Easyjet-Europachef Thomas Haagensen (48) erklärt, warum seine Airline das CO₂-Gesetz bekämpft
«Ticketabgabe verteuert die Flüge, ändert aber nichts»

Die Billig-Airline Easyjet bekämpft das CO₂-Gesetz vehement. Im Interview erklärt Europa-Chef Thomas Haagensen, warum eine Flugticketabgabe nichts bringt und wie die Airline ihrerseits den CO₂-Ausstoss reduzieren will.
Publiziert: 08.06.2021 um 01:34 Uhr
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Aktualisiert: 08.06.2021 um 16:38 Uhr
Interview: Christian Kolbe

Ein physisches Meeting liegt noch nicht drin, das Gespräch mit Thomas Haagensen (48), dem Europa-Chef von Easyjet, findet virtuell statt. Er sitzt in Genf. Doch in den Sommerferien geht es dem Airline-Manager wie vielen Fernwehgeplagten: Er wird mit seiner Familie wieder einmal in ein Flugzeug steigen und ans Mittelmeer nach Nizza fliegen.

Blick: Herr Haagensen, was stört Easyjet am CO2-Gesetz?
Thomas Haagensen: Wir unterstützen das Null-Emissions-Ziel der gesamten Airline-Industrie. Dieses soll bis 2050 erreicht werden und entspricht ja auch der nationalen Strategie der Schweiz. Die Industrie muss den Klimawandel bekämpfen, allerdings hilft dabei das CO2-Gesetz nichts.

Wieso?
Die Flugticketabgabe wird nur Flüge verteuern, aber nichts ändern. Es werden gleich viele Flugzeuge herumfliegen, einfach mit weniger Passagieren. Diese Flugzeuge belasten das Klima genau gleich, egal ob sie gut gefüllt oder halb leer sind. Diese Abgabe ist damit eine ‹falsche gute Idee› und eine Bremse für Investitionen in die Forschung und in nachhaltige Technologien, die der einzige Weg zur Reduktion fossiler Brennstoffe sind.

Nach Corona wieder im Aufwind: Die Billig-Fluglinie Easyjet.
Foto: imago images/Andreas Haas
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Das sehen die Befürworter anders. Die Hälfte der Flugticketabgabe soll zum Beispiel in die Entwicklung synthetischer Treibstoffe fliessen.
Wir bedienen als Fluggesellschaft Kurz- und Mittelstrecken in Europa. Für diese Strecken werden in Zukunft vollständig emissionsfreie Flugzeuge mit Elektro- oder Wasserstoffantrieb zur Verfügung stehen. Synthetische Kraftstoffe sind eine Lösung für Langstrecken-Flüge, wo vollständig emissionsfreie Lösungen wie elektrisches Fliegen kurzfristig technisch nicht verfügbar sein werden.

Ist das ein Grund, dieses Gesetz so vehement zu bekämpfen?
Es gibt auch noch den sozialen Aspekt. Denn das CO2-Gesetz bestraft Leute mit tiefen Einkommen, hindert Familien daran, in die Ferien zu fliegen. Wir dagegen glauben an die Demokratisierung der Fliegerei, zumindest in Europa.

Fliegen als Menschenrecht sozusagen. Das ist doch übertrieben, oder?
Das sehen viele Familien oder Geschäftsleute aber ganz anders. Corona hat Reisen verhindert, Familien konnten ihre Verwandten nicht besuchen, Geschäftsleute ihre Kunden nicht persönlich treffen. Gerade für ein Land wie die Schweiz, das so vernetzt ist mit der Welt, wäre es ein Unding, die Verbindungsmöglichkeiten einzuschränken. Wir stellen einen grossen Nachholbedarf fest. Die Frage ist doch: Wie reduzieren wir den Schaden für die Umwelt? Die Antwort: Durch Investitionen in Technologie.

Oder durch weniger Flüge.
Wir verfolgen eine andere Strategie. Zunächst geht es darum, die CO2-Emissionen unserer Flüge zu reduzieren. Das heisst, wir investieren trotz Pandemie in neue Technologien und sparsame Flugzeuge wie den Airbus A320neo. Ab Herbst werden fünf neue Flugzeuge dieses Typs in Basel-Mulhouse und Genf stationiert sein.

