Starker Preisanstieg – immer weniger können sich die eigene Immobilie leisten
Wie viel Einkommen brauche ich für ein Einfamilienhaus?

Nur gerade vier Prozent der Haushalte haben das nötige Einkommen für ein Einfamilienhaus. Wir zeigen, wie eine Finanzierung dennoch klappen könnte.
Publiziert: 12.08.2024 um 11:39 Uhr
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Aktualisiert: 12.08.2024 um 14:12 Uhr
Carmen Schirm-Gasser
Handelszeitung

Für einmal kam der gut situierte Rentner aus dem Staunen nicht mehr heraus. Der Siebzigjährige sass beim Hypothekarberater seiner Bank, in der Absicht, seinem einzigen Sohn unter die Arme zu greifen, damit sich dieser das Haus kaufen konnte, in das er sich verliebt hatte. Dummerweise steht das Haus an der Goldküste in Küsnacht, und damit auf dem teuersten Pflaster der Schweiz.

Der Kaufpreis für 200 Quadratmeter Wohnfläche, ein wenig Umschwung, keine Seesicht, lag bei 3 Millionen. Für Küsnachter Verhältnisse ein Schnäppchen. Doch bei aller Grosszügigkeit, die der Rentner an den Tag legen wollte, und der speziellen Lage des Hauses, lehnte die Bank die Finanzierung ab.

Der Kreditberater rechnete knallhart vor: Eine Schenkung von 1,2 Millionen ergibt zwar Eigenkapital von 40 Prozent (und immerhin das Doppelte dessen, was vorgeschrieben ist). Dennoch müsste der Sohn ein Einkommen von 360’000 Franken erzielen, um die Tragbarkeit der Hypothek nicht zu überschreiten. Für den Sohn mit dem Gehalt eines Lehrers unmöglich.

Seit der Jahrtausendwende sind die Immobilien-Preise stark angestiegen.
Foto: Sven Thomann
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Artikel aus der «Handelszeitung»

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Platzende Träume vom Eigenheim – trotz rekordtiefen Zinsen

Die Geschichte ist kein Einzelfall. Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer müssen ihren Traum vom Eigenheim begraben. «Gerade wenn das Einkommen nicht sehr hoch ist, muss man heute sehr viel Eigenkapital mitbringen, um die Tragfähigkeit gewährleisten zu können», sagt Adrian Wenger, Hypothekarberater beim Vermögenszentrum.

Er berät pro Jahr eine Vielzahl an Neukäufern, die meist überrascht sind ob der grossen Summe an Eigenkapital, die nötig ist. «Damit die Tragbarkeitsrechnung überhaupt aufgeht, muss viel mehr Kapital eingesetzt werden als geplant.»

Um die Tragbarkeitsanforderungen einer typischen Eigentumswohnung mit einem Kaufpreis von 900’000 Franken zu erfüllen, ist heute ein Haushaltseinkommen von rund 160’000 Franken nötig. Für ein durchschnittliches Einfamilienhaus mit einem Kaufpreis von 1,1 Millionen muss dieses deutlich über 200’000 Franken liegen. Über dieses Einkommen verfügen gerade mal 3 Prozent der Haushalte der Schweiz.

Wer nicht über solch hohe Einkommen verfügt, muss mehr Eigenkapital aufbringen, um die hypothekarische Belehnung beim Kauf zu reduzieren. Nur so kann die strenge Anforderung erfüllt werden, wonach die kalkulatorischen Zinsen von 5 Prozent auf dem aufgenommenen Fremdkapital einen Drittel des Haushaltseinkommens nicht übersteigen dürfen. Gründe für diese Entwicklung gibt es mehrere.

Problem Nummer 1: Hohe Finanzierungshürden für ein Eigenheim

Wenn es um die Finanzierung geht, gilt es, gleich zwei Hürden zu meistern. Für den Kauf eines Eigenheims müssen in der Regel 20 Prozent aus eigenen Mitteln finanziert werden. Für ein Haus von 1 Million benötigt man somit 200’000 Franken Eigenkapital.

Aufgrund der starken Preisentwicklung bei Immobilien in den vergangenen Jahren ist diese Finanzierungshürde zu einem riesigen Problem geworden. Zumal sich die Eigenkapitalanforderungen in den vergangenen Jahren linear mit den Preisen entwickelt haben. Im Jahr 2000 kostete eine typische Wohnung rund 450’000 Franken, für die rund 90’000 Franken an Eigenkapital aufgebracht werden musste. Im Jahr 2020 kostete die gleiche Wohnung 910’000 Franken. Die minimale Eigenkapitalanforderung ist auf 180’000 Franken gestiegen.

Daneben muss die Bank sicherstellen, dass sich der Kreditnehmer die monatlichen Hypothekarzinsen leisten kann. Diese Hürde nennt sich Tragbarkeit. Die Faustregel lautet: Die Summe der Hypothekarkosten darf ein Drittel des Einkommens nicht überschreiten.

Das Problem an dieser Rechnung: Aus regulatorischen Gründen rechnen Banken nicht mit den effektiven Hypothekenzinsen, sondern mit einem langfristigen, nachhaltigen Zinssatz, der bei 5 Prozent liegt. Hinzu kommen 1 Prozent Nebenkosten (für den Unterhalt der Immobilie) sowie die Amortisation der zweiten Hypothek über 15 Jahre. Beispiel: Für ein Haus im Wert von 1 Million Franken benötigt man ein Haushaltseinkommen von 180’000 Franken.

