Der eine rebelliert – der andere kassiert
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Zwei Beizer im Corona-Herbst:Der eine rebelliert – der andere kassiert

Schwägalp mit Rekord-Umsätzen
«Die Gäste fühlen sich sicherer»

Remo Brülisauer hat im Restaurant Schwägalp am Fusse des Säntis die ganze Schweiz zu Gast – und das inmitten des impfkritischen Appenzellerlandes. Am Corona-Zertifikat stört er sich nicht. Und erwirtschaftet bereits wieder gleich viel Umsatz wie vor der Krise.
Publiziert: 22.11.2021 um 09:23 Uhr
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Aktualisiert: 22.11.2021 um 09:40 Uhr
Benjamin Fisch und Sarah Frattaroli

Auf der Schwägalp herrschte goldenes Herbstwetter, als Blick das Restaurant diesen Herbst zum ersten Mal besucht. «Das Geschäft läuft rund!», freut sich Remo Brülisauer (36), Leiter sämtlicher Beizen und Hotels am höchsten Berg im Alpstein. Die Terrasse des Restaurants ist rappelvoll. Seit wenigen Tagen gilt in der Gastronomie Zertifikatspflicht. Nicht so allerdings auf der Terrasse.

«Es gibt Leute, die selbst bei Bise und acht Grad draussen zu Mittag essen», erzählt Brülisauer in breitem Appenzeller Dialekt. Die Impfquote rund um den Säntis ist tief. In Appenzell Innerrhoden haben sich bisher gerade einmal 55 Prozent die Spritze setzen lassen. In Ausserrhoden sind es immerhin 60 Prozent.

Goldener Herbst gewährt Schonfrist

Remo Brülisauer nimmt es mit einem Schulterzucken zur Kenntnis. Bei ihm speisen schliesslich nicht primär die Einheimischen, er hat die ganze Schweiz zu Gast. Die Zertifikatspflicht sieht er locker. «Wir machen einfach das Beste draus. Ändern können wir es ja sowieso nicht.»

Remo Brülisauer wirtet im Restaurant Schwägalp auf dem Säntis.
Foto: Thomas Meier
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Seine Gelassenheit überrascht, speien andere Gastronomen doch Gift und Galle gegen die Corona-Vorschriften. «Für uns ist das Wetter viel entscheidender», wendet Brülisauer ein. «Wenn Regen angesagt ist, machen wir nicht mal ein Drittel des Umsatzes.» Der goldene Herbst gewährt ihm mit Prachtwetter eine Schonfrist.

Hartgesottene sitzen sogar bei Schnee draussen

Oktober. Es liegt der erste Schnee auf der Schwägalp. Es sind Herbstferien. Corona-Tests sind mittlerweile kostenpflichtig. Wer nicht geimpft oder genesen ist, denkt doppelt über den Restaurantbesuch nach. Ärgert Brülisauer sich jetzt über das Zertifikat? Mitnichten.

Es gibt zwar immer noch Hartgesottene, die draussen sitzen. Die Mehrheit der Gäste aber hat sich mit der Zertifikatspflicht arrangiert. «Wer ins Restaurant kommt, hat das Smartphone schon parat, bevor wir am Tisch stehen.» Es gibt sogar Gäste, die sich über die Zertifikatspflicht freuen, erzählt Brülisauer. «Sie fühlen sich jetzt sicherer.» Dass das Servicepersonal sich mit renitenten Gästen herumschlagen müsste, ist Brülisauer bisher nicht zu Ohren gekommen.

Umsatz gleich hoch wie im Rekordjahr

Auch finanziell geht es für ihn trotz Hürden auf, sagt Brülisauer. Weil das etwas schönfärberisch klingt, gewährt er Blick Einsicht in seine Buchführung. Und tatsächlich: Die Umsatzzahlen stimmen. Das Restaurant wirft heute genau gleich viel ab wie im Rekordjahr 2018, vor der Pandemie. Einen Einbruch gab es nur Anfang Jahr, als die Beizen im zweiten Lockdown komplett dicht waren.

Das Hotelbusiness läuft am Säntis sogar besser als vor der Pandemie. Weil Fernreisen lange tabu waren, gönnte sich der eine oder andere stattdessen einen Kurztrip in den Alpstein. «Das Bedürfnis der Gäste nach einem Tapetenwechsel war spürbar», kommentiert Brülisauer.

Mit dem Advent steht ihm nun eine besonders einträgliche Zeit voller Weihnachtsfeiern bevor. «Es gibt praktisch keine Stornierungen aufgrund des Zertifikats», sagt der Gastronom. Täglich kommen neue Reservationen hinzu, sie überwiegen die Zahl der Stornierungen bei weitem. «Bei Gruppenveranstaltungen gibt es Einzelne, die nicht auftauchen», gibt Brülisauer zu. Aber der Einfluss aufs Geschäft hält sich in Grenzen. «Statt 20 kommen dann halt 18 oder 19 Leute.»

Küchenpersonal leidet unter Maskenpflicht

Obwohl Brülisauer sich mit dem Zertifikat abgefunden hat und den Bundesrat in keiner Weise kritisieren will, sagt er aber: «Grundsätzlich hätten wir lieber Normalbetrieb.» Einschneidender als für den Gast sind die Corona-Massnahmen nämlich fürs Personal.

«Das Personal in der Küche trägt den ganzen Tag Masken, bei hohen Temperaturen», erzählt Brülisauer. Dabei ist die Gastronomie sowieso schon ein Knochenjob. «Es ist anstrengend», gibt er unverblümt zu.

Und fügt dann versöhnlich an: «Wir sind zuversichtlich, dass die Pandemie früher oder später ein Ende nimmt und wir wieder in den Normalzustand kommen.» Bis es so weit ist, kontrolliert Brülisauer weiter fleissig die Zertifikate seiner Gäste, hält sein Personal weiter zum Maskentragen an. Und die Gäste ohne Zertifikat schlottern weiter auf der Terrasse.

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