In der Kunstturn-Nati der Frauen rumpelts wieder
Trainerin Bruce-Martin muss gehen

In der Kunstturn-Nati der Frauen kommt es zu einem Wechsel an der Spitze. Nach dem schwachen Abschneiden an der EM im April trennt sich der Verband von Cheftrainerin Wendy Bruce-Martin. Nachfolger wird ad interim der Franzose und bisherige Assistent Frank Kistler.
Publiziert: 24.05.2023 um 13:17 Uhr
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Christian FinkbeinerStv. Fussballchef

Der Entscheid ist das Ergebnis einer umfassenden strategischen Analyse nach der an der EM vorzeitig verpassten Olympia-Qualifikation mit dem Team. Es ist aber auch die Folge des Ist-Zustands im nationalen Leistungszentrum in Magglingen. «Was Wendy gemacht hat, war unheimlich wichtig für uns», sagt Chef Spitzensport David Huser. «Nun braucht es aber eine Weiterentwicklung.»

Der STV befindet sich inmitten eines Kulturwandels. Nach den vor drei Jahren öffentlich gewordenen Missständen innerhalb des Verbandes, die Blick, die «NZZ» sowie «Das Magazin» aufgedeckt hatten, und die eine Untersuchung der neu geschaffenen Ethik-Kommission bestätigte, startete der STV einen Neuanfang.

Unter der Leitung von Huser und der neuen STV-Direktorin Béatrice Wertli leitete der Verband diesen Wandel ein. Der sogenannte «Schweizer Weg» wurde proklamiert. Hinzu kam im Herbst 2021 der Rücktritt von Giulia Steingruber. Diese hatte mit ihren herausragenden Erfolgen – sechs EM Titel, je eine WM- und Olympia-Bronzemedaille – ein Jahrzehnt lang so manches überdeckt.

Wendy Bruce-Martin verlässt nach eineinhalb Jahren den STV.
Foto: BENJAMIN SOLAND
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Ein langwieriger Prozess

Aufgrund der Missstände, der festgefahrenen Strukturen und dem Mangel an Spitzen-Athletinnen wurde Olympia 2028 als Fernziel ausgerufen. Im Fokus stand der Aufbau eines neuen Systems. Neben einer unabhängigen Ethik-Kommission gibt es neu ein Institut für Sportwissenschaften in Magglingen. Neue Stellen für Physiotherapeuten wurden geschaffen, die Zusammenarbeit mit Ärzten und Mentaltrainern verstärkt. Auch mit den regionalen Leistungszentren wird enger und näher zusammengearbeitet.

Ein Kulturwandel im grössten Sportverband des Landes ist aber nicht von heute auf morgen realisierbar. Schliesslich muss dieser von diversen Stakeholdern mitgetragen werden, hinzu kommen individuelle Befindlichkeiten. In Entstehung ist ein neues Förderungskonzept, das sich an dem FTEM-Modell von Swiss Olympic orientiert und im neuen Jahr in Kraft treten soll. Darin werden alte Strukturen aufgebrochen. Ein Beispiel: Der Wechsel ins Nati-Kader nach Magglingen im 16. Lebensjahr und dem Eintritt ins Elite-Alter ist nicht mehr zwingend. Der Trend geht in die andere Richtung. Die jungen Frauen sollen während der frühen Pubertät nicht aus ihrem persönlichen Umfeld herausgerissen werden.

«Unser Ziel muss sein, dass die Frauen zwischen 18 und 25 ihren Leistungszenit erreichen und ihr Leistungspotenzial voll ausschöpfen können», sagt Huser. Zu viele Talente wie Anina Wildi, Leonie Meier, Livia Schmid oder Anastassia Pascu wurden zuletzt durch Verletzungen als Teenager zurückgeworfen und konnten ihr Portenzial nicht abrufen.

Start des neuen Olympia-Zyklus'

Bruce-Martin trug den Kulturwandel des STV mit, nachdem die Amerikanerin im Herbst 2021 inmitten der grossen Krise als Hoffnungsträgerin gekommen war. Sie sorgte für eine angstfreie Atmosphäre in der Turnhalle, übertrug den Athletinnen mehr Selbstverantwortung. Für viele wirkte dies befreiend. Die Athletinnen wurden aber auch aus ihrer Komfortzone gelockt, womit einige überfordert waren. Diese Übergangsphase ist nun abgeschlossen. Auch, weil es sportlich weniger gut lief als erhofft.

Nach dem schwachen Abschneiden an der EM 2022 verpassten die Frauen im April mit Platz 17 in der EM-Teamwertung die Quali für die WM im Herbst, was gleichbedeutend mit dem Olympia-Aus ist. Lena Bickel und die aus Italien zurückgekehrte Caterina Cereghetti kämpfen an der WM um Einzel-Tickets für Paris 2024. Aus Sicht des STV hat für die Frauen-Nati allerdings bereits der neue Olympia-Zyklus begonnen. Mit dem Fernziel Los Angeles 2028. Und mit einem neuen Cheftrainer.

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