Ticket gelöst – aber auf den Namen der Mutter
Kontrolleur droht Teenager (14) mit Strafanzeige

Ein Teenager löst versehentlich ein Ticket auf den Namen seiner Mutter. Und gerät in Teufels Küche. Der verrückte Fall und die rechtliche Grundlage erklärt.
Publiziert: 03.05.2024 um 12:19 Uhr
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Aktualisiert: 03.05.2024 um 14:34 Uhr
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Sarah Serafini
Beobachter

Der Kontrolleur steht vor dem 14-Jährigen und sagt, dessen Ticket sei ungültig. Er habe es falsch gelöst und müsse darum eine Busse und eine Missbrauchsgebühr von insgesamt 200 Franken zahlen. Ausserdem drohe ihm eine Anzeige. Der Bub ist völlig verwirrt, versteht die Welt nicht mehr. Schockiert ruft er seine Mutter an und sagt, etwas Schlimmes sei passiert. Sie holt ihn am Bahnhof ab.

Der Bub hatte mit einem Kollegen mit dem Bus nach Winterthur fahren und den freien Nachmittag in der Stadt verbringen wollen. Dafür löste er – ganz pflichtbewusst – ein Billett. Früh genug und wie immer in der SBB-App, die er auf seinem Handy installiert hat.

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Eine Ticket-Kontrolle des ZVV gibt zu reden.
Foto: Roger Szilagyi/Keystone

Die ganze Familie nutzt hierfür das Login der Mutter. Beim Kauf eines Tickets kann jedes Familienmitglied auswählen, auf welchen Namen dieses ausgestellt werden soll. Der Sohn vergisst an jenem Nachmittag, das Häkchen am richtigen Ort zu setzen – und kauft so versehentlich ein Billett auf den Namen seiner Mutter.

Der Kontrolleur kennt kein Erbarmen

Dieses Malheur ist für den Busbetreiber aber nicht etwa ein läppisches Missgeschick eines Teenagers ohne böse Absichten. Schliesslich hatte er ja ein Billett gekauft. Doch der Kontrolleur lässt keine Gnade walten, als sich der Jugendliche zu erklären versucht. So erzählt es der Bub später seiner Mutter, Tamara Kreder.

Sie findet das harte Auftreten des Kontrolleurs «ziemlich daneben». Ihren Sohn habe die Kontrolle auch Tage später noch beschäftigt. «Er fragte mich, ob er wegen der Anzeige ein Problem bei der Berufswahl bekomme», sagt sie dem Beobachter. Zu denken gibt Kreder auch, dass ihr Sohn mit lediglich 100 Franken gebüsst worden wäre, wenn er an jenem Nachmittag schwarzgefahren wäre.

«Missbrauch», heisst es beim Verkehrsverbund

Per E-Mail habe sie sich am nächsten Tag beim zuständigen Kundendienst des Zürcher Verkehrsverbunds (ZVV) beschwert. Ihr Sohn sei weder ohne Ticket Bus gefahren, noch habe er einen Missbrauch begangen. Und doch werde er nun wegen dieser beiden Vergehen gebüsst und allenfalls sogar angezeigt.

Eine Mitarbeiterin antwortete in einer ausführlichen Mail, dass der Sohn kein gültiges – also auf seinen Namen lautendes – Ticket habe vorweisen können und darum als Fahrgast ohne Billett erfasst worden sei. «Ausserdem besteht ein Missbrauch, wenn die Personalien auf dem Ticket nicht mit den Personalien des kontrollierten Fahrgastes übereinstimmen. Auch wenn es sich bei der Drittperson um ein Familienmitglied handelt», schreibt die Mitarbeiterin.

Aus Kulanz wolle der ZVV aber die Zusatzgebühr für den Missbrauch streichen. Auch auf den Strafantrag werde man verzichten. Die Busse von 100 Franken für das Fahren ohne gültiges Billett bleibe aber bestehen.

Missbrauch ist es nur, wenn es Absicht war

Tamara Kreder findet die Kulanz zwar «nett», doch zufrieden ist sie nicht. Es ändere nichts an der Definition des ZVV, dass ihr Sohn einen Missbrauch begangen habe. «Ja, er hat etwas falsch gemacht. Aber es war ein Irrtum, sicher keine Straftat», sagt sie.

Ein Missbrauch liege tatsächlich nur vor, wenn jemand diesen vorsätzlich begeht, sagt auch Katharina Siegrist, Juristin beim Beobachter. Der Kontrolleur sei einfach mal vom Schlimmsten ausgegangen, also davon, dass der Bub mit Absicht ein falsches Ticket gelöst habe. Dass die ZVV erst auf die Beschwerde der Mutter die Missbrauchsgebühr streicht, findet Siegrist nicht etwa kulant, sondern selbstverständlich. «Die Situation war klar genug, um zu erkennen, dass keine Absicht vorliegt. Die Gebühr hätte gar nicht erst erhoben werden dürfen.»

Gemäss Gesetz sei es unerheblich, aus welchem Grund kein oder ein falsches Ticket vorliege, sagt eine Sprecherin des ZVV. Grundsätzlich würde man alle Fahrgäste gleich und fair behandeln. «Wer kein gültiges Ticket hat, wird ungeachtet der Umstände aufgenommen.» Selbstverständlich werde aber Rücksicht auf besondere Merkmale der Fahrgäste genommen, wie etwa das Alter.

«Das Kontrollpersonal wird regelmässig im Umgang mit Kindern geschult und angewiesen, umsichtig mit ihnen umzugehen.» Ob das beim 14-Jährigen der Fall gewesen sei, kann die Sprecherin nicht sagen. Aus Datenschutzgründen habe sie keinen Zugang zum konkreten Sachverhalt.

Auch die SBB büssen hart

Nicht nur der ZVV geht mit harter Hand gegen Fahrgäste mit falsch gelöstem Billett vor. In einem ähnlichen Fall büssten die SBB einen 15-Jährigen, der versehentlich ein Ticket auf den Namen seiner Mutter gelöst hatte. Darüber berichtete das SRF-Konsumentenmagazin «Espresso».

Während der Fahrt mit der Südostbahn war der Jugendliche in eine Kontrolle geraten und hatte eine Busse von fast 250 Franken kassiert – und eine Anzeige. Erst als sich die Eltern an die Medien wandten, krebsten die SBB zurück. Plötzlich hiess es, man habe die Sache noch einmal geprüft und gehe davon aus, dass es sich tatsächlich nicht um einen Missbrauch handle. Aus diesem Grund wurde der Strafantrag zurückgezogen und die Busse auf eine Bearbeitungsgebühr von 30 Franken reduziert.

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