Siebenfache Paris-Siegerin Evert vor French Open besorgt
«Federer hat den Instinkt verloren»

Von den Schweizern ist nicht viel zu erwarten in Roland Garros. Sogar an Roger Federer glaubt niemand.
Publiziert: 28.05.2021 um 16:55 Uhr
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Aktualisiert: 28.05.2021 um 17:36 Uhr
Cécile Klotzbach

Im Männermagazin «GQ» blickte Roger Federer vor kurzem in die Vergangenheit, erinnerte sich leicht wehmütig, wie leicht der Tenniszirkus noch war, als noch nicht zentnerschwere Erwartungen auf seinen Schultern lasteten.

Ein Blick in die nahe Zukunft offenbart dem 39-jährigen Jungsenior eine ähnlich unbelastete Ausgangslage wie zu Jünglingszeiten. Bei den Sonntag startenden French Open ist Federer Aussenseiter – kein Mensch erwartet in Paris grosse Taten von ihm.

Start gegen Qualifikant

Er selbst stellte die Dinge bereits klar. Seinen Körper vergleicht er mit einem Flugzeug in der Wartungsphase. Zunächst müsse die erste Landung reibungslos erfolgen, dann zeige sich, wohin er noch fliegen könne. Paris ist nur der Weg zum Ziel: Wimbledon, das nur zwei Wochen nach den French Open stattfindet. Wenig Zeit also für das Aneignen von Matchpraxis und Turniergefühl – jede Runde in Paris ist deshalb Gold wert.

Roger Federer gibt an den French Open sein Grand-Slam-Comeback.
Foto: imago
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Die erste Unze darf Federer gegen einen Qualifikanten ausgraben. Viel tiefer scharrt der Goldgräber noch nicht: «Es wäre vermessen zu behaupten, ich hätte nach meiner Verletzung und über einem Jahr Pause in Roland Garros Siegeschancen.»

Mit der Selbsteinschätzung rennt die Weltnummer 8 bei Kennern der Szene offene Türen ein. «Das ist ehrlich», lobt Boris Becker. Die deutsche Tennislegende hofft, dass der Schweizer in Paris überhaupt die zweite Woche erreicht. «Er kann keine grösseren Erwartungen haben.»

«Körper wird leiden, wenn er über 5 Sätze muss

Die siebenfache Paris-Siegerin Chris Evert – Federer-Fan und selten überkritisch – sagt sogar: «Er hat den Instinkt verloren.» Ein Affront gegenüber dem 20-fachen Major-Rekordchampion? Eher Besorgnis. «Er spielte in letzter Zeit nicht viel, da verlierst du Selbstvertrauen und auch die Vorfreude, die unter den Besten existiert.»

Von denen sei Federer körperlich weit entfernt, meint «Eurosport»- Expertin Barbara Schett. «Sein Körper wird stark leiden, wenn er über fünf Sätze kämpfen muss», so die 45-jährige Österreicherin, die mit 28 mit Tennis aufhörte. «Schon ich fühlte mich damals zu alt.»

Auch die Buchmacher setzen keinen Pfifferling auf den Paris-Sieger 2009. Er liegt in einer Zusammenfassung mehrerer Wettanbieter auf dem miserablen 11. Rang. Dies vor Bekanntgabe der Auslosung, die Federer in die gleiche Tableauhälfte der Topfavoriten Novak Djokovic (möglicher Viertelfinal-Gegner) und Rafael Nadal (Halbfinal) schickt. Unten tummeln sich Mitfavoriten des erweiterten Kreises in ihrer Hälfte: Alexander Zverev, Dominic Thiem, Stefanos Tsitsipas...

Weitere Schweizer in Paris

Aber Federer ist ja nicht der einzige Schweizer in Paris – wie sieht es mit unseren anderen Vertretern aus? Andere Jahre hätte man zum erweiterten Favoritenkreis noch Paris-Champ Stan Wawrinka genannt. Doch 2021 tritt der Romand nicht an, der operierte Fuss will noch nicht. Und beim auf Rang 150 abgerutschten Henri Laaksonen sind wir schon froh, übersteht er heute (Freitag) die Runde 3 der Qualifikation.

Bei den Frauen mischen mit Belinda Bencic (WTA 11) und Viktorija Golubic (72) immerhin zwei «Suisses» mit. Vielleicht aber auch noch Stefanie Vögele (131) und Susan Bandecchi (219), die ebenfalls heute ihr 3. Qualimatch spielen.

Grosse Zweifel bestehen aber, ob eine von ihnen in Woche 2 noch eine Rolle spielt. Bencic trifft in der Startrunde auf Nadia Podoroska (WTA 42), die Argentinierin schaffte es bei den letzten French Open im Herbst als Qualifikantin bis in die Halbfinals. Dazu liegt der Sandbelag der 24-jährigen Ostschweizerin nicht besonders, mehr als Runde 3 in Paris lag für Bencic nie drin. Ihr Viertelfinal in Madrid liess hoffen, die Startpleite in Rom dann allerdings weniger.

Vielspielerin Golubic verbesserte sich seit Anfang Jahr im Ranking zwar um 66 Plätze. Seit ihrem ersten Sieg an einem Major 2016 verlor sie in Paris aber nur noch. Ihr Auftakt gegen die Estin Anett Kontaveit (WTA 31) dürfte ein schwieriger werden.

Bitter für die Schweiz: Die in Barcelona aufgewachsene Jil Teichmann (WTA 53) liebt Sand und sie wäre in Form – vor Kurzem schlug sie mit Elina Switolina die Nummer 5 der Welt. Aber Teichmann verletzte sich beim Turnier in Strassburg am Fuss und musste ihre Teilnahme absagen.

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