Migros-Chef Bolliger provoziert Debatte
Bio ist schlecht! Was ist dran?

Noch-Migros-Boss Herbert Bolliger kritisiert die Bio-Landwirtschaft als ineffizient. Das schmeckt vielen überhaupt nicht.
Publiziert: 18.12.2017 um 23:55 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 02:15 Uhr
Kann Bio die Welt ernähren? Die Kunden des Zürcher Chornlade sind überzeugt davon.
Foto: Siggi Bucher
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Konrad Staehelin und Harry Büsser

Herbert Bolliger (64) hat das Geschäft selber gross gemacht: Als er im Jahr 2005 Chef der Migros wurde, setzte der orange Riese 300 Millionen Franken pro Jahr mit Bio-Produkten um, jetzt sind es mehr als 800 Millionen Franken. 

Trotzdem haute Bolliger gestern im grossen Abschiedsinterview mit BLICK auf den Tisch: «Mit Bio kann man nicht die Welt ernähren, es ist nicht ressourceneffizient.»

Total ist der Bio-Markt in der Schweiz 2,5 Milliarden schwer und macht 8,4 Prozent des Schweizer Lebensmittelmarkts aus – ein stetig wachsender Brocken.

Provoziert: Herbert Bolliger.
Foto: Thomas Meier

Ein Viertel weniger Ertrag

Grund: Da in der Bio-Landwirtschaft Schädlingsvernichter verboten sind, müssen die Bauern selbst mühsam Hand anlegen. Trotzdem gehen immer noch viele Produkte kaputt. Auch der Einsatz von Dünger ist beschränkt. Total produzieren Bio-Landwirte pro Quadratkilometer ein Viertel weniger. Kein Wunder, sind ihre Produkte im Vergleich mit der konventionellen Konkurrenz deutlich teurer.

Wollte sich die ganze Welt mit Bio-Produkten ernähren, würden die Preise massiv steigen, warnt Bolliger. «Wir hätten gravierende Verteilungskämpfe.» Stattdessen propagiert er die Integrierte Produktion (IP): Dort kommen Chemikalien zum Einsatz, aber nur, wenn es anders nicht geht und Ernteausfälle drohen.

Daniel Bärtschi (50), Geschäftsführer des Dachverbands Bio Suisse, geht gegen diese Vorwürfe auf die Hinterbeine: Mit Bio könne man die Welt langfristig ernähren, weil die Bodenfruchtbarkeit erhalten bleibe, entgegnet er. «Die konventionelle Landwirtschaft dagegen verursacht Bodenschäden durch Verdichtungen und Einträge von chemisch-synthetischen Pestiziden und Düngern.»

«Ich schmecke den Unterschied»

BLICK besucht das Bio-Geschäft Chornlade, keine 100 Meter vom Zürcher Migros-Hochhaus entfernt. Dort ist man überzeugt: Biologische Produkte sind besser. «Ich schmecke es, ob das Gemüse bio ist oder nicht», sagt Kundin Thea Altherr (76). Und Geschäftsführerin Elin Braun (27) meint: «Die Umwelt bleibt mit diesen Produkten gesünder, und mein Körper auch.»

Stolze Chefin: Elin Braun.
Foto: Siggi Bucher

Diese Argumente treiben Beda Stadler (67), Ex-Professor für Immunologie an der Uni Bern, zur Weissglut: «Ich habe 2000 Franken für jeden geboten, der in einem Blindtest ein Bio-Rüebli von einem normalen unterscheiden kann.» Bis jetzt habe das noch keiner geschafft.

Zudem seien bisher keine Vorteile für den Konsumenten wissenschaftlich bestätigt worden: «Bio ist nicht gesünder, nicht nahrhafter, nicht sicherer, sondern nur eine clevere Art, die gleichen Produkte zu höheren Preisen zu verkaufen.» Stadler spricht sogar von einer Religion: «Sie gibt den Menschen das gute Gefühl, die Welt zu retten.»

Keine Langzeitstudien

«Eine Welternährung mit Bio ist durchaus realistisch», kontert Bärtschi von Bio Suisse. «Die Menschheit muss ein Drittel weniger Fleisch essen als heute.» Zudem müsse die Verschwendung massiv zurückgehen. «Im Moment wird rund ein Drittel aller Lebensmittel nicht konsumiert. Diesen Wert müssen wir deutlich senken.»

Wehrt sich: Bio-Suisse-Geschäftsführer Daniel Bärtschi.
Foto: KARL-HEINZ HUG

In einem Punkt gibt er Stadler aber recht: Es gibt keine Langzeitstudien, die belegen, dass Bio wirklich gesünder für den Konsumenten ist. Dennoch behauptet er: «Bio-Produkte enthalten keine Zusätze, sind weniger mit Rückständen von Pestiziden belastet und haben einen höheren inneren Nährwert.»

Umso unverständlicher sind für Bärtschi die Aussagen von Bolliger: «Interessant ist, dass die Migros im Bio-Bereich in den letzten Jahren stark gewachsen ist.» Offensichtlich stehe ihr oberster Chef jedoch nicht hinter dieser Strategie. «Es ist etwas irritierend, dass er sein eigenes Sortiment schlecht macht.»

BLICK erklärt, was welches Bio-Märkli bedeutet

Wer nachhaltig einkaufen will, muss heute fast schon Experte sein. Bio-Knospe oder Alnatura-Bio, den Marienkäfer auf der Verpackung oder das Schweizer Fähnchen? Sollen die Labels dem Konsumenten doch helfen, sich beim Einkauf zu orientieren. Gleichzeitig wird der Labelsalat immer grösser. Aldi und Lidl haben eigene Bio-Auszeichnungen, weil den Discountern die Nutzung des Knospe-Logos untersagt ist. Aber sind die Produkte der Billigheimer denn damit weniger umweltschonend produziert? BLICK bringt Licht in den Label-Dschungel. Und sagt, was diese Standards garantieren.

Produkte mit «Demeter»-Logo gibts primär im Reformhaus oder Bio-Laden. Es garantiert den Anbau gemäss mindestens «Knospe»-Regeln. Zusätzlich erledigen die Bauern alle Arbeiten nach anthroposophischen Grundsätzen. Das Label schreibt etwa die Behornung bei Kühen vor.
Foto: zvg
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