Freiburger Gemeindeangestellter (60) besorgt über die Teuerung
«Wie soll ich das schaffen, wenn die Preise weiter steigen?»

Ständig diese Unsicherheit, Einkaufen auf Sparflamme, immer weniger Budget, weil die Teuerung das Ersparte auffrisst. Ein Freiburger Gemeindeangestellter erzählt, wie ihm die Inflation wenige Jahre vor der Pensionierung Sorgen bereitet.
Publiziert: 30.08.2022 um 16:05 Uhr
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Aktualisiert: 30.08.2022 um 17:34 Uhr
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Antoine Hürlimann

Ist noch genug Geld da, um das Auto zu betanken? Vor einem der raren Restaurantbesuche den Kontostand abrufen zu müssen, ob er sich den Ausgang überhaupt leisten kann. Nur drei Tage war der Freiburger Gemeindeangestellte François Mueller* in diesem Sommer in den Ferien weg – und das weniger als 300 Kilometer entfernt von seinem Zuhause statt am Meer.

Mueller (60), ein kräftiger Mann, der sich eigentlich nie über etwas beschwert, hat sich so das Ende seiner Berufskarriere nicht vorgestellt. Er möchte nicht mit richtigem Namen in den Medien erscheinen. Auf keinen Fall will Mueller das Risiko eingehen, mit 60 Jahren seinen Job zu verlieren.

Die Inflation macht ihm seit einigen Monaten den Alltag sowieso schon ziemlich schwer. Der Freiburger Beamte, der seit 35 Jahren bei der Gemeinde in einem handwerklichen Beruf im Sold steht, rechnet vor: «Wenn die Preise weiter steigen, weiss ich wirklich nicht, wie ich das schaffen soll.» Er schätzt, dass seine Kaufkraft im letzten Jahr deutlich abgenommen hat. In Zahlen: Zwischen 500 und 600 Franken – pro Monat. Verzicht stehe an der Tagesordnung, damit er noch einigermassen über die Runden komme.

Dieser Mann, der François Mueller genannt werden will, weil er Angst hat, seinen Job kurz vor der Rente zu verlieren, macht die Inflation Probleme. Obwohl er zugibt, dass er gar nicht schlecht verdient.
Foto: Jean-Paul Guinnard
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Die Inflation tut weh

Nur einen Steinwurf vom Fluss Saane entfernt, macht Mueller beim Treffen mit Blick den Eindruck, dass sein Leben in bester Ordnung ist. Er lässt sich nichts anmerken, wie es ihm tatsächlich geht. Immerhin: Der Espresso ist mit 3.20 Franken günstig, der Preis weit unter dem Landesdurchschnitt von 4.25 Franken.

Dann geht es zu ihm nach Hause. Mueller nimmt Platz auf der Terrasse, wo seine Frau sitzt, und erzählt von seinen Sorgen. Wie ihn die Inflation trifft. Dabei betont er: «Es gibt natürlich Leute, denen es viel schlechter geht als mir. Ich habe ein Dach über dem Kopf und kann ab und zu mit meiner Frau etwas unternehmen.»

Wo also liegt das Problem? «Lohnerhöhungen kann ich in meinem Alter nicht mehr erwarten. Die letzte Erhöhung gab es vor sechs Jahren. Seitdem wird alles teurer, meine Kaufkraft nimmt ab. Das zwingt einen dazu, Entscheidungen zu treffen, von denen man nie gedacht hätte, dass man sie am Ende eines Arbeitslebens noch treffen muss.»

Auf dem Papier verdient der Mann, der seit seinem 16. Lebensjahr arbeitet, «ein ziemlich gutes Gehalt», wie er verrät. Bei einem monatlichen Einkommen von rund 7000 Franken bei einem 100-Prozent-Pensum sei es ihm auch unangenehm, darüber zu sprechen, dass er sich doch finanziell ziemlich einschränken muss. «Aber das ist die Realität», so Mueller.

Seine Frau arbeitet in der Kleinkinderbetreuung mit einem Mini-Gehalt. Wir haben weniger als 10'000 Franken brutto monatlich zur Verfügung, um sämtliche Kosten zu decken. «Wir mussten unseren Lebensstandard in letzter Zeit bereits senken und im Ruhestand wird es noch schlimmer werden, wenn man bedenkt, welche Renten wir bekommen werden...»

Bei der Gesundheit sparen

Die erste Massnahme, die das Paar widerwillig ergriff, war der Verzicht auf die halbprivate Krankenhausversicherung. «Das sind mehrere Hundert Franken, die wir jeden Monat sparen», fährt er fort. «Das verschafft uns etwas Luft, auch wenn es absurd ist, sich vorzustellen, dass man all die Jahre, in denen es einem gut ging, ins Leere gezahlt hat und nun darauf verzichten muss, wenn die ersten Altersbeschwerden kommen.»

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Mueller hat Probleme mit seinen Knien. Nachdem er sich nach einer möglichen Prothese erkundigt hat, hat er Angst vor weiteren Schritten. «Im Falle einer Operation müsste ich den Selbstbehalt von 10 Prozent zahlen, und daran möchte ich im Moment nicht denken.»

In guten Monaten könnten er und seine Frau manchmal 300 oder 400 Franken zur Seite legen, «aber bei jedem unvorhergesehenen Ereignis müssen wir auf unsere Ersparnisse zurückgreifen».

Unvorhergesehene Ausgaben sprengen Budget

Und solche unvorhergesehenen Ereignisse gibt es regelmässig. «Vor kurzem haben wir unserem Sohn finanziell geholfen, nach einer sehr schmerzhaften Trennung wieder Fuss zu fassen.» Das sei normal als Eltern. Eigentlich liege das aber nicht drin. «Bei grossen Ausgaben drohen wir in die roten Zahlen zu rutschen.»

Laut Mueller gibt es durchaus Möglichkeiten, um der Inflation zu begegnen. Diese seien politischer Natur. «Die Steuern auf Benzin könnten in dieser schwierigen Zeit gesenkt werden», wirft er ein. Aber das würde nicht ausreichen. «Heute werden die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher.» Es könnte gezielte Steuersenkungen für die Mittelschicht geben, eine Anpassung der Löhne an die Lebenshaltungskosten, schlägt er vor. «Die Gemeinden, Kantone und der Bund müssen jetzt handeln. Wir können nicht länger warten!»

* Namen von der Redaktion geändert

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