Knall im Telekommarkt
Sunrise geht zurück an die Börse – was das für dich heisst

Der Mutterkonzern Liberty Global will Sunrise ausgliedern. Noch in diesem Jahr soll der Schweizer Telekomanbieter an der Schweizer Börse SIX gelistet werden. Was der Börsengang für Mobilfunk- und Festnetzkunden in der Schweiz bedeutet.
Publiziert: 16.02.2024 um 14:45 Uhr
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Aktualisiert: 16.02.2024 um 16:54 Uhr
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Ulrich RotzingerWirtschaftschef

Aufregung am Hauptsitz in Opfikon ZH: Die gut 2700 Sunrise-Mitarbeitenden haben kurz vor dem Gang ins Wochenende von ihrem Chef André Krause (53) erfahren, dass der britische Mutterkonzern Liberty Global den Schweizer Telekomanbieter in die Eigenständigkeit entlässt – und an die Schweizer Börse SIX bringen will. Gleichzeitig geht eine Mitteilung an die Medien raus. Die zweite an diesem Freitag. 

Am Vormittag hat Sunrise über den Geschäftsgang informiert. Der Paukenschlag im Schweizer Telekommarkt war da noch mit keinem Wort erwähnt! Zur Erinnerung: Gegenwärtig läuft eine Entlassungswelle, zahlreiche Kündigungen werden ausgesprochen.

Der Börsengang erschüttert das Unternehmen nun zusätzlich. Er wirft auch Fragen bei den fast 2,8 Millionen Mobilfunkkunden in der Schweiz auf. Hinzu kommen Hunderttausende Festnetz-, TV- und Firmenkunden.

Sunrise wird von Liberty Global abgespalten.
Foto: keystone-sda.ch
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Liberty Global hatte Sunrise Ende 2020 in einer 6,8 Milliarden Franken schweren Übernahme erworben und in der Folge mit der eigenen Kabelnetzbetreiberin UPC zusammengelegt. Damit wurde ein potenterer Herausforderer für den Platzhirsch Swisscom geschaffen, der mehr Kunden und Marktanteil erreichte.

Was Liberty mit Sunrise plant

Aus der Mitteilung geht hervor, dass Liberty um Chef Mike Fries (61) für Sunrise einen Spin-off plant. Das ist kein klassischer Börsengang, bei dem jeder im Vorfeld Aktien zeichnen kann. Es geht vorderhand auch nicht darum, Kapital einzusammeln. Hier kommen in einem ersten Schritt nur bestehende Liberty-Investoren anteilig zum Zug. Dazu gehört neben Fries unter anderem auch der Milliardär John Malone (82). Der Medienmogul ist mit knapp 12 Prozent Liberty-Hauptaktionär. 

Der Börsengang findet an der Schweizer Börse SIX statt. Dieser soll im dritten, spätestens vierten Quartal 2024 über die Bühne gehen. Gehandelt werden die Aktien wohl aber nicht im Leitindex SMI, sondern im erweiterten SMIM. Geschätzter Unternehmenswert: 8 bis 10 Milliarden Franken. 

Die Eigenständigkeit ist für Sunrise um Chef Krause sicher ein Pluspunkt. «Wir freuen uns, dass wir wieder in der Schweiz börsenkotiert sein werden», wird Krause in der Mitteilung zum Spin-off denn auch zitiert. Juristisch muss er aus der GmbH nun eine Aktiengesellschaft machen. Schweizerinnen und Schweizer können sich später ebenfalls direkt beteiligen und sich Sunrise-Aktien ins Depot legen.

Stichwort bessere Sunrise-Angebote

Für alle, die bislang ein Sunrise-TV oder ein Mobilfunk-Abo besitzen, dürfte sich zunächst vertraglich nichts ändern. Auch Preiserhöhungen stehen nicht im Raum, die wurden im letzten Jahr gemacht. Der Konkurrenzkampf im Telekommarkt – vor allem über Billiganbieter Wingo, Yallo und Co. geführt – deutet eher an, dass es preislich günstiger wird.

Das operative Geschäft von Sunrise sei von der Abspaltung nicht betroffen, erklärte denn auch Liberty: «Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten und andere Anspruchsgruppen können sich auf Kontinuität verlassen.»

