Darum steht Pierin Vincenz vor Gericht
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Monster-Prozess in Zürich:Darum steht Pierin Vincenz vor Gericht

Sonntagsreden an der GV, gute Laune an Cüpli-Events, Geheimdeals im Stripclub
Das unglaubliche Doppelleben des Pierin V. im Protokoll

Pierin Vincenz werden Betrug und Veruntreuung zur Last gelegt. Viele Vorwürfe beziehen sich auf das Jahr 2014. SonntagsBlick protokolliert das Schicksalsjahr des ehemaligen Raiffeisen-Chefs im Detail.
Publiziert: 23.01.2022 um 00:50 Uhr
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Aktualisiert: 23.01.2022 um 13:06 Uhr
Für Reisen für sich und seine Ex-Frau Nadja Ceregato hat Vincenz offenbar ordentlich in die Spesenkasse gegriffen.
Foto: Sobli
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Thomas Schlittler

Januar

9. Januar: Pierin Vincenz (65) gönnt sich einen Besuch des Edelstriplokals King’s Club in Zürich. 3000 Franken kostet der Spass. Für den Raiffeisen-Chef kein Problem, er zückt die Firmenkreditkarte.
10. Januar: Als Stargast bei der CVP Rheintal. Vom Vorabend merkt niemand was. «Als Redner wirkt er immer noch sehr frisch», schreibt die Lokalpresse.
27. Januar: Töggelen mit Köbi Kuhn und Co. An der ersten Award Night der Swiss Football League, von Raiffeisen gesponsert, ist Vincenz Gastgeber.
29. Januar: Fünftägiger Golf-Trip nach Marrakesch mit einem Geschäftspartner. Termine hat Vincenz im Maghreb keine. Die Reisekosten von 12'086 Franken begleicht trotzdem die Firma.

Februar

10. Februar: Referat an der Uni St.Gallen mit Kritik an der Banker-Gilde: «Viele haben die Bodenhaftung verloren.»
11. Februar: Vincenz verlocht 2800 Franken im King’s Club in Zürich. Das Geld fordert er von Raiffeisen mittels Spesenbeleg wieder ein.
20. Februar: Treffen mit Geschäftspartner Beat Stocker und Multimillionär Stéphane Barbier-Mueller in Genf. Besprochen wird der Preis, den man von der Kreditkartenfirma Aduno verlangen soll für den Kauf der Mieterkautionsversicherung Eurokaution. Der Abend endet im Stripclub Crazy Paradise – 3700 Franken auf Kosten von Raiffeisen.
28. Februar: Raiffeisen verkündet ein Rekordergebnis und Vincenz sagt zu «20 Minuten»: «Genauso attraktiv wie wir für die Kunden möchten wir auch für unsere Mitarbeiter sein. Wichtig ist aber, dass jeder neue Mitarbeiter zu unserem Geschäftsmodell und unserer Kultur passt.»

«Gier ist die erste und absolute Todsünde»
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Bank-Kunden zu Pierin Vincenz:«Gier ist die erste und absolute Todsünde»

März

12. März: Feuchtfröhliche Nacht in St. Gallen. Im Stripclub Tiffany werden 462 Franken fällig, in der Golden Bar 590 Franken. Raiffeisen zahlt.
14. März: An der GV der Raiffeisenbank Böttstein im Aargau würdigt Vincenz den abtretenden Verwaltungsratspräsidenten: «Seine weitsichtige, unternehmerische und pragmatische Vorgehensweise trug wesentlich zum Erfolg bei.» Anschliessend gönnt sich Vincenz eine weitere Nacht im King’s Club. Kostenpunkt: 3000 Franken.
20. März: Eröffnung des Raiffeisen-Unternehmerzentrums in Gossau SG. «Hinter Raiffeisen steht ein genossenschaftlicher Gedanke: Hilfe zur Selbsthilfe», ruft Vincenz in Erinnerung.
21. März: Nach dem Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative macht sich der Raiffeisen-Chef Gedanken zum Vertrauensverlust der Wirtschaft, insbesondere der Banken. «Eine mangelhafte Corporate Governance war ausschlaggebend für den Reputationsverlust der gesamten Branche», schreibt er in einer Kolumne.

