BLICK-Reporter Fabian Vogt ist erschrocken
«Google kennt mich besser als meine Familie»

Ich habe Google gebeten, sämtliche über mich gespeicherten Informationen herauszugeben. Das Fazit nach dem Daten-Striptease: Google kann mein Leben zerstören. Auch wenn der Konzern alles andere im Sinn hat, muss man aufpassen, welche Informationen man dem Konzern gibt. Besonders Kriminelle und Behörden würden nur zu gerne wissen, wo ich gerade bin oder mit wem ich geschlafen habe.
Publiziert: 31.05.2018 um 19:22 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 01:35 Uhr

Kürzlich wollte ich herausfinden, welche Daten Facebook über mich gespeichert hat. Das Ergebnis war einigermassen erschreckend: Bis zur Nummer meinen toten Oma weiss der Social-Media-Gigant Dinge, die ich teilweise willentlich, teilweise unwillentlich, einst preisgegeben habe. Dadurch war die Firma in der Lage, unter anderem ein sehr genaues Werbeprofil anzulegen, das Drittfirmen verkauft werden konnte (BLICK berichtete). 

Man sei selbst schuld, wenn man ein Facebook-Konto habe, war der Tenor vieler Zuschriften nach der Publikation. Das ist falsch! Denn einerseits sind die AGB derart irreführend, dass der Nutzer schlicht nicht wissen kann, welche Daten genau gespeichert werden. Andererseits müsste man erwarten können, dass Facebook die Sicherheit der Daten garantieren kann. Im Nachhinein betrachtet eine gar naive Sichtweise. Denn dazu war die Plattform nicht in der Lage, weswegen rund 30'000 Schweizer nun keine Ahnung haben, was mit ihren persönlichen Informationen angestellt wird. 

Google rückt in den Fokus

Der wohl grösste Schock nach Publikation des Leaks betraf die Speicherung von Telefondaten. Android-Kunden fanden teilweise Metadaten sämtlicher getätigter Anrufe und gesendeter Textnachrichten in den Facebook-Ordnern wieder: Mit wem sie wann wie lange telefoniert oder Nachrichten ausgetauscht haben, war plötzlich unzähligen Personen und Organisationen bekannt. Android wurde von Google entwickelt und ist das mit Abstand am weiten verbreitete Handy-Betriebssystem. Auch wenn aus Mountain View bisher kein Datenleck bekannt geworden ist, rückte das Facebook-Problem auch Google in den Fokus. Wenn Facebook unsere Daten nicht zuverlässig gegen Angriffe schützen kann, kann Google es auch nicht. 

Google sammelt oft mehr Informationen, als den Nutzern recht wäre.
Foto: Imago
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Es macht daher Sinn, sich wieder einmal in Erinnerung zu rufen, was Google alles speichert. Im Vergleich dazu sind nämlich die Daten von Facebook ein Tintenklecks in einem Ölfeld, wie meine Recherche gezeigt hat. 

Folgende Dinge weiss Google von mir: 

  • Meinen Namen, meinen Geburtstag, mein Geschlecht
  • Meine Handy-Nummer
  • Meine Google-Suchen
  • Webseiten, die ich besuchte
  • Wo ich die letzten Monate unterwegs war
  • Dass ich gerne Sport schaue, mich für Country-Musik interessiere und ein Auto kaufen möchte 
  • Jedes Youtube-Video, das ich je geschaut und nachdem ich je gesucht habe.

Wie Facebook erlaubt es auch Google, die eigenen Daten herunterzuladen (dazu auf diesen Link klicken). Bei Facebook bin ich immerhin seit zwölf Jahren registriert, mein Daten-File ansehnliche 250 MB gross. Bei Google ist die Datei 600 MB gross. Und das mit einem Account, den ich erst seit letztem September benutze. 

Die wichtigsten Erkenntnisse aus meinem Daten-File 

Google weiss, wo ich war
Seit etwas mehr als einem Jahr bin ich als freischaffender Journalist in Asien unterwegs. Dank Google weiss ich genau, an welchem Tag ich wo war und wie lange es dauerte, bis ich von einem Ort zum nächsten gelangte. Im Januar war ich unter anderem in Melbourne und besuchte die Australian Open. Dank Google fiel mir wieder ein, dass ich an dem Tag auch im Casino und in einer Bar war. Google weiss teilweise auch, mit welchem Fortbewegungsmittel ich von A nach B gelangte. Man stelle sich vor, ich wäre ein Google-Mitarbeiter, der glaubt, dass meine Frau mich betrügt. Ich müsste einfach alle ihre Standort-Daten der letzten Jahre anschauen und sie mit anderen Nutzern vergleichen und wüsste nicht nur, ob sie mich betrügt, sondern auch, mit wem. 

Google weiss genau, wo ich mich zu welchem Zeitpunkt befinde.

Hier gehts zu den eigenen Standort-Daten.

Google speichert alles, was ich je gesucht habe
Alles, was ich je via Telefon, Tablet oder PC/Laptop gesucht habe, kennt Google: Fotos, Texte, Sport-Resultate. Ob ich die Such-Historie zwischenzeitlich gelöscht habe, spielt keine Rolle. Natürlich kennt Google auch jede Seite, die ich anschliessend aufgerufen habe und weiss, von wo ich es getan habe. Damit weiss Google eigentlich alles über mich: meine Interessen, meine Ängste, meine Fetische. 

