«Umfrageergebnis alarmiert»
Arbeitskräftemangel bedroht Innovationskraft der Schweizer Unternehmen

Das typische Schweizer Unternehmen ist der Dienstleister um die Ecke: der Coiffeursalon, die Softwarefirma oder die Quartierbeiz. Bei praktisch allen von ihnen herrscht Personalnot. Die UBS hat Schweizer KMU befragt – und ist über die Ergebnisse «alarmiert».
Publiziert: 16.05.2023 um 10:48 Uhr
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Aktualisiert: 16.05.2023 um 15:01 Uhr
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Sarah FrattaroliStv. Wirtschaftschefin

Die Schweizer Wirtschaft zittert – allerdings nicht vor Kälte, wie noch vor wenigen Monaten angesichts einer drohenden Energiemangellage befürchtet. Diese Gefahr ist mittlerweile in den Hintergrund getreten. Ebenso die Pandemie-Nachwirkungen und Lieferkettenprobleme. Neu an erster Stelle der Sorgenliste bei den Schweizer Unternehmen: der Arbeitskräftemangel.

Akademiker und Handwerker gesucht

Nur gerade ein Viertel aller Schweizer Unternehmen kann offene Stellen ohne Probleme besetzen. Das hat eine Umfrage der UBS bei 2500 Firmen aus unterschiedlichen Branchen ergeben. 22 Prozent nehmen Abstriche bei der Qualifikation in Kauf. 40 Prozent geben an, selbst nach Abstrichen beim Qualifikationsprofil noch «Mühe» bei der Personalsuche zu haben. 13 Prozent können offene Stellen gar nicht besetzen.

Das hat ganz konkrete Auswirkungen: Mehr als die Hälfte der Firmen gibt an, dass der Arbeitskräftemangel beim vorhandenen Personal zu Überlastung führt. «Dieses Umfrageergebnis alarmiert. Wenn die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden abnimmt, leidet darunter die Innovationsfähigkeit der Firmen», wird UBS-Ökonom Alessandro Bee in einer Mitteilung zur Studie zitiert.

Der Arbeitskräftemangel bedroht die Innovationsfähigkeit in der Schweiz. Nicht nur bei den grossen Pharma-Firmen ...
Foto: Keystone
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Innovation sei nicht nur in der Forschung und Entwicklung der grossen Schweizer Pharma-Schwergewichte entscheidend, betont die UBS – sondern für praktisch alle KMU im Land. «Die Mitarbeitenden sind dabei im Mittelpunkt der Innovationsfähigkeit der Schweizer Unternehmen», so Bee an der Präsentation der Studie – und genau diese Mitarbeitenden fehlen nun. Das Narrativ, wonach es zu viele Akademiker und zu wenig Handwerker gibt, wird von der Studie entkräftet. «Es fehlt an beidem, Handwerkern und Akademikern», sagt Bee.

Kosten steigen

Mehr als ein Drittel der Firmen gibt an, dass neue Projekte angesichts der Personalnot nicht umgesetzt werden könnten. Ebenso viele beklagen höhere Kosten für die Rekrutierung. Auch längere Wartezeiten, Einschränkungen der Öffnungszeiten sowie Abstriche bei der Qualität von Produkten und Dienstleistungen sind vielerorts aufgrund des Arbeitskräftemangels bereits an der Tagesordnung.

Augenfällig wurden diese Probleme in den vergangenen Monaten etwa bereits in der Gastro-Branche, wo viele Restaurants die Speisekarte zusammenstrichen, den Mittagsservice über Bord warfen oder am Wochenende gleich ganz dicht machten.

Der Zenit ist dabei noch längst nicht erreicht: 40 Prozent der befragten Unternehmen befürchten, dass sich der Personalmangel weiter zuspitzt. Der Höhepunkt des demografischen Wandels wird gemäss Prognosen von Arbeitsmarktexperten denn auch erst 2030 erreicht.

Zuwanderung nicht als Lösung

Immerhin liegen einige Rezepte gegen den Personalmangel bereits auf dem Tisch. Die Hälfte der befragten Firmen will die Attraktivität des eigenen Unternehmens für Arbeitnehmende steigern. So experimentieren etwa immer mehr Firmen mit der 4-Tage-Woche oder schicken das Personal flugs zwei Monate in den bezahlten Urlaub, um sich am Arbeitsmarkt möglichst schmackhaft zu machen. Das erhöht den Gesamt-Pool an Arbeitskräften allerdings nicht, die Unternehmen jagen sich das Personal damit nur gegenseitig ab.

Fast die Hälfte will darum zusätzlich ältere Arbeitnehmende länger im Arbeitsmarkt halten. Ein Drittel will erreichen, dass Teilzeitarbeitende ihre Pensen erhöhen. Vergleichsweise wenig – 15 Prozent – der Unternehmen geben an, die Lücke mit zusätzlichem Personal aus dem Ausland stopfen zu wollen.

Das könnte auch dem Umstand geschuldet sein, dass der Fachkräftemangel und der demografische Wandel ganz Europa im Würgegriff halten: Auch in Deutschland, Italien oder Frankreich zu rekrutieren fällt nicht mehr gleich leicht wie früher.

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