Migros-Präsidentin Ursula Nold will die Regionalfürsten entmachten
Ihre Schonfrist endete bereits am zweiten Arbeitstag

Ursula Nold hat sich in einem monatelangen Wahlkampf als Migros-Präsidentin durchgesetzt. Seit ihrem Triumph läuft sie gegen das Eigenleben der zehn Genossenschaften an.
Publiziert: 23.12.2019 um 23:14 Uhr
Migros-Präsidentin Ursula Nold: «Die kleinen Leute sollen wieder bei der Migros einkaufen.»
Foto: Keystone
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Claudia Gnehm

Ihre Schonfrist als neue Migros-Präsidentin endete bereits kurz nach Amtsantritt. An Ursula Nolds (50) zweitem Arbeitstag wurde die Strafklage des Migros-Genossenschafts-Bunds (MGB) gegen den Präsidenten der Genossenschaft Neuenburg-Freiburg, Damien Piller (61), bekannt.

So etwas gab es noch nie in der Migros-Geschichte. Nun ist Feuer unterm Migros-Dach. Piller wird ungetreue Geschäftsführung vorgeworfen. Im Zusammenhang mit seinen Immobiliengesellschaften soll er sich auf Kosten der Migros um 1,6 Millionen Franken bereichert haben.

Nold trat am 1. Juli die Nachfolge von Andrea Broggini (63) an. Die Erwartungen an sie: enorm. Schliesslich haben sich diverse Migros-Grössen für ihre Wahl stark gemacht. Zum Beispiel die ehemaligen Migros-Chefs Herbert Bolliger (65), Anton Scherrer (77) und auch Jules Kyburz (87).

«Kein zweiter Fall Piller»

In ihrer neuen Funktion als Präsidentin der Migros-Verwaltung, also dem strategischen Organ des MGB, erstmals öffentlich aufgetreten ist sie Mitte Dezember. Dort stellte sie rückblickend auf ihre ersten Monate im Amt klar: «Der Fall Piller darf sich nicht wiederholen.»

Nold hinterfragt die Macht der Regionalfürsten. Sie sagt: Viele Migros-Genossenschafter zeigten sich offen für eine Beschränkung der Autonomie in den Regionen.

Kann Nold der Zentrale zu mehr Befugnissen gegenüber den Genossenschaften verhelfen, käme dies einer Revolution gleich. Zuzutrauen wäre ihr das.

Die Autonomie der Regionen beschränkte bisher allerdings gewollt die Handlungsfähigkeit der Migros-Zentrale. Trotz Fall Piller sagt die Mutter von vier Kindern auch: «Die dezentrale Struktur hat klare Vor- und Nachteile.» Ihr grösster Vorteil bei der Wahl, die Nähe zu den Genossenschaften, wird für die Reform, die sie durchführen muss, das grösste Hindernis sein.

Pflöcke einschlagen

Grosse Pflöcke schlug Nold in ihren ersten sechs Monaten im Amt denn auch nicht ein. «Das Top-Management kann nicht eine Strategie machen und umsetzen – es muss zuerst Konsens herstellen.» Taktiert Nold? Bei ihrer Wahl im März stach sie Ex-SBB-Managerin Jeannine Pilloud (54) als Präsidentin aus. Diese sagte im Vorfeld öffentlich, dass sie bei der Migros «Pflöcke einschlagen» wolle.

Die letzten Monate bis heute spürte sie den Puls der Mitarbeitenden an den Kassen, in der Logistik oder beim Online-Anbieter Digitec-Galaxus. «Die Migros befindet sich aktuell in einer anspruchsvollen Transformationsphase», sagt sie zu BLICK. Und sie erwarte, dass 2019 nicht als erfolgreiches Jahr in die Annalen der Migros eingehen werde.

Nold ist gefordert: Wenn die «kleinen Leute wieder bei der Migros einkaufen sollen», wie sie sagt, dann muss die Migros für diese wieder erschwinglich werden. Dazu muss sie den teuren Doppelspurigkeiten ein Ende setzen – sprich die Organisationsstruktur entlang der Wertschöpfungskette im Frische- und Lebensmittelbereich straffen. Zudem benötigt der orange Riese mehr Einnahmen für die anstehenden Investitionen in die Digitalisierung.

