Pleiten, Pech und Pannen
Haben die Zürcher «Gnome» das Bankgeschäft verlernt?

Das Debakel der Bank Julius Bär legt die Schwächen des Schweizer Bankings erneut gnadenlos offen. Der künftige Chef der grössten Schweizer Privatbank muss als Erstes eine neue Risikokultur etablieren. Gut möglich, dass es eine Chefin wird.
Publiziert: 04.02.2024 um 11:56 Uhr
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Beat SchmidFester Mitarbeiter Blick

Das war so nicht geplant. Romeo Lacher (64) und Philipp Rickenbacher (53) glaubten, mit einem blauen Auge davonzukommen. Doch am Freitag vor einer Woche fand eine entscheidende Verwaltungsratssitzung statt, die alles auf den Kopf stellte. Laut Insidern hat sich eine Fraktion gegen Lacher durchgesetzt und die Absetzung von CEO Philipp Rickenbacher erreicht. 

Der Druck wuchs, weil die Bank beschlossen hatte, die gesamte Position von 606 Millionen Franken gegenüber dem Immobilieninvestor René Benko (46) abzuschreiben. Es war klar, dass dieser Totalabschreiber ein prominentes Opfer fordern würde. Doch warum trifft es Philipp Rickenbacher, wenn alle Instanzen die Kredite abgesegnet haben – auch Verwaltungsratspräsident Romeo Lacher? 

Laut einer gut informierten Quelle gab es im Verwaltungsrat schon länger Kritik am Bankchef. Seine Art zu kommunizieren und die Geschäfte zu führen, sei im Gremium umstritten gewesen. Aussagen im November, das Risikoprofil der Bank nicht ändern zu wollen, seien auf Unverständnis gestossen. «Das Benko-Debakel war der ideale Anlass, ihn loszuwerden», sagt ein Insider. 

Konnte seinen Kopf gerade noch aus der Schlinge ziehen: Bär-Präsident Romeo Lacher.
Foto: Bloomberg via Getty Images
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Lacher sagte in einem Interview mit der «Finanz & Wirtschaft», Rickenbachers Rücktritt sei «eine gemeinsame Entscheidung von ihm und dem Verwaltungsrat» gewesen. Aber auch Lachers Rücktritt stand offenbar zur Diskussion. Weitere Abgänge von Topmanagern und Verwaltungsräten hätten die Bank möglicherweise destabilisiert. Gut möglich, dass der Präsident bald zurücktritt. Ein erster Popularitätstest steht ihm bei der nächsten Generalversammlung am 11. April bevor.

UBS-Topfrau mit guten Chancen

Bevor Lacher abtreten kann, muss er aber noch einen neuen Chef für die Bank finden. Erste Gespräche sollen bereits stattgefunden haben. Wie die Onlineplattform Tippinpoint berichtet, kursieren in Whatsapp-Kanälen bereits erste Kandidatenlisten. Gute Chancen werden vor allem Sabine Keller-Busse (58) eingeräumt, die bei der UBS das Schweizer Geschäft leitet. 

Keller-Busse kennt Romeo Lacher seit vielen Jahren, aus gemeinsamen Zeiten bei der Credit Suisse und später im Verwaltungsrat der Börsenbetreiberin SIX. Beide haben einen ähnlichen Hintergrund: Sie arbeiteten im Maschinenraum der Banken und haben eine Affinität zu Informatik und Prozessen. Zudem haben beide in St. Gallen studiert und im gleichen Jahr promoviert. Dem Vernehmen nach stehen die beiden wegen der vakanten Spitzenposition bereits in Kontakt. Eine UBS-Sprecherin lehnte eine Stellungnahme ab. 

Klar ist: Eine interne Lösung wird es nicht geben. Das hat die Bank am vergangenen Donnerstag unmissverständlich klargemacht. Angesichts der grossen Pannen der letzten Jahre ist eine Blutauffrischung verständlich. Julius Bär hat die letzten drei Mal auf ein Eigengewächs gesetzt – und ist jedes Mal auf die Nase gefallen. Unter Boris Collardi (49) manövrierte sich die Privatbank in riesige Geldwäscherei-Skandale. Unter Philipp Rickenbacher, der über 20 Jahre bei der Bank war, stürzte sich Julius Bär ins Abenteuer Private Debt und scheiterte kläglich. Dazwischen lag ein Intermezzo von Bernhard Holder als CEO.

Was Julius Bär von Pictet unterscheidet

Vor einem Jahr die Pleite der Credit Suisse, jetzt das Debakel bei Julius Bär. Die Schweizer Banken kämpfen mit einer beispiellosen Pechsträhne. Das wird nicht nur in der Schweiz so gesehen. Auch das Ausland schaut verständnislos auf die Pannenserie der Zürcher «Gnome». Die einflussreiche Londoner «Financial Times» schrieb am Freitag, die Verstrickung von Julius Bär mit Benko sei «ein weiterer peinlicher Schlag für den Ruf der Schweiz als solider Finanzplatz», weniger als ein Jahr nach dem Zusammenbruch der Credit Suisse. 

Das Selbstverständnis vieler Banker am Paradeplatz ist ein anderes. Letzten Donnerstag, als sich das Bär-Beben ereignete, fand in Zürich eine hochkarätig besetzte Finanzkonferenz statt. 51 Prozent der Teilnehmenden gaben in einer Umfrage an, der Schweizer Finanzplatz gehöre zu den Top 5 der Welt. Fünf Prozent hielten ihn sogar für den besten der Welt. 

Angesichts der Pleitenserie stellt sich die Frage, ob Zürcher Banker ihr Handwerk verlernt haben. Zeno Staub (55), bis vor kurzem CEO der Bank Vontobel, erinnerte an der Tagung an die Zeiten des Bankgeheimnisses. Die Anlagerendite habe für die Kunden damals eine untergeordnete Rolle gespielt. Für sie sei die «Rendite nach Steuern» entscheidend gewesen, und die sei in jedem Fall gut gewesen. Die Politik habe ein Geschäftsmodell geschützt, «an dem wir alle gut verdient haben», so Staub. 

Im neuen Zeitalter der Transparenz ist Rendite gefragt. Dieser Druck hat offenbar dazu geführt, dass Privatbanken wie Julius Bär höhere Risiken eingegangen sind. Man nahm dubiose Kunden an Bord (Geldwäscherei) und stieg in Geschäftsfelder ein, von denen man keine Ahnung hatte (Private Debt). 

Auch Marc Pictet (50) nahm an der Finanzkonferenz teil. Als Vertreter der neunten Generation der Bank Pictet steckt sein Familienvermögen in der Bank, was ganz automatisch eine konservative Geschäftspolitik begünstigt. Zum Fall Julius Bär sagte er nur, dass Pictet keine exotischen Kreditgeschäfte anbiete.

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