«Lokomotive Lenz» macht Dampf
Unsere Biathleten sind jetzt auch Fussballer

Sie ballern treffsicher auf Scheiben – und nun auch auf Fussballtore. Die Schweizer Top-Biathleten haben zum Spass einen eigenen Klub gegründet. Und ganz viel Leidenschaft reingesteckt.
Publiziert: 18.10.2023 um 14:08 Uhr
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Aktualisiert: 18.10.2023 um 14:50 Uhr
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Marco PescioReporter Sport

Ihre Augen leuchten so, als hätte man ihnen gerade prophezeit, sie würden im kommenden Februar eine WM-Medaille gewinnen. Doch nein, es geht für die Biathlon-Brüder Sebastian (25) und Gion Stalder (24) noch nicht um den Grossanlass im tschechischen Nove Mesto. Sondern: um Fussball. Und um das nigelnagelneue Trikot, das sie in den Händen halten.

Es ist das Resultat eines zwei Jahre lang gesponnenen Traums von einem eigenen Fussballklub. Im Trainingslager in Oberhof (De) hatte das Schweizer Biathleten-Team damals spontan einen Kick gegen die italienischen Langläufer organisiert. 60 Minuten lang ging es um Ruhm und Ehre, wobei sich Sebastian Stalder lachend erinnert: «Während die Italiener ihre Serviceleute und Trainer reingeworfen haben, sind wir noch selbst angetreten.» Das Ergebnis: ein prestigeträchtiger 1:0-Sieg für die Schweizer.

«Danach haben wir immer gewitzelt, dass wir eigentlich mal Trikots machen müssten», so der Ältere der Stalder-Brüder. In diesem Sommer wurde dann aus dem Jux ein handfestes Projekt. Und natürlich brauchte der inoffizielle Verein auch einen klangvollen Namen, woraufhin sich die Beteiligten alsbald auf «Lokomotive Lenz» einigten. Seine Heimstätte liegt unweit der Biathlon-Arena von Lenzerheide, auf einem kleinen Kunstrasenplätzchen in Lantsch/Lenz GR, das im Winter als Natureisfeld genutzt wird.

Gion (l.) und Sebastian Stalder posieren im brandneuen Trikot von Lokomotive Lenz.
Foto: Manuel Geisser
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Ein Nähkurs bei Mama

Gion Stalder und Niklas Hartweg (23) klemmten sich dahinter und entwarfen sowohl das Trikot als auch das Logo. Daraufhin nahm Joscha Burkhalter (27) einen Crash-Nähkurs bei seiner Mutter und finalisierte das schicke, hellblaue Textil. Wobei sich beim Betrachten sofort eine Frage aufdrängt: Haben sich die Biathleten beim Design von Manchester City inspirieren lassen? «Könnte sein», sagt Hartweg schmunzelnd.

Wobei der mit zwei Einzel-Weltcup-Podestplätzen erfolgreichste Schweizer vom vergangenen Winter erklärt, dass es ihnen vor allem um die Ästhetik ging – und weniger um die Liebe zu den Skyblues. Wenn sich Hartweg auf einen Verein festlegen müsste, «dann wäre es Bayern München». Das Herz der Geschwister Stalder aus Wald ZH schlägt derweil klar für den FCZ.

Praktisch alle der 50 bestellten Trikots waren im Nu weg. «Wir hätten nicht gedacht, dass es derart gut ankommen würde. Alle wollten eines – auch das Frauen-Team und die Betreuer zeigten sich begeistert», berichtet Gion Stalder, der anfügt: «Aus dem Erlös haben wir uns prompt noch Trainingsleibchen gegönnt.»

Möglich war dies auch, weil mit dem ehemaligen Langläufer Battista Bovisi (61), dessen Sohn Sandro (26) auch Teil der Schweizer Biathlon-Equipe ist, ein Hauptsponsor gefunden wurde. Sebastian Stalder erklärt: «Wir wollten einfach unbedingt einen Aufdruck auf dem Trikot. Es ging uns nicht ums Geld – wir hätten es auch für ein 20er-Nötli gemacht.» Doch die Hobbyfussballer hatten Glück: Battista Bovisi zeigte sich grosszügiger.

Bereits ein Stern auf der Brust

Allerdings: Ein Teamfoto im neuen Gewand ist bislang keines entstanden. Das liegt auch daran, dass das Kicken – je näher der Winter kommt – immer seltener wird. Und vor allem vorsichtiger. Ende November steht der Weltcup-Startschuss in Östersund (Sd) an.

Das Ziel ist es jedoch klar: Die Lokomotive muss ins Rollen kommen. In künftigen Trainingslagern sollen wieder andere Nationen herausgefordert werden. So wie vor zwei Jahren.

Jener Prestige-Sieg hallt bis heute nach – und ist gar auf dem Trikot verewigt. Er ist der Grund, weshalb oberhalb des Logos bereits ein Stern prangt. Wofür im Profi-Fussball normalerweise ein Weltmeistertitel oder der Gewinn von zehn Meisterschaften nötig sind, reicht den Biathleten der eine legendäre Triumph von Oberhof.


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