Hier gehts zur eigenen Such-Historie.

Auch Google hat ein Werbe-Profil angelegt
Beim Facebook-Leak wurde vielen bewusst, dass das Unternehmen ein Werbeprofil angelegt hat, das Drittanbietern personengerechte Werbung ermöglicht. Nun, das gibts auch von Google. Bloss ist dieses noch wesentlich genauer. Das Profil enthält (je nachdem, was man alles geteilt hat) Informationen zu Standort, Geschlecht, Alter, Hobbys, Karriere, Interessen, Beziehungsstatus bis zum möglichen Gewicht und dem Einkommen.

Dies nur ein Ausschnitt aus meinem Werbeprofil. Die meisten Begriffe haben ihre Berechtigung, bei einigen, etwa «Eltern», frag ich mich aber, ob Google mehr weiss als ich.
Foto: Fabian Vogt (Screenshot)

Hier gehts zum eigenen Werbe-Profil

Google kennt alle Apps. Fast.
Google kennt alle meine Apps samt dazugehörigen Erweiterungen. Falls die Dienste mit meinem Google-Konto verknüpft wurden, weiss Google, wie oft ich die Apps brauche, wo ich sie benutze und mit wem ich während der Nutzung interagiere. 

Hier gehts zu den App-Berechtigungen.

Google hat meine gesamte Youtube-Historie
Ist ja nicht schlimm, werden einige Leser vielleicht denken. Soll Google doch wissen, dass Mariah Carey meine Lieblingssängerin ist. Bloss: Die Videos, die ich schaue, liefern Google auch Informationen zu meiner Religion, meinen Überzeugungen, meinen Träumen. Habe ich beispielsweise kürzlich eine Rede von Bülent Tezcan, dem Sprecher der grössten türkischen Oppositionspartei CHP, geschaut, muss ich hoffen, dass Erdogan diese Infos nicht erhält. Sonst werde ich bei der nächsten Einreise nach Istanbul möglicherweise verhaftet.

Hier gehts zu den Youtube-Daten

Weitreichende Folgen denkbar

Der Daten-Striptease könnte noch beliebig fortgesetzt werden. In meinem persönlichen File finden sich Lesezeichen, E-Mails, Kontakte, Google-Drive-Dateien, Fotos meines Telefons, Unternehmen, von denen ich Produkte gekauft hab, und einiges mehr. Etwa die Webseiten, die ich erstellt hab, Bücher, die ich bestellt habe, meine Kalenderdaten oder meine Google-Hangout-Sessions. 

Die Implikationen dieser Datenflut sind enorm. Google kennt mich besser, als irgendjemand sonst. Google weiss vor meinen Eltern, wenn ich Vater werde (indem ich beispielsweise anfange nach Kinderwagen zu googeln), und könnte theoretisch mein Leben ziemlich mühsam gestalten. Etwa, wenn meine Daten an die Polizei gegeben werden und diese mich anschliessend befragt, warum ich vor wenigen Wochen ein IS-Video geschaut habe. Oder wenn ich ein Haus kaufen will und die Bank sieht, dass ich im Internet nach offenen Stellen geforscht habe. 

Zugegeben, Google ist diesbezüglich transparent. Es war nicht schwierig, herauszufinden, was der Konzern über mich gespeichert hat – im Gegensatz etwa zu den Schweizer Telekommunikationsunternehmen, die die Daten nur widerwillig herausgeben. Man darf Google wohl auch vertrauen, dass das Unternehmen sich an die Vereinbarungen hält und die Daten nicht freiwillig weitergibt. Aber wenn ein Staat darauf pocht oder noch schlimmer, Kriminelle die Daten stehlen, kann sehr viel zerstört werden.

Wem diese Datenflut zu viel ist, der hat Möglichkeiten, sich zu schützen. Ein Privacy-Check-up-Tool regelt die Zugriffsmöglichkeiten von Google. In den Aktivitätseinstellungen kann zudem manuell ausgewählt werden, dass Google beispielsweise aufhören soll, den Standort zu verfolgen.

Entscheidend ist, dass man sich bewusst wird, dass die Benutzung der diversen Online-Dienste, die das Leben ja tatsächlich angenehmer gestalten, seinen Preis hat. Auch wenn er nicht in Geld zu bezahlen ist.

Einen Monat ohne Facebook

Der Inselstaat Papua-Neuguinea will Facebook einen Monat lang für seine Bevölkerung sperren. Als Test, sagt die Regierung. Um zu sehen, wie die Menschen ohne Facebook zurechtkommen. Zudem wolle man die Seite von Porno-Inhalten säubern – und ein eigenes Sozialnetz aufbauen.

Der Inselstaat Papua-Neuguinea will Facebook einen Monat lang für seine Bevölkerung sperren. Als Test, sagt die Regierung. Um zu sehen, wie die Menschen ohne Facebook zurechtkommen. Zudem wolle man die Seite von Porno-Inhalten säubern – und ein eigenes Sozialnetz aufbauen.

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