Drehscheibe für Oligarchen
Putins Strippenzieher in der Schweiz

Ein Paradies für Oligarchen, Rohstoffhändler und Staatsbanken: Die Schweiz ist zum Schlaraffenland des russischen Geldadels geworden.
Publiziert: 27.02.2022 um 12:10 Uhr
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Aktualisiert: 27.02.2022 um 14:54 Uhr
Sven Zaugg und Danny Schlumpf

Wladimir Putins Kumpane bevölkern die Chefetagen von Banken und Rohstoffhäusern in Genf, Zug und Zürich. Russische Oligarchen und Strippenzieher gönnen sich Sportklubs und bunkern ihre astronomischen Vermögen am liebsten in der Schweiz. Jährlich fliessen elf Milliarden ihrer Dollars auf hiesige Konten.

Die Schweiz fungiert aber auch als Drehscheibe: 80 Prozent des russischen Rohstoffhandels erfolgt virtuell über Finanzdienstleistungszentren in der Schweiz. Ein Grund, weshalb die bedeutendsten russischen Energie- und Rohstoffkonzerne wie Gazprom sowie russische Staatsbanken hier Niederlassungen haben.

Paradiesische Zustände

Steuergünstig, stabil, diskret: Unser Land bietet paradiesische Zustände für Putins Topshots – auch im Kriegsfall. Geht es nach einer Mehrheit des Bundesrats, soll sich daran so schnell nichts ändern. Firmen und Freunde des russischen Präsidenten bleiben vorerst unbehelligt.

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Einer davon ist Gennadi Timtschenko (69), der den Eishockeyklub SKA Sankt Petersburg präsidiert. Er gehört zu Putins engsten Freunden und steht bereits seit Jahren auf der US-Sanktionsliste. 1997 gründete Timtschenko das Rohstoffunternehmen Gunvor mit Hauptsitz in Genf. Dort bewohnt seine Familie bis heute eine 18-Millionen-Villa. 20 Milliarden Dollar sollen auf seinen Konten schlummern. Kein Wunder: Timtschenko machte aus Gunvor in kurzer Zeit eines der grössten Ölhäuser der Welt – bisweilen auf umstrittene Weise: 2012 durchsuchte die Schweizer Bundespolizei die Genfer Büros der Firma wegen Korruptionsverdacht.

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Milliarden nach Russland verschoben

Sollte sich der Ölbaron Sorgen um seine Milliarden in der Schweiz machen, kann er sich bei seinem Freund Boris Rotenberg (65) Rat holen. Als Rohstoffmilliardär und Putin-Kumpel Rotenberg 2014 auf der US-Sanktionsliste landete, verschob er in kürzester Zeit 120 Millionen Dollar von der Genfer Bank Pictet nach Russland, um sie dem Zugriff des Westens zu entziehen.

Wie Timtschenko ist Rotenberg Teil der Petersburg-Connection. Sein Sohn Roman (40) wurde heuer sogar Trainer des Eishockeyklubs SKA Sankt Petersburg – obwohl er sich kaum auf den Schlittschuhen halten kann. Das spielt allerdings keine Rolle, weil der Präsident dieses Klubs eben Gennadi Timtschenko heisst, der sich bis 2014 auch als Gönner von Genf-Servette inszenierte.

Gazprom in den Schlagzeilen

SKA Sankt Petersburg gehört dem Energiekonzern Gazprom. Der steht als Uefa-Sponsor gerade in den Schlagzeilen, weil der Europäische Fussballverband Russland den geplanten Champions-League-Final in der Gazprom-Arena in Sankt Petersburg entzogen hat.

Doch Gazprom macht auch andernorts Werbung – zum Beispiel auf den Trikots des deutschen Bundesligisten FCSchalke04. Am Donnerstag gab der Fussballklub bekannt, das Logo umgehend zu entfernen. Diesem Beispiel ist man auch in Zug gefolgt: Dort trat die Gazprom-Tochter Nord Stream als Hauptsponsor des amtierenden Eishockeymeisters EVZ auf. Am Freitagabend teilte der Klub mit, dass das Sponsoring-Engagement zwischen Nord Stream und dem EV Zug ausgesetzt wird. Der EVZ werde die diversen Logo-Präsenzen der Nord Stream AG entfernen. Der Schweizer Eishockey-Verband (SIHF) begrüsst diesen Schritt.