Vom Eintüter zum Europachef

Thomas Haagensen (48) begann seine Karriere als Manager bei Tetra Pak in Lausanne, kümmerte sich unter anderem um das Kundenzufriedenheitsprogramm des Verpackungsgiganten. Er arbeitete fünf Jahre lang in Beirut, betreute Geschäfte im Libanon und in Syrien. Seit 2008 arbeitet der gebürtige Genfer mit deutschen und dänischen Wurzeln für den Billigflieger Easyjet und verantwortet seit 2018 das gesamte Europageschäft. Haagensen ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern.

Thomas Haagensen (48) begann seine Karriere als Manager bei Tetra Pak in Lausanne, kümmerte sich unter anderem um das Kundenzufriedenheitsprogramm des Verpackungsgiganten. Er arbeitete fünf Jahre lang in Beirut, betreute Geschäfte im Libanon und in Syrien. Seit 2008 arbeitet der gebürtige Genfer mit deutschen und dänischen Wurzeln für den Billigflieger Easyjet und verantwortet seit 2018 das gesamte Europageschäft. Haagensen ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern.

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Das reicht wohl kaum, um das Ziel Netto-null-Emissionen zu erreichen.
Nein, deshalb arbeiten wir auch mit diversen Partnern zusammen, mit Wright Electric etwa oder mit Airbus. Der europäische Flugzeugbauer verspricht ein Null-Emissions-Flugzeug bis 2035. Dieses soll mit Wasserstoff fliegen. Deshalb denken wir schon heute über den Aufbau der notwendigen Betankungs-Infrastruktur an europäischen Flughäfen nach. Wright Electric will sein erstes elektrisches Flugzeug sogar schon 2030 auf den Markt bringen.

Das ist doch alles Zukunftsmusik, nicht?
Richtig, deshalb haben wir auch schon 2019 beschlossen, unseren CO2-Ausstoss zu 100 Prozent auszugleichen. Das tun wir auch für unsere Kunden, die sich um nichts kümmern müssen. Das ist eine konkrete Massnahme ohne soziale Nebenwirkungen

Fliegt Easyjet in Basel-Mulhouse künftig unter französischem Recht, sollte das Gesetz angenommen werden?
Das wissen wir noch nicht. Der Klimawandel ist ein globales Problem, das alle gemeinsam angehen müssen, da macht ein nationaler Alleingang wenig Sinn. Das Gesetz würde den Markt in Basel arg verzerren, da im Schweizer Sektor die CO2-Steuer sehr viel höher wäre.

Eine Flugticketabgabe würde die billigen Easyjet-Tickets überproportional verteuern. Ist deshalb der Kampf gegen das CO2-Gesetz so wichtig?
Nein, das hat nichts mit unserem Geschäftsmodell zu tun. Es geht uns wirklich darum, aufzuzeigen, dass eine CO₂-Abgabe die Schweiz dem Null-Emissionsziel keinen Schritt näher bringt. Nach der Corona-Krise sind die Airlines knapp bei Kasse, es fehlt das Geld für Investitionen, da ist eine Ticketabgabe, die nur das Fliegen verteuert, sehr kontraproduktiv.

Stichwort Corona: Schwierige Zeiten für die Airlinebranche?
Ja, wir dürfen kein Geld verbrennen und müssen uns um genügend Liquidität kümmern, um die Zahlungsfähigkeit sicherzustellen. Dafür haben wir 5,5 Milliarden Pfund aufgetrieben (rund 7 Mrd. Fr., Anm. der Redaktion). Touristische Flüge werden sich schneller erholen, bei den Geschäftsreisen dauert das noch etwas länger.

Wie ist der Buchungsstand?
Die Buchungen in der Schweiz steigen, sind aber stark mit Reisebeschränkungen verknüpft. Wenn diese fallen, dann steigt die Nachfrage rasant. Von April bis Juni rechnen wir in unserem Netzwerk gerade mal mit rund 15 Prozent der Flüge wie vor Corona – und mit einem deutlichen Buchungsanstieg ab Juni.

Kein Zögern beim Buchen?
Nein, die Nachfrage ist durchaus da. Bei einer Umfrage haben zwei Drittel der Befragten angegeben, sie hätten für dieses Jahr bereits einen Flug gebucht oder planen noch, das zu tun. Für die Schweiz haben wir das Angebot auf die griechischen Inseln oder nach Pristina zum Beispiel bereits an die steigende Nachfrage angepasst und ausgebaut.

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