Leitzins um 0,25 Prozentpunkte erhöht – SNB-Präsident pessimistisch
Keine Entwarnung für Haushaltsbudgets

Die Schweizerische Nationalbank erhöht den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte. Damit halbiert sie das Tempo bei den Zinserhöhungen. Ist das die Trendwende?
Publiziert: 22.06.2023 um 09:31 Uhr
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Aktualisiert: 22.06.2023 um 12:03 Uhr
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

Gute Nachrichten für die Schweizer Bevölkerung: Die Nationalbank drosselt das Tempo bei den Zinsschritten und erhöht den Leitzins nur um 0,25 Prozentpunkte auf neu 1,75 Prozent, wie die Schweizerische Nationalbank (SNB) am Donnerstagvormittag bekannt gibt. Seit vergangenem Sommer hatte die SNB den Leitzins viermal um jeweils 0,5 Prozentpunkte erhöht. Der kleinere Zinsschritt lässt darauf schliessen, dass die SNB im Kampf gegen die Inflation eine Entspannung sieht. Sie habe ihre Inflationsprognose bis Ende 2023 nach unten korrigiert, wie Präsident Thomas Jordan (60) sagt. «Kurzfristig dämpfend wirken die tieferen Erdöl- und Gaspreise und der stärkere Franken.» Für eine Entwarnung sei es aber noch deutlich zu früh. «Ab 2024 liegt die neue Prognose trotz der heutigen Anhebung des SNB-Leitzinses höher als noch im März», führt Jordan aus. Die SNB rechnet neu mit einer Inflation von 2,2 Prozent fürs laufende und kommende Jahr.

Ein Blick auf die Teuerungsentwicklung zeigt: Die Inflation in der Schweiz ist von April auf Mai von 2,6 auf 2,2 Prozent gesunken. Noch im Januar hatte sie bei 3,3 Prozent gelegen. Das Inflationsziel der SNB liegt in der Bandbreite von 0 bis 2 Prozent.

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Die Mehrheit der Marktakteure an der Börse hatte mit dem Zinsschritt von 0,25 Prozentpunkten gerechnet. Gemäss den Erwartungen dürfte die SNB die Zinsen im September ein letztes Mal um 0,25 Prozentpunkte auf dann 2 Prozent erhöhen. Jordan dazu: «Es ist nicht auszuschliessen, dass zusätzliche Zinserhöhungen nötig sein werden, um die Preisstabilität in der mittleren Frist zu gewährleisten.»

Die SNB erhöht den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 1,75 Prozent.
Foto: IMAGO/Andreas Haas
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Luft für Preiserhöhungen wird dünner

Der Inflationsrückgang in der Schweiz ist unter anderem auf eine starke Korrektur bei den Energiepreisen zurückzuführen. Erfreulich war zuletzt aber auch die Entwicklung der Kerninflation. Bei dieser wird ohne die volatilen Energiepreise und Lebensmittelpreise gerechnet. Die Kerninflation war im letzten Herbst kontinuierlich von 1,8 auf 2,4 Prozent angestiegen und ist bis im Mai wieder auf 1,9 Prozent gesunken. Die Preiserhöhungen bei Gütern und Dienstleistungen haben sich also deutlich verlangsamt.

Zudem sind die Produzentenpreise im Mai sogar leicht gesunken: Das heisst, dass die Wirtschaft die Zweitrundeneffekte der Teuerung – wie beispielsweise Lohnerhöhungen – gegenwärtig verdaut hat. Damit wird die Argumentationsgrundlage für weitere Preiserhöhungen immer dünner. Trotzdem geht die SNB davon aus, dass die Preisentwicklung bei inländischen Waren und Dienstleistungen die Teuerung weiter antreiben wird.

Zinsschritt lässt Mieten steigen

Für die Budgets in den Schweizer Haushalten ist in den nächsten Monaten keine Entlastung zu erwarten. Thomas Jordan erklärt den weiterhin hohen Inflationsdruck. «Gründe dafür sind anhaltende Zweitrundeneffekte, höhere Strompreise und Mieten sowie der persistentere Inflationsdruck aus dem Ausland.» Doch auch die Zinserhöhungen der SNB haben steigende Mieten zur Folge. Das ist auch SNB-Präsident Jordan klar. Das Problem: Die Mieten haben einen grossen Anteil am Warenkorb, der die Teuerung misst. Also heizen die steigenden Mieten die Teuerung weiter an. Ein Teufelskreis, es droht eine Art Mieten-Zins-Spirale.

Auf die Frage von Blick antwortet der SNB-Präsident mit Nachdruck: «Ohne Zinserhöhungen besteht die Gefahr, dass wir später einen viel höheren Preis bezahlen müssen. Wir dürfen nicht den Fehler machen, die Inflation zu spät bekämpfen.» Das sind schlechte Nachrichten für Mieter und Hausbesitzer: Die Inflation bleibt hartnäckig, weitere Zinserhöhungen könnten folgen. «Es ist offen, wie stark die Mieten die Teuerung tatsächlich beeinflussen», so Jordan. «Ein paar Zehntel könnten es schon sein». Allerdings sei das ein «vorübergehender Effekt», beruhigt der SNB-Präsident. Dass sich Zinsen und Mieten gegenseitig hochschaukeln, schliesst Jordan explizit aus.

EZB-Entscheid könnte Franken unter Druck setzen

Die SNB zieht durch die Zinserhöhung mit der Europäischen Zentralbank gleich: Diese hat den Leitzins bereits vor einer Woche um 0,25 Prozentpunkte auf 4 Prozent hochgeschraubt. Die Inflation in der Eurozone lag im Mai noch bei 6,1 Prozent. Und während die SNB erst im September über einen nächsten Zinsschritt entscheidet, wird die EZB einen möglichen nächsten Schritt bereits am 27. Juli kommunizieren. Die erwartete Erhöhung dürfte beim Schweizer Franken für einen Abwertungsdruck sorgen – und das würde wiederum den Inflationsdruck in der Schweiz erhöhen.

Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hingegen hat vor einer Woche eine Zinspause kommuniziert und den Leitzins in der Spanne von 5,00 bis 5,25 Prozent belassen. Die Fed hat den Kampf gegen die Inflation aber auch deutlich früher in Angriff genommen und kann im Gegensatz zur EZB die deutlich grösseren Erfolge vorweisen. So betrug die Teuerung in den USA im Mai nur noch 4 Prozent.

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