Familie ärgert sich über teurere Tageskarten
«Das ist aus unserer Sicht eine absolute Frechheit!»

Familie B.* ist im Skigebiet Sörenberg Stammgast und erlebt am Sonntag ihr blaues Wunder. Die Bergbahnen haben am Wochenende dynamische Preise eingeführt. Die Familie zahlt deshalb deutlich mehr als im letzten Winter.
Publiziert: 24.01.2023 um 00:13 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2023 um 08:25 Uhr
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

Die Vorfreude war gross: Familie B.* freute sich am Sonntag auf einen Skitag im Skigebiet Sörenberg LU, erlebte am Morgen an der Kasse aber ihr blaues Wunder. Für zwei Erwachsene und zwei Kinder zwischen 6 und 15 Jahren musste die Familie für die Tageskarten 184.80 Franken abdrücken. «Das ist aus unserer Sicht eine absolute Frechheit!», meldet sich Leser Hans B. bei Blick. Da er aus der Region kommt, will er anonym bleiben.

Die Bergbahnen Sörenberg haben am vergangenen Samstag dynamische Preise eingeführt – mitten in der Saison. Damit sind sie einem seit Jahren anhaltenden Trend in der Schweizer Bergbahnbranche gefolgt. Immer mehr Bahnen setzen auf variierende Preise, die sie anhand von mehreren Faktoren berechnen. In Sörenberg fliessen hierfür Daten aus der Vergangenheit, die Nachfrage für den besagten Tag, die kurzfristige Wetterprognose und der Kaufzeitpunkt mit ein. Je früher ein Gast bucht, desto günstiger ist der Skipass.

«Abzocker-Strategie»

In der letzten Saison kostete die Tageskarte pro erwachsene Person fix 54 Franken und 27 Franken für ein Kind zwischen 6 und 15. Macht für zwei Erwachsene und zwei Kinder 162 Franken. Mit den dynamischen Preisen zahlte Familie B. am Sonntag nun happige 14 Prozent mehr.

Eine Familie ärgert sich im Skigebiet Sörenberg über die höheren Preise.
Foto: Zvg
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Für Hans B. eine klare «Abzocker-Strategie». Er sei sich bewusst, dass Bergbahnen in diesem Winter höhere Strompreise bezahlen müssten und auch sonst unter der Inflation leiden. Doch diese Preiserhöhung sei «unverschämt», sagt er. «Wie wir in vielen Diskussionen im Skigebiet mitbekommen haben, findet man dieses Vorgehen unerhört.» Schliesslich könne Sörenberg einerseits keine Schneegarantie bieten, andererseits gebe es viele alte Anlagen.

Hans B. ist enttäuscht von den Bergbahnen, die sich als Familiendestination vermarkten. «Wie soll sich das eine Familie leisten können?», sagt Hans B. Eines sei klar: «Mit der aktuellen Preisstrategie und dieser Arroganz hat Sörenberg viele Kunden verärgert und nun auch verloren.»

«Viele positive Rückmeldungen»

Von diesem Ärger hat René Koller (62), Direktor der Bergbahnen Sörenberg, bis anhin kaum etwas mitbekommen, wie er zu Blick sagt. «Wir haben viele positive Rückmeldungen erhalten. Viele buchen ihren Aufenthalt in Ferienwohnungen oder Hotels und auch die Skitickets im Voraus und fahren damit bedeutend besser als bisher.» Am letzten Wochenende sei ein kurzfristiger Ticketkauf sicher etwas teurer gewesen, da zwischen 5000 und 6000 Skifahrerinnen und Skifahrer im Gebiet waren.

Eigentlich hatten die Bergbahnen die Einführung dynamischer Preise bereits auf Anfang Saison angekündigt, den Start dann aber verschoben. Wegen Schneemangel seien bei Saisonbeginn zu wenig Anlagen offen gewesen, als dass die Bergbahnen den Gästen den neuen Maximalpreis zumuten wollten. Stattdessen setzen die Bahnen die Preise sogar herunter. Erwachsene zahlten anfangs 40 und später dann 45 Franken.

