Swissmem-Chef zur CS-Übernahme
«Die Industrie kann den Ausfall problemlos verkraften»

Die unfreiwillige Zusammenlegung von CS und UBS weckt Zukunftsängste. Martin Hirzel (53), Präsident des grössten Industrieverbands, sieht für den Werkplatz Schweiz jedoch keine Gefahr.
Publiziert: 26.03.2023 um 09:59 Uhr
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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

Sonntags Blick: Herr Hirzel, vor einer Woche wurde die Credit Suisse von der UBS geschluckt – mit tatkräftiger Beteiligung der Schweizer Behörden. Wie beurteilen Sie das Ganze?

Martin Hirzel: Für uns als Industrie war das Wichtigste, dass wir diese Woche normal arbeiten konnten. Die Firmen haben kein Geld verloren, der Zahlungsverkehr und auch die Absicherung von Wechselkursrisiken funktionierten einwandfrei. Ein Konkurs der CS hätte für den Werkplatz Schweiz dagegen katastrophale Folgen gehabt. Insofern sind wir froh und dankbar, dass die verantwortlichen Behörden sowie die Vertreter der Grossbanken eine Lösung gefunden haben, die ein Chaos verhinderte.

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Martin Hirzel (53) ist seit 2021 Präsident von Swissmem, dem Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie.
Foto: Keystone
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War die Schweizer Industrie auf das Geschehene vorbereitet?

In die Übernahmeverhandlungen war Swissmem nicht involviert. Auf eine mögliche Pleite der CS hat sich die Industrie aber sehr wohl vorbereitet. Viele Firmen haben in den vergangenen sechs Monaten, als die Fragezeichen rund um die CS immer grösser wurden, ihre Cash-Pools zu anderen Banken transferiert. Die Finanzchefs haben ihre Hausaufgaben aber bereits viel früher gemacht: Keine grössere Schweizer Firma vertraut nur auf eine Bank.

Genau diese Geldtransfers zu anderen Banken wurden der CS zum Verhängnis.

Aus Sicht eines Industriebetriebs war dieses Vorgehen alternativlos. Auch für Firmenkunden gilt die Einlagensicherung nur bis 100'000 Franken. Für ein Unternehmen wäre es deshalb unverzeihlich gewesen, allen Risiken zum Trotz an der CS festzuhalten. Damit hätte man das eigene Fortbestehen aufs Spiel gesetzt.

Persönlich

Martin Hirzel (53) ist seit 2021 Präsident von Swissmem, dem Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie. Der Zürcher startete seine Karriere mit einer KV-Lehre und arbeitete lange für den Winterthurer Textilmaschinenhersteller Rieter, für den er viele Jahre in China und Brasilien tätig war. Von 2011 bis Ende 2019 war er CEO des Automobilzulieferers Autoneum, eines Rieter-Spin-offs. Hirzel ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.

Martin Hirzel (53) ist seit 2021 Präsident von Swissmem, dem Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie. Der Zürcher startete seine Karriere mit einer KV-Lehre und arbeitete lange für den Winterthurer Textilmaschinenhersteller Rieter, für den er viele Jahre in China und Brasilien tätig war. Von 2011 bis Ende 2019 war er CEO des Automobilzulieferers Autoneum, eines Rieter-Spin-offs. Hirzel ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.

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Was bedeutet die Übernahme für den Werkplatz Schweiz?

Wir haben nun weniger Konkurrenz auf dem Finanzplatz. Das ist insbesondere für exportorientierte Firmen keine gute Nachricht. Die Industrie konnte die Angebote der UBS mit jenen der CS vergleichen, indem von beiden eine Offerte eingeholt wurde. Das ist jetzt vorbei, und es drohen tendenziell schlechtere Konditionen beim Zahlungsverkehr, bei Krediten und bei der Platzierung von Unternehmensanleihen. Zudem war die CS bei der Finanzierung und Absicherung von Exportgeschäften absolut führend. Das wissen jedoch auch die UBS-Verantwortlichen, und ich gehe deshalb davon aus, dass sie dieses Geschäft weiterführen werden und somit auch das Know-how erhalten bleibt.

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«Keiner ist nervös wegen der CS-Übernahme»
Martin Hirzel
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Wie stark fällt die Veränderung für ein einzelnes KMU ins Gewicht?

