Feindbild Davos
Verschwörungstheoretiker nehmen das WEF aufs Korn

Rund um das World Economic Forum (WEF) in Davos ranken sich seit Jahren Mythen und Verschwörungstheorien – seit der Pandemie erst recht. Dies sind die abstrusesten Unwahrheiten in Zusammenhang mit dem WEF und dessen Gründer Klaus Schwab.
Publiziert: 16.01.2023 um 14:23 Uhr
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Aktualisiert: 17.01.2023 um 16:40 Uhr

Über das Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos werden seit Jahren Falschbehauptungen verbreitet. Besonders seit der Corona-Pandemie vereinen sich viele Verschwörungsmythen zu einer Super-Erzählung.

Wenn am Montagabend das Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos beginnt, dürften einmal mehr auch Verschwörungsanhänger mit allerlei Desinformationen aktiv werden. Etwa mit Behauptungen, Politik und Wirtschaft verböten den privaten Autobesitz oder forderten die Tötung von Haustieren.

WEF – «Das Zentrum des Bösen»

Das 1971 gegründete Weltwirtschaftsforum ist für Anhänger von Verschwörungen zu einer Art Zentrum des Bösen geworden. «Grosse ökonomische Zusammenschlüsse wie das Weltwirtschaftsforum sind gerne Projektionsflächen für Verschwörungserzählungen, weil dort verschiedenste Menschen mit Macht zusammenkommen, um sich auszutauschen», sagt Politikwissenschaftler Jan Rathje (42) vom Center für Monitoring, Analyse und Strategie (Cemas) der Nachrichtenagentur DPA. Das Cemas untersucht Radikalisierungstendenzen und Verschwörungserzählungen im Netz.

Am Montag startet das WEF in Davos. Rund um das World Economic Forum in Davos ranken sich viele Mythen und Verschwörungstheorien.
Foto: keystone-sda.ch
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Besonderen Zulauf haben solche Behauptungen seit Beginn der Corona-Pandemie gefunden. Im Jahr 2020 stellte WEF-Gründer Klaus Schwab (83) die Initiative «The Great Reset» und sein fast gleichnamiges Buch vor. Darin betrachtet er die Pandemie als Chance, Gesellschaften und die globale Wirtschaft gerechter, sozialer und ökologisch nachhaltiger zu gestalten.

Doch «The Great Reset», also ein grosser Neustart, wird unter Verschwörungsanhängern «als ein Signal gewertet, dass sich die Welt nun grundsätzlich verändern solle, und zwar auf Grundlage einer Verschwörung der Menschen, die sich bei einem Treffen wie dem Weltwirtschaftsforum zusammengefunden haben», sagt Rathje. Oft gilt die Pandemie in dieser Vorstellung als absichtlich erzeugt.

Autoverbote, WEF-Polizei und Klaus Schwab

Zum Glauben an eine erzwungene Umgestaltung der Welt passen die unterschiedlichsten Behauptungen: Aus einem Appell, Fahrzeuge öfter mal zu teilen, bekannt als «Sharing Economy», wird die Lüge, das WEF wolle Privatautos verbieten. Im WEF-Aufnäher auf der Uniform von Schweizer Polizisten sehen Verschwörungsanhänger den Beleg dafür, dass das Wirtschaftstreffen seine eigene Polizei hätte, ganz wie ein Staat.

«Letztlich sind es alles Verschwörungserzählungen, die darauf abzielen, das Volk leiden zu lassen und sie unterstellen, dass die Eliten gegen den Willen des Volkes irgendetwas umsetzen werden», sagt Politikwissenschaftler Rathje. So sei der «Great Reset» wie eine Aktualisierung bestehender Verschwörungsideologien.

Besonders im Fokus der Desinformation: der deutsche WEF-Gründer Klaus Schwab. «Die Personifizierung einer Verschwörungstheorie passt in das Weltbild von Gut und Böse», sagt Psychologin Lotte Pummerer vom Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM) in Tübingen (D).

So verkündete etwa ein gefälschter Twitter-Account unter Schwabs Namen, dass bei Engpässen nur Geimpfte Lebensmittelpakete bekämen. Eine frei erfundene Aussage. Mal wird seinem Vater eine Vergangenheit als Vertrauter Adolf Hitlers angedichtet, mal soll der Wirtschaftswissenschaftler Teil der Bankiersfamilie Rothschild sein – eine antisemitische Chiffre für vermeintlich im Verborgenen agierende jüdische Machthaber.

Gefährliche Unwahrheiten

Die teils abstrusen Vorstellungen können reale Folgen haben. «Wir haben in der Forschung gesehen, dass Verschwörungstheorien zu einem stärkeren Misstrauen in Politik und in andere Menschen führten», sagt Pummerer. «Verschwörungsanhänger haben auch weniger Vertrauen in andere Menschen und halten sich seltener an soziale Normen. Das hat Konsequenzen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.»

Doch nicht jeder Unmut über das Weltwirtschaftsforum ist gleich ein Mythos. «Es ist wichtig, zwischen Verschwörungsideologien und Kritik zu unterscheiden», sagt Politikwissenschaftler Rathje. Kritik an den Herrschenden und Mächtigen sei wichtig für liberale Demokratien. Sie dürfe aber die Komplexität von Ereignissen nicht so weit reduzieren, dass es sich nur um eine Verschwörung von Eliten handeln könne.

«Es ist ein Kern von Verschwörungstheorien, dass Handlungen immer von böswilliger Absicht bestimmt gesehen werden», sagt Psychologin Pummerer. «Das unterscheidet sie von sachlicher Kritik, die auf Fakten fusst und Veränderung herbeiführen möchte.» (SDA/shq)

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