Schnäppchen für Frühbucher

Seit Samstag variieren die Preise für Erwachsene in Sörenberg zwischen 40 und 69 Franken. Wer für denselben Tag am Morgen eine Tageskarte löst, zahlt mindestens den Preis der vergangenen Saison. Wer rechtzeitig bucht, kann hingegen ein Schnäppchen landen. Aktuell zahlen zwei Erwachsene und zwei Kinder für den 22. Februar 138.60 Franken. Gegenüber den letztjährigen Preisen entspricht dies einem Spareffekt von 14 Prozent. Noch günstigere Tickets gibts es Stand heute für März: Einsparpotenzial 25 Prozent.

«Wir haben das Modell eingeführt, weil immer mehr Leute Teilzeit arbeiten und auch unter der Woche Ski fahren. Mit den dynamischen Preisen können wir die Anlagen besser auslasten.» Das System mit den Vorausbuchungen erhöhe zudem die Planungssicherheit für die Gastronomie und die Bergbahnen. «So sehen wir etwas früher, mit wie vielen Leuten an einem bestimmten Tag zu rechnen ist.»

Kritik vom Konsumentenschutz

Sara Stalder (56), Geschäftsführerin Stiftung für Konsumentenschutz, kritisiert die dynamischen Preismodelle bei Bergbahnen bereits seit Jahren. «Solche Modelle sind sehr intransparent. Familien können nicht mehr richtig budgetieren, wie viel ein Skitag kostet, und müssen teilweise das Anderthalb- bis Zweifache bezahlen.»

Der Konsumentenschutz hat vor einem Jahr die dynamischen Preise in zehn Skigebieten untersucht. Das Ergebnis: «Totale Willkür. Für die Gäste ist es eine totale Lotterie», so Stalder. Es gebe keine verlässlichen Nenner. So sei der Preis plötzlich trotz schlechtem Wetter an der oberen Grenze. «Im Endeffekt geht es nur darum, dass die Anbieter mehr Geld verdienen können.» Die Konsumentenschützerin verweist auf Deutschland und Österreich, wo noch deutlich mehr Bahnen auf starre Preise setzen.

Dynamische Preise gibt es schon lange

Ganz anders sieht das Christian Laesser (59). «Dynamische Preismodelle sind das Normalste der Welt. In anderen Branchen sind solche Preismodelle schon lange etabliert», sagt der Tourismusökonom der Universität St. Gallen. So zahlt man auch für ein Uber-Taxi je nach Nachfrage und Wochentag tiefere oder höhere Fahrpreise. Airlines und Hotels passen ihre Preise ebenfalls an die Nachfrage und den Buchungszeitpunkt an.

«Wer als Gast früher bucht und damit bereit ist, etwas Flexibilität aufzugeben und Risiko zu nehmen, bezahlt einen tieferen Preis», sagt Laesser. «Aber natürlich wollen die Bergbahnen mit den dynamischen Preisen die Durchschnittseinnahmen pro Tag erhöhen, was in vielen Fällen auch gelingt, führt er aus. Die Dezember-Zahlen von Seilbahnen Schweiz bestätigen dies.

Bergbahnen profitieren

Die Bergbahnen im Wallis konnten mit Blick auf den Fünfjahresschnitt bis Ende Dezember bei den Eintritten um fünf Prozent und beim Umsatz um neun Prozent zulegen. In Graubünden sanken die Eintritte im Fünfjahresschnitt um sieben Prozent, gleichzeitig zog der Umsatz aber um sechs Prozent an. Die Gäste haben aufgrund der geringen Schneemengen zum Winterstart ihre Tickets oft erst auf den letzten Drücker gekauft. Ein weiterer Grund: Viele Gebiete haben ihre Preise wegen der hohen Energiepreise auf diesen Winter hin erhöht.

Neben Sörenberg setzen auch viele andere Bergbahnen auf dynamische Preise. In der Aletsch Arena VS reicht die Bandbreite von 50 bis 72 Franken. In Gstaad BE gehen die Preise von 49 bis 79 Franken. In Zermatt VS müssen für eine Tageskarte mindestens 83 Franken hingelegt werden. Zermatt kommuniziert keine Preisobergrenze für Tageskarten.

* Name geändert

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