Jelmoli-Angestellte erheben schwere Vorwürfe gegen Chefetage
«Die haben untereinander Krieg geführt»

850 Angestellte an der Zürcher Bahnhofstrasse verlieren durch das Jelmoli-Aus ihren Job. Viele von ihnen sind überzeugt: Die Führungsriege ist schuld am Ende des Traditions-Warenhauses. Offenbar gab es interne Querelen.
Publiziert: 14.02.2023 um 00:58 Uhr
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Aktualisiert: 14.02.2023 um 06:55 Uhr
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Sarah FrattaroliStv. Wirtschaftschefin

Eine unglückliche Verkettung von Onlinehandel, Pandemie und hohen Mietpreisen an der Zürcher Bahnhofstrasse haben das Ende des Traditionswarenhauses Jelmoli besiegelt – oder etwa nicht? Zahlreiche Jelmoli-Mitarbeitende und ehemalige Angestellte haben sich seit der Ankündigung der Schliessung bei Blick gemeldet. Sie erzählen eine andere Geschichte.

«850 Leute verlieren den Job, weil in der Chefetage Fehler gemacht wurden», sagt Paul J.* Er hat fast drei Jahrzehnte lang für Jelmoli gearbeitet, am Ende in leitender Funktion. Er will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen, weil er bis heute in der Branche tätig ist. «Es wäre gar nicht nötig gewesen, dass es so weit kommt.»

«Zu lange zugewartet»

Etwa, wenn Jelmoli das Online-Shopping zu seinen Gunsten genutzt hätte, statt sich davon auffressen zu lassen. «Aber seit zehn Jahren bringt man keinen funktionierenden Onlineshop hin», kritisiert J. Tatsächlich sind auffällig viele Klicks nötig, um sich etwa Frauen-Blazer oder Herren-Schuhe anzeigen zu lassen.

Ehemalige Jelmoli-Angestellte erheben Vorwürfe gegen die Führungsriege. (Symbolbild)
Foto: keystone-sda.ch
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Von Blick auf die Probleme beim Online-Handel angesprochen, gibt Jelmoli Fehler zu: «Es ist uns bewusst, dass es noch Lücken zu schliessen gab und teilweise zu lange zugewartet wurde.» In den letzten Jahren sei allerdings viel investiert worden, was zu einem Anstieg der Online-Verkäufe geführt habe. Das kam aber ganz offensichtlich zu spät.

Bei der Konkurrenz läuft es offenbar besser: Globus mache mit seinem Online-Angebot mittlerweile stattliche Umsatzzahlen, gibt Insider Paul J. zu Protokoll.

Hohe Fluktuation

Noch viel stärker ins Gewicht fällt die Stimmung unter den Mitarbeitenden. Diese sei schlecht – und zwar schon seit Monaten, melden mehrere Betroffene übereinstimmend.

Auf Kununu, einem Bewertungsportal für Arbeitgeber, erhält Jelmoli gerade einmal 2,4 von 6 möglichen Sternen. Die Rückmeldungen sind mit Vorsicht zu geniessen, Kununu wird typischerweise von missmutigen Ex-Angestellten genutzt, die mit dem Arbeitgeber noch eine Rechnung offen haben. Auch andere – teils renommierte – Schweizer Arbeitgeber müssen dort regelmässig einstecken. Dennoch: Jelmoli schneidet deutlich schlechter ab als der Durchschnitt der Branche (3,3 Sterne).

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«Die Abteilungen haben untereinander Krieg geführt.»
Karin M.*, ehemalige Jelmoli-Mitarbeiterin
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Karin M.*, eine ehemalige HR-Mitarbeiterin – auch sie will anonym bleiben –, erzählt Blick, dass die Fluktuation ausserordentlich hoch war. Ihr Team sei innert weniger Jahre mehrfach komplett ausgetauscht worden.

«Die Abteilungen haben untereinander Krieg geführt», so M. Sie war in ihrer Funktion regelmässig an Geschäftsleitungssitzungen präsent. «Wenn in einer Abteilung etwas nicht gut lief, hat sich ein anderer Bereich gefreut.» Ein anderer Ex-Angestellter spricht von einer «unfähigen Führungsriege».

Wer kann, kündigt

Davon will Jelmoli auf Anfrage nichts wissen. Nur so viel: «Das Wohl all unserer Angestellten hat für uns oberste Priorität.» Es gebe unter anderem interne Sprechstunden, um solche Sorgen zu teilen.

Die Fluktuation sei branchenüblich, heisst es weiter. Nun versucht man Anreize zu setzen, um die Angestellten bis zur Schliessung Ende 2024 bei der Stange zu halten. Wie genau diese aussehen – ob Angestellte, die bis zum bitteren Ende an Bord bleiben, zum Beispiel eine Prämie ausgezahlt kriegen –, will Jelmoli nicht verraten.

Dennoch ist absehbar, dass es in nächster Zeit zu vermehrten Kündigungen kommen wird. Wer kann, sucht sich bereits jetzt eine neue Stelle. Der Fachkräftemangel spielt den Angestellten in die Karten, sie finden schnell Anschlusslösungen.

*Name der Redaktion bekannt

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