April

2. April: King’s Club. 3000 Franken mit der Firmenkreditkarte.
9. April: Die Raiffeisenbank Zürcher Oberland verabschiedet an der GV die abtretende Präsidentin. Vincenz ist zur Stelle: «Wenn sie im Jahr 2000 das Experiment nicht gewagt hätte, den Firmensitz von Gossau nach Uster zu verlegen, wäre die Raiffeisen nicht da, wo sie heute ist.»
14. April: King’s Club. 3000 Franken mit der Firmenkreditkarte.
17. April: Vincenz skizziert handschriftlich, wie er und Stocker die Einnahmen aus ihrem Deal rund um die KMU-Finanzierungsfirma Investnet aufteilen sollen.
23. April: King’s Club. 4945 Franken mit der Firmenkreditkarte.
28. April: Zu Gast am Zürcher Sechseläuten, als einer von wenigen Bankern. Die Chefs von UBS, Credit Suisse und ZKB haben keine Einladung erhalten.
30. April: King’s Club. 1480 Franken mit der Firmenkreditkarte.

Externe Inhalte
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Mai

6. Mai: King’s Club. 2598 Franken mit der Firmenkreditkarte.
9. Mai: 100-Jahr-Feier, Vincenz gratuliert persönlich: «Von den über 300 Raiffeisenbanken ist die von Goldingen-Wald die beste. Natürlich wird mir nachgesagt, dass ich das überall sage. Das stimmt, aber meine Worte kommen von Herzen.»
10. Mai: Tanzeinlage mit seiner Ehefrau am Presse- und Medienball im Zürcher Kongresshaus.
11. Mai: Auftritt bei «Giacobbo/Müller». Der Banker stiehlt den Satirikern die Show und erntet die meisten Lacher.
14. Mai: King’s Club. 2800 Franken mit der Firmenkreditkarte.
15. Mai: «Es ist wichtig, dass Banken nicht nur kompetent sind, sondern auch sympathisch», sagt Vincenz an einem Wirtschaftsforum in Regensdorf ZH.
21. Mai: Halbstündige Rede über «Ethik und Geld» am Swiss Ethics Award im KKL in Luzern.
23. Mai: Vincenz feiert mit der Raiffeisenbank Sachseln das 75- Jahr-Jubiläum. Danach werden im King’s Club wieder 4300 Franken fällig – bezahlt von den Genossenschaftern.
28. Mai: Ein Ausflug in den Night Club du Pont in Luzern kostet 2150 Franken – spendiert von Raiffeisen.

Juni

5. Juni: Interview in der «Handelszeitung»: «Das Vertrauen zwischen den Kunden und uns ist ein langer Prozess, der nicht von heute auf morgen zerstört werden kann.»
6. Juni: King’s Club. 1400 Franken mit der Firmenkreditkarte.
11. Juni: Verhängnisvolle Nacht im Hotel Park Hyatt. Vincenz’ Geliebte, eine Tänzerin, erwischt ihn mit einer anderen. Die Situation eskaliert, die Suite 507 wird demoliert. Daraufhin vereinbart er eine Zahlung von 1,5 Millionen Franken an die Tänzerin. Die Anwaltskosten lässt sich Vincenz von Raiffeisen vergüten.
20. Juni: Raiffeisen löst die langjährige Partnerschaft mit der Privatbank Vontobel auf. «Pierin Vincenz wagt den Alleingang», titelt der «Tages-Anzeiger».

Juli

3. Juli: Dinner mit Stocker sowie den Investnet-Gründern Peter Wüst und Andreas Etter. Es geht um «zukünftige Perspektiven der Minderheitsbeteiligungen» am KMU-Finanzierer. Bei Raiffeisen weiss niemand was davon.
14. Juli: Angesprochen auf seine Popularität sagt Vincenz in der «Aargauer Zeitung»: «Lob ist sicher angenehmer als Bashing. Ich lasse mich davon aber nicht blenden – der Wind kann schnell drehen.»
17. Juli: 3778 Franken werden fällig für die Instandsetzung der Hyatt-Suite. Vincenz zückt auch hier die Firmenkreditkarte.
31. Juli: Vertrauliches Treffen mit Stocker und Immobilien-Tycoon Ferdinand Locher in Lugano TI. Es geht um das Fussballstadion Thun. Vincenz soll eine Provision von zwei Millionen Franken erhalten, wenn er es schafft, dass Raiffeisen die Arena kauft.

