Trotz der Notkredite für Unternehmer
Die Angst der Kleinen vor der Schuldenfalle

Sie kämpfen, die Inhaber kleiner Betriebe wie Coiffeursalons oder Beizen. Nicht überall funktionieren die Finanzhilfen des Bundes. Auch die Kredite helfen manchen nur bedingt. Viele fürchten um ihre Existenz.
Publiziert: 26.03.2020 um 22:58 Uhr
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Aktualisiert: 11.04.2020 um 12:25 Uhr
Christian Kolbe und Sermîn Faki

«Wir wollen Zehntausende Arbeitslose unbedingt verhindern.» Finanzminister Ueli Maurer (69, SVP) will mit dem 20-Milliarden-Kreditpaket vor allem Tausende KMU vor dem Konkurs bewahren. Darunter viele Selbständigerwerbende, die in der Corona-Krise ohne soziale Auffangnetze dastehen.

Zinsfreie Kredite bis zu einer halben Million Franken, bis zu 196 Franken Corona-Erwerbsersatz oder eine monatliche Lohnausfallpauschale von 3320 Franken pro Monat – so will der Bundesrat unbürokratisch all den Alleinunternehmern, Ich-AGs und Gewerbetreibenden helfen.

Das Geld wird schnell knapp

Dass der Bundesrat so schnell reagiert hat, sei ihm hoch anzurechnen, sagt Michele Blasucci (46), Geschäftsführer der Gründungsplattform Startups.ch. Doch funktionieren die Finanzspritzen für alle?

Kleinstunternehmen wie etwa Coiffeursalons sind besonders in ihrer Existenz bedroht.
Foto: Keystone
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Blasucci: «Das Geld reicht nie für einen Unternehmer mit Familie.» Für Fixkosten wie Geschäftsmiete, Versicherungen und Lebensmittel genüge das nicht. Kommen noch Wohnungsmiete oder Hypothekarzinsen dazu, werde es eng.

Jene Unternehmer, die eine AG oder GmbH führen und sich selbst angestellt haben, bezahlten zwar jahrelang in die AHV und die Arbeitslosenversicherung ein, doch sie bekommen nun – anders als ihre Angestellten auf Kurzarbeit – nur 3320 Franken pro Monat.

Der Bund spricht von Ausnahmesituation

Die Begründung des Bundes: «Es gibt auch viele Leute, die deutlich mehr AHV-Beiträge bezahlen, als sie je Rente erhalten werden. Das ist das Prinzip einer Sozialversicherung», so Boris Zürcher (55), Chef der Direktion für Arbeit im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco).

In normalen Zeiten seien «Angestellte in arbeitgeberähnlicher Situation» gar nicht anspruchsberechtigt. Wegen der ausserordentlichen Lage habe der Bund nun eine Ausnahme gemacht.

Wer Taggeld bekommt, kommt wohl besser weg

Dass Unternehmer dennoch so billig abgespeist werden, will Casimir Platzer (58) nicht akzeptieren. «Was der Bund da macht, ist ein Hohn», sagt der Gastrosuisse-Präsident.

Dies habe er Wirtschaftsminister Guy Parmelin (60, SVP) mitgeteilt. «Wenn dieser Betrag für den Lebensunterhalt der Unternehmer reichen soll, müsste man sofort auch die Löhne der Chefbeamten des Seco auf 3320 Franken kürzen.»

Es gibt noch eine andere Ungleichbehandlung: Einzelunternehmen, die direkt von ihren Einnahmen leben erhalten den Corona-Erwerbsersatz, wenn sie nun wegen der Massnahmen des Bundesrats Ausfälle haben. Obwohl sie nicht in die Arbeitslosenversicherung einzahlen, bekommen sie nun bis zu 196 Franken am Tag. Das macht Ende Monat im Maximum mehr als die Kurzarbeits-Entschädigung für Unternehmer wie Uehlinger. Bezahlt wird das aus dem Topf der Erwerbsersatzordnung, in den alle einzahlen müssen.

Das führt zu Kritik in der Politik: «Der Bundesrat macht einen sehr guten Job», so Nationalrätin Jacqueline de Quattro (59, FDP). «Aber hier muss die Regierung noch mal über die Bücher zu gehen. Es geht um die KMU, um das Rückgrat unserer Wirtschaft.»

Pleiten drohen

Auch die KMU-Kredite können nicht alle Probleme beseitigen. Es gibt höchstens Kredit für 10 Prozent des Jahresumsatzes. Ein Coiffeur mit 150'000 Franken Umsatz bekommt also maximal 15'000 Franken.

Und: Ist der Kredit aufgebraucht, ist das Geld weg, aber die Schulden sind noch da. Deshalb werden Stimmen laut, der Bund solle für eine gewisse Zeit die Betriebskosten von KMU decken – à fonds perdu.

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Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.

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