Teure Deutschland-Expansion
Migros-Tochter Galaxus hat fast 200 Millionen verschlungen

Der neue Migros-Chef Mario Irminger spart, wo er kann. Ein Dorn im Auge scheint ihm die kriselnde Auslandsexpansion von Galaxus zu sein. Das teure Deutschland-Abenteuer der Migros-Tochter kommt jetzt auf den Prüfstand.
Publiziert: 28.03.2024 um 09:00 Uhr
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Andreas Güntert
Handelszeitung

Den orangen Riesen verkleinern, aufs Kerngeschäft beschränken und auf Sparkurs trimmen – das ist der Plan des neuen Migros-Chefs Mario Irminger. Fraglich ist dabei, wie die teure Auslandsexpansion des Online-Warenhauses Galaxus dazu passt.

Wie sich die 70-prozentige E-Commerce-Tochter der Migros in den Märkten bewegt, nimmt Irminger so wahr: «In der Schweiz arbeitet Digitec Galaxus profitabel. Die Lage in Deutschland ist ein Thema, das wir aktuell intensiv anschauen. Galaxus.de befindet sich dort in einem harten Konkurrenzkampf mit nationalen und internationalen Unternehmen.»

Anfängliche Investitionen zwar nötig, aber überprüfenswert

Für Irminger ist klar, dass man sich im Ausland in der Phase der Investitionen befinde, wie das bei der Erschliessung eines neuen Marktes üblich sei. Trotzdem habe man da jetzt ein Auge drauf: «Zurzeit prüfen wir, in welchem Masse wir uns mit Galaxus in Deutschland weiterentwickeln wollen.»

Mutterkonzern Migros von Galaxus musste diese Woche einen massiven Einbruch des Konzerngewinns kommunizieren.
Foto: PD
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Artikel aus der «Handelszeitung»

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Zwei Dinge dürften dabei klar sein. Wenn Irminger die Migros insgesamt verschlankt, dabei vor Jobabbau nicht zurückschreckt und jeden Rappen umkehrt, muss er dem Management und der Belegschaft gut erklären, weshalb man sich mit Galaxus gleichzeitig einen kostenspieligen Auslandsfeldzug leistet. Und, zweitens: Die Galaxus-Expansion in die Nachbarländer war jetzt schon teuer. Falls man sie fortsetzt, wird sie noch teurer werden.

Wie teuer die Galaxus-Expansion schon war – und wie viel teurer sie wird

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Seit dem Deutschland-Start von Ende 2018 hat Galaxus.de 120 Millionen Euro verbrannt. So steht es im deutschen Geschäftsbericht von Ende 2022 (jüngste Ausgabe).

Damals ging das Unternehmen davon aus, im Geschäftsjahr 2023 ein negatives Ergebnis von 60 bis 65 Millionen Euro einzufahren. Was das in den ersten fünf vollen Geschäftsjahren kumulierte Minus in eine Höhe von 180 Millionen Euro bringen würde.

Bei Galaxus selber findet man es «richtig und wichtig, das Expansionstempo und die damit verbundenen Investitionen intensiv zu diskutieren». Grundsätzlich aber zeigt man sich bei der Migros-Tochter siegesgewiss, dass man auf mittlere oder lange Frist reüssieren werde: «In Deutschland und den europäischen Märkten konnte Galaxus in den letzten Jahren kräftig zulegen und erzielte 2023 einen Umsatz von 286 Millionen Euro – gegenüber dem Vorjahr ein Plus von 55,4 Prozent», rechnet man am Schweizer Galaxus-Hauptsitz vor.

Der eingeschlagene Kurs in Richtung mehr Marktrelevanz stimme: «Wir entwickeln uns innerhalb des geplanten Rahmens und sind je länger, je zuversichtlicher, dass wir in Deutschland erfolgreich sein werden.»

