Haushaltsgründungen nehmen zu, Wohnungsbau stockt
In der Schweiz fehlen 10'000 Wohnungen

In der Schweiz werden seit 2001 mehr Haushalte gegründet, als Wohnungen gebaut werden. Bereits jetzt fehlen deshalb 10'000 Wohnungen. Das lässt die Mieten in die Höhe klettern.
Publiziert: 30.03.2023 um 17:00 Uhr
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Aktualisiert: 31.03.2023 um 09:13 Uhr
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Dorothea VollenweiderRedaktorin Wirtschaft

Der Wohnungsmangel in der Schweiz verschärft sich weiter. Einerseits, weil die Anzahl Haushalte stark zunimmt. Andererseits, weil die Bauaktivität seit Jahren abnimmt. Im letzten Jahr wurden Neubaubewilligungen für lediglich 42'200 Wohneinheiten gezählt − dies entspricht dem niedrigsten Wert seit 2003.

Dabei wären gerade jetzt viele zusätzliche Wohnungen gefragt. Das zeigen neue Zahlen der Immobilien-Studie von Wüest Partner. In der Frühlingsausgabe des Immo-Monitorings hat das Beratungsunternehmen die Anzahl zusätzlich gegründeter Haushalte pro Jahr eruiert. Die Zahl dürfte von 50'000 im Jahr 2021 auf rund 55'000 neue Haushalte 2023 steigen.

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Der Wohnungsbau stockt

Gleichzeitig entstehen laut der Studie dieses Jahr rund 46'000 neue Wohnungen. Diese Zahl beinhaltet Neu- und Umbauten genauso wie Aufstockungen. Stellt man die Haushaltsgründungen der Anzahl Baubewilligungen pro Jahr gegenüber, wird klar: Der Schweiz fehlen bereits 2023 rund 10'000 Wohnungen.

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Das heisst zwar nicht, dass demnächst 10'000 Haushalte obdachlos sein werden. Doch diese Wohnungen fehlen als sogenannte Fluktuationsreserve. Das sind die Wohnungen, die frei sein müssten, damit bestehenden Haushalte umziehen können. «Wenn diese Fluktuationsreserve zu klein ist, dann hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass die Mieten der inserierten Wohnungen besonders stark steigen», sagt Robert Weinert (44), Leiter Immo-Monitoring von Wüest Partner.

Mehr Single-Haushalte

Neben der abnehmenden Bautätigkeit trägt auch die Nachfrage zum Wohnungsmangel bei. Einer der Hauptgründe für die grosse Nachfrage ist das Bevölkerungswachstum. Dazu kommen aber noch weitere Faktoren. «Die Grösse der zusätzlichen Haushalte hat nachweislich abgenommen», sagt Weinert. Und je kleiner die Haushalte, desto mehr Wohnungen werden nachgefragt. Das steht in direkter Verbindung mit dem Wohlstand: Wenn mehr Menschen es sich leisten können, alleine zu leben, führt das zu einem Anstieg der Haushaltszahl. Auch die Zunahme der Lebenserwartung führt dazu, dass mehr Menschen in Ein- oder Zweipersonenhaushalten leben.

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«Wenn diese Fluktuationsreserve zu klein ist, dann steigen die Mieten der inserierten Wohnungen besonders stark an.»
Robert Weinert, Leiter Immo-Monitoring von Wüest Partner
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Zudem verändert sich die Gesellschaftsstruktur: Menschen lassen sich scheiden oder beenden eine Beziehung. Das zieht ebenfalls einen Anstieg der Haushaltsgründungen nach sich. Dazu kommt die Migration. Je niedriger die Arbeitslosenquote in der Schweiz ist, desto mehr müssen Firmen auf Arbeitskräfte im Ausland zurückgreifen. Auch das erhöht in gewissen Regionen die Anzahl Haushalte.

Knappheit lässt Mieten steigen

Das alles macht den Bau von zusätzlichen Wohnungen dringlich. Nur so kann der Anstieg der Mieten ausgebremst werden. Aktuell erwartet Wüest Partner bei den ausgeschriebenen Wohnungen 2023 im Schnitt eine Zunahme der Mieten um 3,2 Prozent. Auch bestehende Mietverhältnisse werden teurer. Per 1. Juni 2023 dürfte der Referenzzinssatz auf 1,5 Prozent angehoben werden. Dadurch können die Mieten in laufenden Mietverträgen zum nächsten Kündigungstermin Ende September 2023 um 3 Prozent erhöht werden.

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«Es sollte zwar nicht das Ziel sein, um jeden Preis überall neue Wohnüberbauungen zu errichten», sagt Weinert. Dennoch könnten die Behörden den vorhandenen Handlungsspielraum vermehrt nutzen und die rechtlichen Rahmenbedingungen anpassen, so der Experte. «Beispielsweise indem einzelne Regulierungen wie die Lärmschutzverordnung gelockert werden.» Oder indem die Ausnützungsreserven erhöht werden – also mehr Wohnraum pro Grundstückfläche gebaut werden darf –, wenn ökologisch nachhaltig gebaut wird.

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