Irischer Mietwohnungsmarkt spielt verrückt – Schweiz ist davon noch weit entfernt
«Das grösste Risiko für Obdachlosigkeit ist eine Mietwohnung»

In vielen Haushalten in der Schweiz sind die Mieten der grösste Budgetposten. Von irischen Verhältnissen ist man hierzulande aber noch weit entfernt. Der liberale Mietwohnungsmarkt auf der Insel spielt verrückt. Zwei Drittel der jungen Iren wohnen bei den Eltern.
Publiziert: 02.04.2024 um 12:16 Uhr
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Aktualisiert: 11.04.2024 um 10:24 Uhr
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

Die hohen im Internet inserierten Mieten bereiten vielen Haushalten in den Schweizer Ballungszentren Zürich, Bern, Basel oder Genf Sorgen. Gerade in der Stadt Zürich sorgt die Wohnungssuche für viel Frust. Bei Besichtigungen von Wohnungen mit verhältnismässig tiefen Mieten bilden sich lange Schlangen. Verlieren langjährige Mieter wegen einer Sanierung und eines Ersatzneubaus ihr Daheim, fürchten viele, keine bezahlbare Alternative finden zu können. Doch im Vergleich zu Dublin sieht der Schweizer Wohnungsmarkt geradezu rosig aus.

In der irischen Hauptstadt herrscht eine Wohnungsnot, wie man sie in der Schweiz nicht kennt – und hoffentlich auch nie wird kennenlernen müssen. Die Mieten in Dublin sind derart hoch und die Wohnungsnot so gross, dass zwei Drittel der unter 30-jährigen Erwachsenen bei ihren Eltern leben.

Das überrascht kaum: Gemäss Daten des irischen Immobilienportals Daft liegt die Durchschnittsmiete in Dublin bei über 2300 Euro pro Monat. Das sind rund 60 Prozent des nationalen Medianeinkommens. Heisst: Die Hälfte der Vollzeitbeschäftigten im Land verdient mehr, die Hälfte weniger.

Die Durchschnittsmiete in Dublin liegt bei über 2300 Euro.
Foto: imago images/VWPics
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Mieten in nur zehn Jahren verdoppelt

Nun hat auch der Ryanair-CEO Michael O'Leary (63) auf die exorbitant hohen Mieten reagiert. Die Angestellten der Fluggesellschaft finden in Dublin keine bezahlbaren Wohnungen mehr. Deshalb liess O'Leary am Stadtrand von Dublin und in Flughafennähe 25 Häuser bauen, in denen neue Crewmitglieder vergünstigt wohnen dürfen, wie der «Spiegel» berichtet. Das deutsche Magazin berichtet davon, dass die Mieter in Dublin nichts zu melden haben. Wer aufbegehrt, wird aus der Wohnung geschmissen. Und sogar für Schimmel-Zimmer in einer WG müssen Mieter tief in die Taschen greifen.

Innerhalb von zehn Jahren haben sich die Mieten in der Stadt praktisch verdoppelt. Das liegt zum einen am äusserst schwachen Mieterschutz in Irland, der die Mietpreise befeuert. Und an der grossen Zuwanderung der letzten zwei Jahrzehnte. In dieser Zeit ist die Bevölkerung Irlands um rund 25 Prozent auf 5,1 Millionen Einwohner gewachsen. Trotz hohem Wirtschaftswachstum sind in Irland so viele Familien obdachlos wie seit 170 Jahren nicht mehr. «Das grösste Risiko für Obdachlosigkeit in Irland ist eine Mietwohnung», sagt John Mark McCafferty, Geschäftsführer der Hilfsorganisation Threshold zum Nachrichtenmagazin.

Bauboom ohne Immobilienfirmen

Auch die Schweiz wächst derzeit so schnell wie noch nie. Doch das hiesige Mietrecht verhindert eine vergleichbare Mietzinsexplosion. So sind bei bestehenden Mietverhältnissen Mietzinserhöhungen stark eingeschränkt. Und generell dürften Eigentümer mit ihren Mietwohnungen eine maximal erlaubte Nettorendite von 3,75 Prozent erzielen. Eine Ausnahme bilden Objekte, die über 30 Jahre alt sind.

Das Parlament sträubt sich zwar gegen eine systematische Kontrolle der erlaubten Renditen, die bei vielen Wohnungen zu hoch ausfallen, wie Studien mehrfach belegt haben. Trotzdem hat die Gesetzgebung eine dämpfende Wirkung.

Die grosse Bautätigkeit in Dublin konnte die extremen Mietanstiege im letzten Jahr stark verlangsamen. Gleichzeitig haben sich die privaten Immobilieninvestoren auf breiter Front von Neubauprojekten verabschiedet. Nach Jahren mit riesigem Wachstum dürfte die irische Wirtschaft in diesem Jahr nur noch um zwei Prozent zulegen. Diese Unsicherheit schreckt Private ab, die dank der höheren Zinsen inzwischen wieder genügend Anlagealternativen haben.

Doch der Staat und andere Wohnbauträger sind eingesprungen und wollen die Zahl der Sozialwohnungen und bezahlbaren Wohnungen erhöhen. Sie halten die Wohnbautätigkeit hoch. Und sorgen künftig vielleicht wieder dafür, dass junge Iren bei ihrem 40. Geburtstag nicht noch bei ihren Eltern wohnen.


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