Nord Stream AG in Zug

Die Verbindung zwischen Zug und Schalke heisst Matthias Warnig (65) – der einzige Putin-Baron ohne russischen Pass. Der Deutsche sass bis am Tag der Invasion im Verwaltungsrat des Gelsenkirchener Fussballklubs und ist Geschäftsführer der Betreibergesellschaften Nord Stream AG und Nord Stream 2 AG im Zentrum von Zug.

Von dort aus organisiert er die Mega-Pipeline, die Gas aus Russland durch die Ostsee nach Europa leiten soll – zusammen mit dem deutschen Ex-Kanzler und Putin-Freund Gerhard Schröder (72), dem Vorsitzenden der Zuger Nord-Stream-Firmen. Diese Woche kassierten die beiden allerdings einen Dämpfer: Deutschland hat die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 ausgesetzt. Nord Stream 1 derweil befördert seit 2011 jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Gas von Russland nach Europa.

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USA setzten Warnig auf schwarze Liste

Matthias Warnig ist der Tausendsassa in Putins System. Der Russland-Expertin Catherine Belton zufolge soll Warnig in den 80er-Jahren als Stasi-Mitarbeiter Teil einer KGB-Zelle in Dresden gewesen sein. Diese Zelle sei von Putin gegründet worden, als dieser in Ostdeutschland für den sowjetischen Geheimdienst tätig war. Warnig bestreitet dies. Allerdings verbrachten sie 1997 gemeinsame Ferien in Davos GR. Zum Zeichen der Freundschaft gab es später Verwaltungsratsmandate diverser russischer Firmen.

2018 setzten die USA den ehemaligen Stasi-Spitzel wegen der Ukraine-Krise auf ihre schwarze Liste. Deshalb musste Warnig den Aufsichtsratsvorsitz im Aluminiumkonzern Rusal abgeben. Heute sitzt er im obersten Gremium der VTB, der zweitgrössten Bank Russlands, des staatsnahen Erdölkonzerns Rosneft, des Pipelinebetreibers Transneft und der Gazprom Schweiz AG.

Standort Schweiz für Russen nützlich

Insbesondere Warnigs Mandat bei der VTB zeigt, wie die Russen-Connection den Standort Schweiz nutzt. Russland ist grosser Exporteur von Rohstoffen, die in der globalen Produktionskette eine wichtige Rolle spielen. Für diese äusserst kostspieligen Geschäfte brauchen die Handelshäuser und der russische Staat enorme Summen.

Bislang zählten die russischen Banken nicht zu den grossen Playern bei der Finanzierung von Rohstoffgeschäften. Die VTB schickt sich an, das zu ändern. Vor zwei Jahren hat sich die Bank in Zug eingerichtet. Zweck: Handel und Finanzierung von Transaktionen mit Rohstoffen. Das Finanzhaus will das Geschäft nach eigenen Angaben weiter ausbauen.

Ein anderer mächtiger Akteur ist die russische Sberbank, seit 2019 mit einer Tochter in Zug domiziliert. Gleich wie die VTB handelt das grösste Finanzinstitut Russlands mit Rohstoffen, finanziert Rohwarengeschäfte – und will zu einer der führenden Banken in diesem Segment werden. Beide Institute sind im Besitz des russischen Finanzministeriums. Die Gewinne fliessen also direkt in Wladimir Putins Kassen.

Gazprombank mit Sitz Zürich

Gleiches gilt für die Gazprombank Schweiz mit Sitz in Zürich, wo Putin und sein Aussenminister Sergei Lawrow (71) Konten halten sollen. Gegen den Chef der Schweizer Filiale, Roman Abdulin, ermittelt derzeit die Zürcher Staatsanwaltschaft. Die Finma rügte die Bank bereits 2018 für «schwere Verstösse gegen die Sorgfaltspflichten des Geldwäschereigesetzes».

Die beiden Kriegsfürsten Putin und Lawrow sind jetzt persönlich von den USA und der EU sanktioniert worden. Um ihr Geld in der Schweiz müssen sie sich aber dennoch keine Sorgen machen. Vorerst.

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