Deutscher E-Commerce-Profi: «Galaxus.de trifft einen Nerv»

Tatsächlich stimmt das Umsatzwachstum bei Galaxus.de. Das anerkennt auch der renommierte deutsche E-Commerce-Profi Jochen Krisch. Dem Gründer der K5 Future Retail Conference und Chef des Branchenblogs Excitingcommerce imponiert, dass die Schweizer vor allem bei der jungen Kundschaft ankommen: «Galaxus scheint da also einen Nerv zu treffen.»

Was Krisch aber auch sagt: «Die Anfangsinvestitionen sind immer extrem hoch, und Galaxus hat hier mit dem Aufbau der eigenen Logistikinfrastruktur eher geklotzt als gekleckert.» Lieber als mit externen Logistikern zusammenzuarbeiten, haben die Schweizer in Krefeld, das in der Nähe von Düsseldorf liegt, eine eigene Logistikbasis hochgezogen.

Gegen die Branchenriesen wie Amazon oder die Otto-Gruppe will Galaxus in Deutschland nicht nur mit tiefen Preisen, sondern auch mit Merkmalen wie redaktionellen Beiträgen auf der Website und dem Community-Gedanken punkten. Für Krisch ist das «zwar kein Selbstläufer, aber ein gutes Differenzierungsmerkmal».

Weitere fünf Jahre Investitionskraft nötig

Damit Galaxus.de wirklich mithalten kann in Deutschland, muss das Unternehmen weiter wachsen und damit weitere Verluste in Kauf nehmen. Dem selbst deklarierten Ziel, dereinst in Deutschland die Nummer-5-Position zu besetzen, kommt Galaxus.de zwar näher, aber es ist immer noch weit weg. Die Marke liegt bei einem Umsatz von 1,4 Milliarden Euro – also mehr als dem Vierfachen des bisherigen Umsatzes der Migros-Tochter.

Der Drang auf einen Platz in den Top Five entspringt weniger einem chartverliebten Wunsch. Sondern einer Notwendigkeit: Am Schluss sind es in satten Online-Massenmärkten nur eine Handvoll Player, die aufgrund ihrer Skaleneffekte überhaupt die Chance haben, Gewinne zu erzielen.

Krisch sieht es so: «Unter die Top Five zu kommen, sollte für einen starken Anbieter wie Digitec Galaxus mit entsprechender Kapitalausstattung durchaus möglich sein. Wann, das hängt vom Kapitaleinsatz und dem Marketingbudget ab.» Der E-Commerce-Profi steckt den zeitlichen Rahmen so ab: «Fünf bis zehn Jahre dürfte es allerdings schon dauern.» Die ersten fünf Jahre sind nun um. Was bedeutet: Krisch geht von weiteren fünf Jahren aus, die hohe Investitionen brauchen und wohl auch verlustreich sein werden.

«Schneller Break-even kann nicht das Ziel sein»

Als Faustregel, so Krisch, könne gelten, «dass man das, was man als Umsatzniveau erreichen will, an Investitionskosten hat». Was dann, siehe Rang fünf der aktuellen deutschen Hitliste, auf einen Betrag von über einer Milliarde Euro Investitionen hinauslaufen würde. Für die nähere Zukunft wäre wohl weiterhin mit einer Money-Burn-Rate zu rechnen. Krisch sieht es so: «Ich denke, dass ein schneller Break-even nicht das Ziel sein kann. Galaxus braucht eine gewisse Mindestgrösse von 500 Millionen bis einer Milliarde Euro, um in Deutschland dauerhaft vorne mitspielen zu können.» Erst danach mache der Fokus auf die Bottomline Sinn.

Migros will bis Ende Jahr entscheiden

Weitere fünf Jahre in eine Auslandwette mit ungewissem Ausgang investieren? Oder zuvor schon die Notbremse ziehen, wie es etwa die Genossenschaft Migros Zürich mit ihrem paneuropäischen Fitnessgeschäft gemacht hat?

Das Thema dürfte an Dringlichkeit zunehmen bei der Migros. Noch im Kalenderjahr 2024 solle entschieden werden, sagt Mario Irminger: «Wir gehen davon aus, dass wir bis Ende Jahr eine Antwort darauf haben.»

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