Strukturreform fordert Präsidentin

Kleine Genossenschaften bockten gegen die Reorganisationsprojekte, die die zehn Logistikplattformen im Frische- und Lebensmittelbereich in drei bis fünf Standorten zentralisieren wollte. Herkulesaufgabe für Nold: An der Zusammenlegung ist ihr Vorgänger vor einem Jahr gescheitert.

Doch wegen der anstehenden hohen Investitionen in die Logistik wäre eine stärkere nationale Zusammenarbeit dringend. Hinzu kommt: Ohne Strukturreform wird die Migros weiter Marktanteile an die Billigkonkurrenz aus Deutschland verlieren, weil sie zu teuer ist.

Der orange Riese muss nicht nur günstiger, sondern gleichzeitig profitabler werden. Die Margen im Detailhandelsgeschäft sind miserabel. Jene von Migros sind aber noch tiefer als bei Coop.

Derzeit generiert die Migros-Bank die Hälfte des Betriebsgewinns. Die Einnahmen aus den Verkäufen von Globus, Interio etc. sind nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Damit verbessert sich die Profitabilität nicht nachhaltig.

Nold muss sich durchsetzen

Nold hat keine andere Wahl, als am «Regiönli-Geist» zu wackeln. Es liegt nicht mehr drin, dass zehn Genossenschaften alles selber und mehrfach machen. Wieso soll ihr gelingen, was ihre Vorgänger nicht fertigbrachten?

Die Eigenbrötler unter den Genossenschafter bringt sie nur mit harter Hand an Bord. Ihr stärkstes Druckmittel ist das Recht, das orange M zu tragen. Wenn Genossenschaften gegen die Gesamtinteressen verstossen, könnte sie den Entzug des Logos als äusserste Massnahme einsetzen, um die Regionalfürsten zur Kooperation zu zwingen.

Da es ihr als Dozentin an der Pädagogischen Hochschule Bern mit einem Executive Master in Business Administration an Wirtschaftserfahrung fehlt, sind sich Beobachter nicht einig, ob sie sich durchsetzen kann.

Das nächste Jahr ist entscheidend: Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen (50) konzentriert sich auf die Migros-DNA, darum steht etwa auch das Luxus-Kaufhaus Globus zum Verkauf. Und die Präsidentin muss im 2020 endlich Pflöcke einschlagen und die Weichen stellen, um die Migros für das 21. Jahrhundert fit zu trimmen.

Das Korsett der Migros-Präsidentin

Die Migros-Verwaltung, die Ursula Nold präsidiert, setzt sich aus 23 Mitgliedern zusammen – zehn externen, unabhängigen Mitgliedern und 13 internen, darunter die zehn Vertreter der regionalen Genossenschaften.

Gemäss den Statuten des Migros-Genossenschafts-Bunds haben die regionalen Genossenschaften Rechte und Pflichten. In Artikel 15 haben die angeschlossenen Genossenschaften das Recht, «die Kennzeichen «Migros», «M» sowie andere Migros-Kennzeichen zu gebrauchen».

Sie müssen sich aber gemäss Artikel 4 an die Migros-Werte halten. Das Einzige, das der MGB somit gegenüber den regionalen Genossenschaften in der Hand hat, ist das die Vergabe des Rechts, das orange M zu tragen. Der Entzug des Logos wäre der ultimative Hebel, um die Genossenschaften zum Einlenken zu zwingen.

Die Migros-Verwaltung, die Ursula Nold präsidiert, setzt sich aus 23 Mitgliedern zusammen – zehn externen, unabhängigen Mitgliedern und 13 internen, darunter die zehn Vertreter der regionalen Genossenschaften.

Gemäss den Statuten des Migros-Genossenschafts-Bunds haben die regionalen Genossenschaften Rechte und Pflichten. In Artikel 15 haben die angeschlossenen Genossenschaften das Recht, «die Kennzeichen «Migros», «M» sowie andere Migros-Kennzeichen zu gebrauchen».

Sie müssen sich aber gemäss Artikel 4 an die Migros-Werte halten. Das Einzige, das der MGB somit gegenüber den regionalen Genossenschaften in der Hand hat, ist das die Vergabe des Rechts, das orange M zu tragen. Der Entzug des Logos wäre der ultimative Hebel, um die Genossenschaften zum Einlenken zu zwingen.

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