Opium, Lösegeld, Gold
So kommen die Taliban zu ihrem Milliardenvermögen

Wie schafft es eine Terrormiliz, ein Land innert weniger Tage unter ihre Kontrolle zu bringen? Dank sehr viel Geld. Gemäss neuen Daten fliessen jedes Jahr 1,6 Milliarden Dollar in die Tasche der Taliban. Woher stammt das Geld? Blick hat die Übersicht.
Publiziert: 19.08.2021 um 10:57 Uhr
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Aktualisiert: 23.08.2023 um 11:26 Uhr

Wie schnell die Taliban Afghanistan nach dem Abzug der US-Truppen zurückerobert haben, hat selbst erfahrene Beobachter überrascht. Es war ein regelrechter Blitzfeldzug, mit dem die Miliz Provinz um Provinz und schliesslich die afghanische Hauptstadt Kabul unter ihre Kontrolle gebracht hat. Da stellt sich die Frage, wie das überhaupt möglich war.

Die USA investierten in den vergangenen 20 Jahren nämlich über eine Billion Dollar in den Krieg gegen die Taliban. Die afghanische Armee wurde mit Milliarden unterstützt. Neue Berichte zeigen nun aber: Auch die Taliban verfügen über Milliarden. Jedes Jahr nehmen sie über eine Milliarde Dollar ein, schreibt der «Tages-Anzeiger» und beruft sich dabei auf Berichte der Uno sowie einen internen Report der Nato. Konkret sind es gemäss den Berechnungen 1,6 Milliarden Dollar im Jahr.

Drogengeschäfte: 416 Millionen Dollar

Die Gelder der Taliban stammen mehrheitlich aus illegalen Geschäften. Geschätzte 416 Millionen Dollar bringt der Anbau und der Verkauf von Drogen den Taliban jedes Jahr ein. Drogen sind der einzige Wirtschaftszweig in Afghanistan, der wirklich floriert. Afghanistan ist das weltweit wichtigste Anbaugebiet von Mohn, aus dem Opium gewonnen wird. Mehr als 80 Prozent der weltweiten Opiumproduktion finden laut der Uno in Afghanistan statt. Dass die Drogen für die Taliban ein einträgliches Geschäft sind, war schon länger klar. Nun gibt es erstmals verlässliche Zahlen dazu, wie viel der Drogenhandel ihnen tatsächlich einbringt. 

Die Taliban verfügen über jährliche Einnahmen von 1,6 Milliarden US-Dollar. Taliban-Kämpfer posieren in Kabul.
Foto: keystone-sda.ch
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Die USA haben in der Vergangenheit auch schon afghanische Mohnfelder mit Herbiziden besprüht, um den Taliban ihre wirtschaftliche Grundlage zu entziehen. Geklappt hat es nicht. Dabei müssen sich die Taliban nicht einmal die Finger schmutzig machen, sie bauen das Opium nämlich nicht selber an. Sie verlangen von den Opiumbauern lediglich Steuern.

Bergbau: 464 Millionen Dollar

Noch mehr Geld als mit Drogen verdienen die Taliban mit dem Bergbau. Schätzungsweise 464 Millionen Dollar im Jahr, schreibt der «Tages-Anzeiger». Denn Afghanistan ist reich an Kupfer, Gold, Edelsteinen und anderen Rohstoffen. Der US-Geheimdienst schätzt den Gesamtwert der Rohstoffe in Afghanistan auf 1 Billion Dollar. Was in den afghanischen Minen geschürft wird, wandert vor allem nach China. Wertvolles Lithium zum Beispiel wird dort in Autobatterien eingebaut.

Genau diese Lithium-Vorräte könnten für die Weltwirtschaft noch zum Knackpunkt werden. Denn mit dem Umstieg auf elektrische Autos steigt auch der Bedarf nach Lithium. Und in den afghanischen Böden lagern gemäss Schätzungen von Geologen einige der grössten Lithium-Vorräte überhaupt. Wenn der Lithium-Abbau unter der Taliban-Herrschaft ins Schlingern gerät, etwa weil internationale Investitionen versiegen, dann kommt auch der Ausbau der Elektro-Mobilität ins Stocken.

Lösegeld & Steuern: 480 Millionen Dollar

Die wichtigste Einnahmequelle sind für die Taliban die Einnahmen aus Exporten, Steuern und Immobilien. Auf 480 Millionen Dollar im Jahr beziffern Uno und Nato diese Erträge. Die Taliban beherrschen seit Jahren Teile Afghanistans und betreiben dort unter anderem Checkpoints auf Strassen. Passieren darf nur, wer bezahlt. In diese Kategorie fallen auch Entführungen und damit einhergehende Lösegelderpressungen.

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Spendengelder: 240 Millionen Dollar

Zu guter Letzt stammt ein erheblicher Teil der Taliban-Einnahmen, nämlich 240 Millionen Dollar pro Jahr, aus dem Ausland. Taliban-Sympathisanten aus Pakistan, dem Iran, Saudi Arabien und anderen Ländern unterstützen die Miliz mit Spendengeldern. Manche Schätzungen gehen sogar von bis zu 500 Millionen Dollar pro Jahr aus.

Bleibt die Frage: Haben die Taliban nun, da sie offiziell an der Macht sind, Zugang zu weiteren Einnahmequellen sowie den staatlichen Geldreserven? Ganz so einfach ist es nicht. Zwar besitzt der afghanische Staat 22 Tonnen pures Gold. Das entspricht beim aktuellem Marktpreis über 1,2 Milliarden Dollar. Nur: Die Taliban haben darauf keinen Zugriff.

Das Gold lagert im Ausland, bei der US-Notenbank Fed in New York. Die Terrormiliz hat nur gerade Zugriff auf 0,1 bis 0,2 Prozent des afghanischen Staatsvermögens, wie der ins Ausland geflüchtete afghanische Zentralbankchef Ajmal Ahmady hämisch auf Twitter verkündet.

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Ein Teil des afghanischen Staatsvermögens liegt offenbar in der Schweiz – nämlich bei der Bank für internationalen Zahlungsausgleich in Basel. 700 Millionen Dollar sind es gemäss «Spiegel». Ein Teil des internationalen Vermögens ist bereits eingefroren worden und für die Taliban damit unerreichbar. (sfa)

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