Problem Nummer 2: Seit über 20 Jahren steigende Immobilienpreise

Seit rund zwei Jahrzehnten kennen Immobilienpreise nur eine Richtung: steil nach oben. Die Löhne sind jedoch nicht annähernd so stark gestiegen wie die Preise von Wohneigentum. Der Preis eines typischen Einfamilienhauses (5 Zimmer, 800m³ Volumen, 600m² Grundstück) ist seit der Jahrtausendwende um 75 Prozent gestiegen. Eine typische Eigentumswohnung (4 Zimmer, 100m² Wohnfläche) wurde 2020 sogar doppelt so teuer gehandelt wie im Jahr 2000.

Gleichzeitig sind die mittleren Haushaltseinkommen «nur» um 20 Prozent gestiegen (wobei vor allem in den letzten zehn Jahren eine Stagnation auszumachen ist).

Problem Nummer 3: Mehr Nachfrage trifft auf viel weniger Immobilienangebote

Heute lebt ein Fünftel mehr Menschen in unserem Land als zur Jahrtausendwende und es werden laufend mehr. Die Zuwanderung liegt noch immer auf hohem Niveau. Gleichzeitig sind die Leerstände im Eigenheimmarkt auf tiefem Niveau nochmals gesunken. Mit einer mittleren Insertionsdauer von 62 Tagen werden vor allem Einfamilienhäuser den Verkäufern derzeit förmlich aus den Händen gerissen.

Auch Stockwerkeigentum verkauft sich mit einer durchschnittlichen Insertionszeit von 71 Tagen äusserst schnell. «Gleichzeitig ist der Neubau von Wohneigentum nur noch ein Schatten früherer Zeiten, ist er doch seit 2011 um 40 Prozent eingebrochen», schrieb die Credit Suisse in ihrer Studie «Pandemie bremst die Urbanisierung». «Die effektive Nachfrage übertrifft das beschränkte Angebot bei weitem. Die Angebotsziffer seit 2019 ist um mehr als ein Drittel gesunken.»

Was tun beim Kauf eines Eigenheimes?

Das durchschnittlich gehandelte Einfamilienhaus kostet heute weit über 1 Million Franken. Doch in der Schweiz gibt es durchaus auch Einfamilienhäuser im Angebot, die günstiger sind. Das durchschnittliche auf Immobilienplattformen ausgeschriebene Haus hatte ein Preisschild von 1,08 Millionen Franken. Das mittlere durch Banken finanzierte und damit auch tatsächlich verkaufte Objekt, ging dagegen für 1,24 Millionen Franken über den Tresen. Der Grund liegt darin, dass das Gros der Häuser nicht da gehandelt wird, wo die günstigen Häuser verfügbar wären, sondern da, wo das Angebot besonders knapp und die Nachfrage besonders gross ist, nämlich an den relativ guten Lagen.

Dank Erbvorbezug zum Eigenheim

Ein Weg, wie künftige Eigentümer die Finanzierungshürden überwinden können, ist das Einbringen von mehr Eigenmitteln beim Kauf der Immobilie. Dieses Kapital muss allerdings erst angespart werden. Das braucht viel Zeit und wird auch für gut verdienende Haushalte immer mehr zu einer Herausforderung. «Ohne Unterstützung der Familie, beispielsweise durch ein zinsloses Darlehen oder ein Vorerbe, bleibt der Wunsch nach den eigenen vier Wänden insbesondere für jüngere Haushalte ausser Reichweite», sagt Adrian Wenger vom Vermögenszentrum.

Tatsächlich werden Erbvorbezüge auch immer häufiger genutzt. Schätzungen der Universität Lausanne zufolge wurden im Jahr 2020 Vermögen von rund 95 Milliarden Franken vererbt beziehungsweise als Erbvorbezüge weitergegeben. Im Jahre 2011 lag dieser Betrag noch bei 61 und 1999 bei 36 Milliarden. Rund ein Viertel aller eindeutig als Erbschaften identifizierbaren Banktransaktionen über 10’000 Franken waren in den letzten zehn Monaten Erbvorbezüge. Im Schnitt wurden pro Erbvorbezug mehr als 77’000 Franken übertragen.

Geld aus der Pensionskasse fürs Eigenheim

Das Kapital aus der persönlichen Vorsorge ist ein wichtiger Türöffner für den Erwerb von Wohneigentum. Denn ein Vorbezug der Gelder aus der Säule 3a und der Pensionskasse kann beim Kauf von Wohneigentum dem Eigenkapital angerechnet werden.

Für den Kauf eines Eigenheims müssen in der Regel 20 Prozent aus eigenen Mitteln finanziert werden. Das Pensionskassenguthaben kann man entweder vorzeitig beziehen oder dem Hypothekargläubiger verpfänden. Voraussetzung dafür ist, dass man die Immobilie als eigenen Hauptwohnsitz nutzt.

Doch ganz ohne eigenes Geld geht es nicht: Mindestens 10 Prozent des Kaufpreises müssen aus liquiden Mitteln stammen, etwa Sparguthaben oder Schenkungen. Vorbezüge und Verpfändungen sind in der Regel bis fünf Jahre vor der ordentlichen Pensionierung erlaubt.

Pensionskassen können in ihrem Reglement aber Anderes festlegen. «Bei mehr als jedem dritten Neuerwerb wird ein Pensionskassenvorbezug getätigt, im Durchschnitt in der Höhe von 75'000 Franken, was knapp der Hälfte der benötigten Eigenmittel entspricht», schreibt die UBS in ihrem «Real Estate Focus 2020». «Noch häufiger wird Kapital aus der Säule 3a bezogen, da es den harten Eigenmitteln zugerechnet werden kann; die durchschnittliche Bezugshöhe liegt mit 35'000 Franken deutlich tiefer.»

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