Blaumacher aufgepasst
Wenn du den Chef anlügst, drohen drastische Konsequenzen

Angestellte melden sich krank, machen sich dann aber einen schönen freien Tag. Fliegt der Schwindel auf, können rechtliche Massnahmen folgen. Hier erfährst du, was dir drohen kann.
Publiziert: 29.06.2024 um 17:37 Uhr
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Aktualisiert: 29.06.2024 um 19:13 Uhr

Der Sommer ist da. Das zieht die Menschen in die Natur. Ab in die Badi, in den schattigen Wald oder in die Berge. Blöd nur, wenn man keine Ferientage mehr hat. Die Lösung für findige Angestellte: blaumachen.

Den Vorgesetzten vorschwindeln, dass der Kopf schmerzt, während man aber eigentlich am See die Sonne geniesst. Oder mit dem Velo über die Strassen saust. Doch das Ganze fliegt auf, wenn einen dann Arbeitskollegen oder -kolleginnen, die in den Ferien sind, sehen und das melden – oder wenn im schlimmsten Fall ein Unfall passiert und man diesen bei der Firma melden muss.

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Erwischen Arbeitgebende Blaumacher, droht im schlimmsten Fall die Kündigung und die – vermeintlich – Kranken müssen unter Umständen die Kosten selbst übernehmen. Doch es gibt auch Mittelwege, die nicht grad mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses einhergehen. Arbeitsexperten ordnen ein:

Wer keine Ferien bekommt, ist versucht, einfach blauzumachen.
Foto: Keystone
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Toleranz am Arbeitsplatz

Marie-Christin Kamann ist CEO von «quitt» und kümmert sich in dieser Rolle tagtäglich um die korrekte Anstellung & Abrechnung von privaten Hausangestellten. Sie kennt beide Seiten der Medaille, da sie als Chefin ihrer Firma mit der Problematik konfrontiert ist. Würde einer oder eine ihrer Mitarbeitenden lügen und blaumachen, wäre das für sie nicht gleich ein Grund zur Kündigung: «Wichtig ist, dass man mit den Mitarbeitenden das Gespräch sucht und ihr oder ihm die Chance gibt, sich zu erklären», so Kamann.

Es bleibe also meistens bei einer Verwarnung, doch bei einem Wiederholungsfall könne durchaus eine Kündigung drohen. Schlimmer wiege jedoch der Vertrauensbruch, der bestehen bleibt, wenn einer oder eine der Angestellten lügt: «Das ist schlecht für das Arbeitsverhältnis und auch für zukünftige Abmachungen», sagt Kamann.

Sie erinnert sich an einen Fall, den sie selbst mit einer Mitarbeiterin erlebt hatte. Diese habe sich krankgemeldet und den Nachmittag mit den Kindern im Schwimmbad verbracht. Den Ausflug postete sie auf Social Media, worauf Mitarbeitende der Firma ihre Chefin darauf aufmerksam machten.

Klar, die Entdeckung habe sie nicht gefreut. Aber Kamann wollte der Mitarbeiterin die Chance geben, sich zu erklären: «Sie sagte mir, dass es ihr wirklich nicht gut gehe, sie alleinerziehend sei und in einer kleinen Wohnung lebe.» Statt den Tag mit den Kindern in der Wohnung zu verbringen und sie zu beschäftigen, entschied sich die Mitarbeiterin, an die frische Luft zu gehen. «Ich konnte die Schilderung nachvollziehen, und somit gab es keine Konsequenzen in diesem Fall», sagt Kamann.

Wenn ein Unfall passiert

Nicht alle Führungspersonen reagieren so tolerant wie Marie-Christin Kamann. Posts auf Social Media sind eine Art, wie sich Blaumachende heute verraten. Eine andere ist, wenn am inoffiziellen Freitag ein Unfall geschieht. Wie ist hier die Rechtslage, muss der Arbeitgeber den Lohn fortzahlen und die Versicherung die Kosten für den ausserbetrieblichen Unfall übernehmen?

Die Versicherung Helsana kennt solche Fälle. «Ist die Person als arbeitsunfähig gemeldet und erleidet dann eine Verletzung, zum Beispiel bei einem eindeutigen Sportereignis, welches mit der gemeldeten Krankheit nicht bestritten werden kann, dann bemerkt dies der Unfallversicherer, da in jedem Fall ein Arzt involviert ist», sagt Mediensprecher Nico Nabholz. 

Der Versicherer ist jedoch in der Beweispflicht. Denn in der Regel erhalten Arbeitnehmende am dritten Kalendertag nach dem Unfall – oder nach vereinbarter Wartefrist – die Taggelder. Bis dann ist der Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung verpflichtet. Im Nachhinein muss der Krankenversicherer medizinisch nachweisen, dass die Person gar nicht krank gewesen war, und kann dann die Taggelder zurückfordern. «Eine rückwirkende Beweislage ist jedoch immer sehr schwer zu erbringen», so Nabholz.

Kommt es jedoch so weit und der Versicherer lehnt die Übernahme des Schadenfalls ab, dann kann auch der Arbeitgeber die Lohnzahlung verweigern. Bei Uneinigkeit würde dies dann zu einem arbeitsrechtlichen Fall.

Schweizer fallen pro Jahr 77 Stunden wegen Krankheit aus

Ganz so weit sollte es jedoch nicht kommen. Dass Leute krank sind, ist normal und gehört zum Firmenalltag. Das Bundesamt für Statistik erhebt jährlich die Zahlen, wie oft Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Schweizer Firmen am Arbeitsplatz fehlen.

Die jüngsten Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2022. Männer blieben der Arbeit tendenziell etwas weniger fern als Frauen. Männer waren durchschnittlich 74 Stunden pro Jahr krank, Frauen rund 85 Stunden. In der Summe lagen Schweizerinnen und Schweizer rund 77 Stunden pro Jahr krank im Bett.

Zwei Unterschiede bei der Statistik fallen auf: Durchschnittlich sind Schweizerinnen und Schweizer weniger oft abwesend als Ausländer und Ausländerinnen. Sie fehlten 74 Stunden bei der Arbeit, während es bei Angehörigen anderer Staaten 83 Stunden waren. Ebenfalls auffällig ist, dass die Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen dem Arbeitsplatz öfter fernbleibt als die Gruppe der 45- bis 54-Jährigen. Die Jüngeren waren während 87 Stunden krankgemeldet, die ältere Generation rund zehn Stunden weniger.

Am wenigsten krank sind laut dem BFS Führungskräfte. Sie blieben der Arbeit im Jahr 2022 rund 56 Stunden fern. Die Zahl ist fast 30 Prozent tiefer als der Schweizer Schnitt. Was zeigt: Auf Stufe Führung kehrt das Bild. Statt blauzumachen, arbeiten Führungskräfte sehr wahrscheinlich gar des Öfteren, auch wenn sie sich nicht 100 Prozent fit fühlen.

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