen Franken in den Spitzensport.

Hüsler: «Geld ist nicht meine Hauptmotivation»

Swiss Tennis stellt dann, je nach Fall, eine Anschubfinanzierung zur Verfügung. Bei Jil Teichmann (25, WTA 129) habe diese beispielsweise – nebst Vermittlung von einigen Sponsoren – rund 50’000 Franken pro Jahr betragen. Wie hoch sie ausfällt oder über welchen Zeitraum sie benötigt wird, werde individuell angeschaut. «Bei Roger Federer war nach ein, zwei Jahren keine mehr nötig», sagt Greco schmunzelnd und fügt an: «Wir sind in unserem Konzept sehr flexibel, weil wir auch nicht so viele Spieler haben wie grössere Nationen.» Stricker etwa sei Verbandstrainer Sven Swinnen zu gegenseitig vereinbarten Konditionen zur Seite gestellt worden, nun muss sich das Talent aber selbst tragen.

Je nach Vereinbarung kann es auch sein, dass ein Profi mit dem Verband einen Payback-Vertrag abgeschlossen hat. Sprich: Er muss die erbrachte finanzielle Unterstützung für sein Start-up zu einem Teil zurückzahlen. «Zu maximal 50 Prozent», wie Greco festhält.

Auch das zeigt: Um in der Karriere richtig gutes Geld zu verdienen, muss man auch richtig weit nach oben kommen. Vater Stricker sagt: «Ab den Top 20 beginnt es sich auch für die Zukunft wirklich zu lohnen.» Und Hüsler betont derweil, dass es im Grundsatz ja um ganz etwas anderes gehe: «Geld ist im Tennis nicht meine Hauptmotivation. Es ist immer noch eine Leidenschaft für mich.»

Wimbledon 2024

Daten: Montag, 1. Juli bis Sonntag, 14. Juli

Die Schweizer: Viktorija Golubic, Stan Wawrinka, Dominic Stricker

Titelverteidigerin: Markéta Vondroušová (Tsch)

Titelverteidiger: Carlos Alcaraz (Spa)

Daten: Montag, 1. Juli bis Sonntag, 14. Juli

Die Schweizer: Viktorija Golubic, Stan Wawrinka, Dominic Stricker

Titelverteidigerin: Markéta Vondroušová (Tsch)

Titelverteidiger: Carlos Alcaraz (Spa)

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