Im Tenniszirkus brodelt es gewaltig
Geldgier-Vorwürfe, Preisgeld-Ärger, Frust und Chaos

Vorwürfe der Geldgier, Zoff um Preisgeld und Ranking, Frust in Corona-Bubbles. Im Tenniszirkus brodelt es gewaltig. Und während Roger Federer sich in nobler Zurückhaltung übt, brüllen andere umso lauter.
Publiziert: 06.04.2021 um 17:37 Uhr
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Aktualisiert: 12.04.2021 um 15:27 Uhr
Cécile Klotzbach

Die Tennisprofis spalten sich derzeit in zwei Lager. Die einen – deren namhafteste Vertreter sind Roger Federer und Rafael Nadal – stehen zu ihrer Spielervereinigung ATP. Sie sind der Meinung, dass es zu diesen schwierigen Pandemie-Zeiten mehr denn je eine geeinte, nicht zerstrittene Tenniswelt braucht. Die anderen hadern schwer damit, fühlen sich durch die ATP mangelhaft vertreten.

Es sind diejenigen, die sich der von Novak Djokovic im letzten September ins Leben gerufenen PTPA anschliessen. Sie ergreifen laut die Stimme – wie kürzlich in Miami Djokovic-Unterstützer Vasek Pospisil. Der Kanadier geriet in einen persönlichen Streit mit ATP-Boss Andrea Gaudenzi, der in einem Wutausbruch auf dem Platz eskalierte und für einen Überdruck im Dampfkochtopf der Tennis-Eitelkeiten sorgte.

Neben zahlreichen PTPA-Anhängern – darunter Ryan Harrison, Ivo Karlovic, John Isner, Milos Raonic und natürlich Djokovic – unterstützt auch Denis Shapovalov (Ka, 21) seinen Landsmann: «Ich habe das Gefühl, dass wir nicht bestmöglich vertreten werden.» Es gäbe Spieler, die mit Vorschlägen zu helfen versuchten. «Aber das scheint die ATP nicht zu schätzen. Sie wollen nur, dass wir Tennis spielen. Eine Partnerschaft sieht anders aus.»

Roger Federer und Rafael Nadal ziehen am gleichen Strang: Die Spieler sollten in Einigkeit, nicht im Zwist durch diese schwierigen Zeiten gehen.
Foto: keystone-sda.ch
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Turnier-Bubbles gehen ans Mentale

Das Problem: Die Vereinigung PTPA hat noch immer keinen klaren Auftritt, keine Agenda. Stattdessen herrscht Chaos, der Frust nimmt auch bei vielen anderen Spielern zunehmend zu. Der Australier Nick Kyrgios verzichtet auf Einsätze, der Franzose Benoît Paire tritt lustlos an, schenkt Spiele ab und skandalisiert, indem er auf Social Media Kanälen offen dazu steht. Auch Dominic Thiem kämpft in der derzeitigen Lage mit Motivationsproblemen, will darum erst später als geplant in die Sandplatz-Saison einzusteigen.

Ins selbe Horn blies schon vor einiger Zeit der Deutsche Alexander Zverev (23). Er kritisiert den angepassten Turnierkalender der ATP, der die Spieler von einer Turnier-Bubble in die nächste schickt. «Sie sollten mehr auf die Länder hören, in denen wir gerade sind. Sonst wird es mental schwer für uns.» Zverev hatte deshalb wie Djokovic gefordert, alle Turnier an einem Ort auszutragen, um das Risiko zu minimieren. Aber: «Das hat die ATP nicht interessiert, unsere Meinung ist nicht deren Priorität. Die sind mehr für die Turnier-Veranstalter da und nur darauf fokussiert, das Finanzielle in Ordnung zu halten. Das ist schade, denn die ATP sollte für die Spieler da sein.»

Das Finanzielle ist eines der grossen Themen, weil die Preisgelder so massiv gekürzt wurden. Den Bossen wird Geldgier vorgeworfen. «Die Spieler sollen eine Kürzung der Preisgelder von bis zu 80 Prozent hinnehmen, während die ATP-Manager weiterhin vollen Lohn, Sozialleistungen und Spesen erhalten. Das erscheint mir ein bisschen scheinheilig», schrieb Isner auf Twitter.

Um Federer ist es still

Zverev nimmt auch kein Blatt vor den Mund, wenns ums aktuelle Corona-Rankingsystem geht. Seiner Meinung nach dürfte er, die aktuelle Nummer 7 der Welt, momentan niemals eine Position hinter dem ein Jahr lang pausierenden Federer klassiert sein. Der Schweizer – wie Nadal nicht in Miami vor Ort – äusserte sich indes schon länger nicht mehr zur anhaltenden Tennis-Schlammschlacht, was ihm das australische Internet-Portal news.com.au etwas krumm nimmt. Obwohl Federer seit dem Pospisil-Skandal durchaus im sozialen Netz aktiv gewesen sei – aber nur als neuer Werbebotschafter für «Schweiz Tourismus» – hüllte sich das Aushängeschild des Tennis schlechthin in Stillschweigen.

Dafür brüllen andere um so lauter – wofür ATP-Board-Direktor Herwig Straka wiederum nur bedingt Verständnis hat. «Reduziert man das Preisgeld in Zeiten von Corona nicht, wird es keine Turniere mehr geben», so der Österreicher. Es sei wie bei einer Firma: Entweder Gehälter reduzieren und Stellen abbauen oder die Firma geht pleite. «Alles andere wäre wirtschaftlicher Selbstmord. Die meisten Spieler haben dafür auch das nötige Verständnis – nur manche meinen, sie müssten in die Märtyrerrolle schlüpfen.» Bei diesen sieht er ein Interesse, die Vereinigung wegen persönlicher Interessen und Animositäten zu destabilisieren. «Das ist sehr schade, ist die ATP doch eine Organisation, in der die Spieler fünfzig Prozent Mitentscheidungsrecht haben. Das gibt es sonst nirgends.»

Ein Spieler, der das durchaus so sieht, ist Alexander Bublik (23): «Ich werde nicht gegen die ATP kämpfen, denn mir macht mein Beruf immer noch Spass und letztlich füttert uns die ATP», sagt der Kasache. Und weiter: «Ich sehe da nicht, was Djokovic mit seiner PTPA ausrichten kann. Aber wenn er mir zu mehr Geld verhilft, nehme ich das gerne an.»

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