Klage gegen Schweizer Plattform Viagogo
Psychologischer Trick beim Ticket-Verkauf soll illegal werden

Der Konsumentenschutz hat bei der Genfer Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige gegen die Ticketplattform Viagogo eingereicht. Die Forderung: Manipulative Verkaufstechniken sollen verboten werden.
Publiziert: 10.07.2024 um 16:19 Uhr
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Aktualisiert: 10.07.2024 um 16:21 Uhr
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Chantal Hebeisen
Beobachter

Angenommen, Sie sind ein grosser Taylor-Swift-Fan, haben es aber nicht geschafft, eines der begehrten fast 100’000 Tickets für die Shows im Zürcher Letzigrund zu ergattern. Über eine Suchmaschine landen Sie auf der Ticketplattform Viagogo und sehen, dass der US-Star demnächst in Mailand spielt. Darunter der Hinweis: «Diese Veranstaltung wird voraussichtlich innerhalb von einem Tag ausverkauft sein auf unserer Website.»

Sie wählen zwei Tickets zum stolzen Preis von je 1166 Franken aus – und werden nun aufgefordert, den Countdown von zehn Minuten zu starten. Nur so lange hätten Sie Zeit, den Kauf zum aktuellen Preis abzuschliessen, suggeriert die Seite. Es bleibt also keine Zeit, sich den teuren Kauf nochmals zu überlegen oder zu vergleichen, ob die Tickets anderswo günstiger zu haben sind.

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Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.

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Denn die in Genf ansässige Viagogo GmbH ist lediglich eine Wiederverkäuferin, und der Originalpreis der Tickets ist auf der Plattform nirgends sichtbar. Zudem werden erst in einem späteren Schritt weitere Gebühren angezeigt.

Viagogo ist ein Sekundärmarkt für Tickets.
Foto: IMAGO/Zoonar
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Strafanzeige gegen Viagogo

Regelmässige Konzertbesucherinnen dürften den Vorgang bereits kennen. Dark Patterns nennt man diese manipulativen Verkaufstechniken, die Konsumenten dazu bringen sollen, die meist überteuerten Tickets zu kaufen.

«Mit einer vorgegaukelten Knappheit des Angebots und dem Countdown wird Druck aufgebaut, der den Käuferinnen nicht mehr die freie Wahl lässt», sagt Lucien Jucker, Leiter Datenschutz und IT beim Konsumentenschutz zum Beobachter.

Der Konsumentenschutz hat deshalb bei der Genfer Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige eingereicht wegen Verstosses gegen das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). «Die Kunden werden durch die aggressiven Verkaufsmethoden in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt», sagt Geschäftsleiterin Sara Stalder zum Beobachter.

Nach Einschätzung des Konsumentenschutzes und eines externen Rechtsgutachtens sind die zahlreichen Hinweise auf das knappe Angebot und der zeitliche Druck ausreichend für die Anzeige.

Der Konsumentenschutz hatte im vergangenen Jahr in einer gross angelegten Untersuchung rund 300 Websites von Schweizer Firmen oder mit Bezug zur Schweiz auf solche Dark Patterns analysiert. «Es gibt weitere Firmen, die ähnlich häufig Dark Patterns einsetzen wie Viagogo, und teilweise sind die nicht weniger problematisch», sagt Jucker.

Doch gemäss dem Rechtsgutachten sei eine automatisch zum Warenkorb hinzugefügte Transportversicherung nicht ausreichend, um gegen das UWG zu verstossen. Denn man könne die Versicherung manuell wieder entfernen. «Bei Viagogo hat der Einsatz dieser Verkaufstaktiken ein Mass erreicht, das gegen das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verstösst.»

Dark Patterns sollen strafbar werden

Es ist nach 2021 bereits die zweite Anzeige, die der Konsumentenschutz gegen die Genfer Firma Viagogo eingereicht hat. «Die erste Anzeige wurde bisher von der Staatsanwaltschaft noch nicht mal behandelt – was Viagogo hilft, sie können einfach unbehelligt weitermachen mit ihrem unlauteren Geschäft», sagt Stalder.

Auch für die jüngste Anzeige ist sie deshalb wenig optimistisch. «Konsumentenanliegen werden nicht prioritär behandelt. Wenn sie dann behandelt werden, werden die Anzeigen oft abgeschmettert, weil die Behörden den Gesetzestext zuungunsten der Konsumentinnen auslegen.»

Aus diesem Grund fordert der Konsumentenschutz eine Anpassung im UWG: «Dark Patterns sollen explizit als Straftatbestand ins Gesetz aufgenommen werden – damit die Konsumenten besser geschützt werden können», so Stalder.

Denn obwohl das Thema der problematischen Ticketwiederverkäufe immer wieder in den Medien behandelt wird, sagt Stalder: «Vielen Käuferinnen sind diese Praktiken noch zu wenig bewusst – und sie begreifen erst nach dem Kauf, dass sie die Tickets massiv überteuert gekauft haben.»

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