Durch Börsenkotierung und Investoren im Rücken erhöht sich die finanzielle Feuerkraft des Telekomanbieters. Davon dürften auch Private profitieren. Zum Beispiel von neuen Produkten und Services im Bereich Cybersecurity, Entertainment und Endgeräte. Flex Upgrade, eine Versicherungsoption von Sunrise, ermöglicht etwa, das Handy oder Tablet jederzeit einzutauschen oder reparieren zu lassen. Bei den Bundle-Angeboten (Kombi aus TV, Mobile etc.) hat Sunrise noch Luft nach oben.

Turbulentes Jahrzehnt für Sunrise

André Krause, seit 2021 im Unternehmen, sitzt seit Februar 2020 auf dem Chefsessel von Sunrise. Er löste CEO Olaf Swantee (58) ab, der einen Monat zuvor wegen der gescheiterten UPC-Übernahme über die Klinge springen musste. Vor dem Scheitern des UPC-Deals im Jahr 2019 amtete Krause als Finanzchef bei Sunrise. Im Sommer 2020 dann ging alles sehr schnell: Jetzt war es der Konzern Liberty Global mit Sitz in London, Mutter der Kabelnetzbetreiberin UPC, der Sunrise schluckt. Der zweitgrösste Telekomkonzern der Schweiz wurde damals mit einem Unternehmenswert von 6,8 Milliarden Franken bewertet. 

Die Elefantenhochzeit in der Schweizer Telekombranche führte zu einem massiven Jobabbau, aus Sunrise-UPC wurde nur noch Sunrise, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft in der Liberty-Gruppe, die Sunrise-Aktien wurden von der Schweizer Börse SIX dekotiert. Dann der Sunset bei Sunrise: Im Herbst 2023 kündigt die Schweizer Nummer 2 erneut eine Massenentlassung an. Die Kündigungswelle soll bis im anlaufenden Frühjahr durch sein. Drängte Liberty auf eine höhere Rendite? 

CEO Krause will an Bord bleiben

Erst musste André Krause den IPO an der Schweizer Börse rückgängig machen, den er selbst 2014/15 aufgegleist hatte. Nach dem sogenannten Going Private vor drei Jahren ist es nun an dem gebürtigen Deutschen, Sunrise wieder an die Schweizer Börse zu bringen. 

Blick weiss: Krause hat nicht die Absicht, seinen CEO-Posten nach dem Börsengang zu räumen und Sunrise zu verlassen. Wohl aber stehen neue Vertragsverhandlungen mit den Liberty-Bossen an. Wie üblich in solchen Fällen, versuchen Chefs, einen grossen Schuh herauszuziehen.

Swisscom in der Schweiz Paroli bieten

André Krause muss aber auch in die Vollen. Einerseits wollen seine künftigen Anker-Aktionäre mehr Effizienz und Profite sehen, die Investoren erwarten in den nächsten Jahren schöne Dividenden-Auszahlungen. Andererseits will Krause «der Swisscom Paroli bieten», wie er in Gesprächen immer wieder betont. Wieder an der Börse und mit privaten Investoren im Rücken, erhöht sich Krauses Schlagkraft im Markt mit Sicherheit.

Swisscom, der Platzhirsch und Nummer 1 im Schweizer Telekommarkt, gehört zu 50 Prozent dem Bund. Mit der Post tritt gerade ein weiterer staatlicher Player in den Mobilfunkmarkt ein. Wie Blick diese Woche berichtete, will der gelbe Riese gemeinsam mit Salt, der Nummer 3 im Markt, Mobilfunkabos vertreiben. Die Dienste von Swisscom und Sunrise wirft die Post aus dem Angebot der Filialen. 

Was die Geschäftszahlen anbelangt, sieht sich Krause gut aufgestellt. «Wir konnten das Jahr 2023 mit einem starken vierten Quartal abschliessen», sagt der Sunrise-Chef am Freitagvormittag in einer Mitteilung. Der Telekomkonzern hat den Jahresumsatz bei gut 3 Milliarden Franken stabil halten können. Besonders Zweitmarken wie Billiganbieter Yallo hätten stark zum Wachstum beigetragen, heisst es. 

Auch das Firmenkundengeschäft wächst. Am Donnerstag hatte Sunrise den Auftrag zur Vernetzung der Migros-Standorte mit Breitbandanbindungen bekannt gegeben – und damit die Swisscom ausgestochen. Das ist gemäss eigenen Angaben der grösste Firmenkundenvertrag in der Geschichte des Telekomunternehmens. Das klingt nach einer guten Ausgangslage für Krause, der sich künftig wieder als Chef eines Börsenkonzerns beweisen muss.

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