Zwei Grossbanken zu haben, war ein Vorteil gegenüber der Konkurrenz im Ausland. Dieser fällt in Zukunft weg. Das ist bedauerlich, speziell in einer Zeit, in der die Firmen auch sonst stark gefordert sind: Die Energiekosten sind gestiegen, geopolitisch herrscht grosse Unsicherheit, und das Verhältnis zur EU ist noch immer nicht geregelt.

Andere Länder wie Schweden sind auch sehr stark im Export, obwohl sie keine international tätigen Grossbanken haben. Selbst «Exportweltmeister» Deutschland hat mit der Deutschen Bank nur ein Finanzinstitut, das global als systemrelevant eingestuft wird.

Es war für die Schweizer Industrie tatsächlich ein Privileg, über zwei international tätige Universalbanken zu verfügen. Es war Teil unserer guten Rahmenbedingungen. Wir werden aber Wege finden, auch ohne die CS erfolgreich zu sein. Für kleinere Firmen sehe ich sowieso keine Probleme, für ihre Bedürfnisse gibt es mit den Raiffeisen-, Regional- und Kantonalbanken genügend Alternativen. Die Grosskonzerne wiederum sind schon heute sehr international aufgestellt und können ihre Geschäfte auch mit amerikanischen oder britischen Grossbanken abwickeln. Sie sind nicht von der UBS abhängig. Die grösste Umstellung sehe ich bei mittelgrossen Exportfirmen. Sie werden sich daran gewöhnen müssen, dass sie nicht mehr alle Finanzgeschäfte im eigenen Dorf und in der Muttersprache aufgleisen können.

Wie heissen die Alternativen?

BNP Paribas, Deutsche Bank, ING und so weiter. Diese Banken sind in der Schweiz bereits seit Jahren aktiv, haben teilweise Deutsch sprechendes Personal und werden nun versuchen, von der CS-Übernahme zu profitieren. Zum Teil haben diese Banken bereits in den vergangenen Wochen und Monaten bei den Finanzchefs von Schweizer Firmen angeklopft.

B esteht wegen der CS-Pleite die Gefahr einer Deindustrialisierung?

Nein, definitiv nicht. Die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie zählt mehr als 325'000 Angestellte, Tendenz steigend. Wir sind sehr stark aufgestellt, tragen fast zehn Prozent zum Bruttoinlandprodukt bei und können den Ausfall der CS problemlos verkraften. Es besteht keine Gefahr für den Werkplatz Schweiz.

Das klingt äusserst optimistisch.

Ich habe diese Woche mit einem Dutzend Finanzchefs von Firmen verschiedener Grösse gesprochen. Keiner ist nervös wegen der CS-Übernahme. Die Schweizer Industrie hat in der Vergangenheit bewiesen, dass sie widerstandsfähig ist. Wir haben gelernt, mit dem starken Franken umzugehen, und haben auch die Corona-Krise sehr gut überstanden. Ich bin deshalb überzeugt, dass wir auch die Folgen der CS-Krise meistern werden.

In der Politik mehren sich die Stimmen, die fordern, dass die UBS das Schweiz-Geschäft der CS wieder verkaufen solle, damit dieser Bereich als eigenständige Bank weitergeführt werden könne. Was halten Sie davon?

Bei mir läuten sämtliche Alarmglocken, wenn Politiker Firmen vorschreiben wollen, wie sie ihre Geschäfte zu führen haben. Grundsätzlich wäre es zwar wünschenswert, wenn die CS in der Schweiz weiter bestehen würde. Ich sehe allerdings keine Möglichkeit, die UBS dazu zu zwingen. Das hätte man sonst im Vorfeld so verhandeln müssen. Mich würde es aber nicht überraschen, wenn die UBS von sich aus zum Schluss käme, dass ein Verkauf gewisser Teile die beste Lösung ist. Schliesslich war das Schweiz-Geschäft der CS bis zuletzt profitabel und durch die Zusammenlegung kommt es nun zu vielen Doppelspurigkeiten.

Gibt es etwas, was Sie der UBS-Führung mit auf den Weg geben möchten?

Ich hoffe, dass die UBS die aktuelle Situation nicht ausnutzt, um der Industrie schlechtere Konditionen aufzudrücken. Extrem wichtig ist auch, dass die Exportfinanzierung der CS aufrechterhalten wird. Es gibt aber auch wirklich keinen Grund, dieses gut laufende Geschäft herunterzufahren.

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