August

4. August: Feuchtfröhliche Nacht in Lugano. Im Cecil Dance werden 1700 Franken fällig, im La Piccionaia 168 Franken. Raiffeisen bezahlt.
11. August: Die SNB erklärt Raiffeisen für systemrelevant. Vincenz gibt sich unbeeindruckt: «Die Strategie ändert sich nicht.»
14. August: Raiffeisen-interne Präsentation zur Beteiligung an Investnet. Als sich ein Beteiligter kritisch äussert, wird er von Vincenz «in den Senkel» gestellt.
24. August: Viertägige Reise mit dem Koch-klub nach Mallorca – inklusive Privatjet und Limousinenservice. Die Kosten von 32' 469 Franken übernimmt Raiffeisen.

Vergrault Pierin Vincenz der Raiffeisen Bank die Kunden?
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Das sagen Raiffeisen-Kunden:Vergrault Pierin Vincenz der Bank die Kunden?

September

18. September: Abendessen in Genf mit Stocker und Barbier-Mueller. Es geht um heimliche Deals rund um Eurokaution und das Konsumkredit-Unternehmen GCL. Der Abend endet im Stripclub Crazy Paradise. Kostenpunkt: 1100 Franken.
24. September: An einer Management-Konferenz sagt Vincenz: «Führungskräfte müssen lernen, mit der zunehmenden Geschwindigkeit und Schnelllebigkeit zu leben. Damit dies gelingt, ist die Unternehmenskultur zentral.» Am gleichen Tag tagt der Aduno-Verwaltungsrat und entscheidet, Eurokaution zu kaufen – dank der Einflussnahme von Vincenz.
25. September: Ein Gutachten kommt zum Schluss, dass 22 Millionen Franken für die Arena Thun nicht gerechtfertigt sind. Stocker und Vincenz finden bei Raiffeisen keine Mehrheit für den Deal, der ihnen viel Geld eingebracht hätte. Am gleichen Tag ist Vincenz einmal mehr im King’s Club: 2800 Franken mit der Firmenkreditkarte.

Oktober

1. Oktober: Festrede an der Diplomfeier der HSG. «Seht nicht nur die Risiken, sondern auch Chancen», gibt er den Absolventen mit auf den Weg.
8. Oktober: Fünf Tage mit den Töchtern nach New York. Familienzeit muss sein. Die Kosten von 18247 Franken trägt Raiffeisen.
22. Oktober: Feuchtfröhlicher Abend im King’s Club in Zürich. 2800 Franken mit der Firmenkreditkarte.
24. Oktober: Feuchtfröhlicher Abend im Le Velvet in Genf. 1900 Franken mit der Firmenkreditkarte.
25. Oktober: Das Kloster Disentis feiert sein 1400-jähriges Bestehen. Der ehemalige Klosterschüler glaubt, von der Ausbildung noch heute zu profitieren: «Werte werden in dieser globalen Welt immer bedeutender.»

November

7. November: Raiffeisen-VR genehmigt Einstieg bei Investnet. Am gleichen Tag erhält Vincenz 1,3 Millionen Franken aus dem GCL-Deal.
10. November: Aduno kauft Eurokaution.
19. November: Ein Ausflug in den Night Club Brummell in Lausanne kostet 1654 Franken – spendiert von Raiffeisen.

Dezember

10. Dezember: King’s Club. 1700 Franken mit der Firmenkreditkarte.
12. Dezember: Crazy Paradise. 1300 Franken mit der Firmenkreditkarte.
13. Dezember: Mit Ehefrau am Kaiser-Ball in Zürich. Die Gattin schwärmt: «Er ist ein sehr guter Tänzer, voller Schalk und Charme.»
16. Dezember: Die Leser der Finanzplattform Cash wählen Vincenz zum besten Bank-CEO des Jahres.
18. Dezember: Das Jahr endet, wie es angefangen hat – mit einem Besuch des Edelstriplokals King’s Club. Die Kosten von 1500 Franken übernimmt abermals Raiffeisen.


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